Elif Shafak

Unerhörte Stimmen

Roman
Cover: Unerhörte Stimmen
Kein und Aber Verlag, Zürich 2019
ISBN 9783036957906
Gebunden, 432 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Michaela Grabinger. So sehr Leila es auch dreht und wendet: Sie wurde ermordet.Wie konnte es zu dieser Tat kommen? Fieberhaft denkt sie zurück an die Schlüsselmomente ihres aufreibenden Lebens, an den Geschmack von gewürztem Ziegeneintopf aus ihrer Kindheit, an den Gestank der Straße der Bordelle, wo sie arbeitete, und den Geruch von Kardamomkaffee, den sie mit einem jungen Mann teilte, der zu ihrer großen Liebe wurde. Elif Shafak erzählt in ihrem neuen Roman von einer Frau, die am Rand der Gesellschaft Halt sucht, wo Freundschaften tief sind, aber das Glück flüchtig.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.11.2019

Rezensentin Lena Bopp ahnt, worin der Erfolg von Elif Shafaks Roman begründet liegt: In der Thematisierung des Schicksals von Frauen in der Türkei und in der distanzierten, andeutungsreichen Weise der Erzählung, die die Verzweiflung und den Ekel stets mit Humor abfedert. Für die Leserin, so Bopp, werden die von der Erzählerin im Moment ihres Todes memorierten dramatischen Lebensgeschichten ihrer Freunde, Transsexueller, Aidskranker, Prostituierter, auf die Art erst erträglich. Wie Shafak die Geschichten vom Rand der türkischen Gesellschaft mit den historischen Ereignissen der 60er und 70er in der Türkei verbindet, findet Bopp gekonnt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.08.2019

Mit Hochachtung vor dem politischen Mut der Schriftstellerin Elif Shafak bespricht Rezensentin Sinem Kilic ihren neuen Roman. Kurz erzählt sie die Geschichte der Hauptfigur, der ermordeten Prostituierten Leila und ihrer Freunde, und wir erfahren, wie der Sehnsuchtsort Istanbul für verschiedene Menschen sehr Verschiedenes bedeutet und dass die Stimmen von einigen, wie Leilas, nie hörbar werden. Selbst im Tod werden ihre Namen verschwiegen, da sie am Ende auf dem tatsächlich existierenden Friedhof der Geächteten nur mit Nummern versehen begraben liegen. Solche Auskünfte sind Kilic wichtig, und so fehlt ein Blick auf den Text selbst, über den wir hier nichts weiter erfahren.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 25.07.2019

Gebannt lauscht Rezensent Eberhard Falcke dem Chor "Unerhörter Stimmen", den die türkische Schrifstellerin Elif Shafak hier auftreten lässt. Erzählt wird die Geschichte von Leila, die halbtot auf einer Müllhalde liegend, auf ihr Leben zurückblickt: Aufgewachsen in den Fünfzigern im ostanatolischen Van, missbraucht vom Onkel und drangsaliert von den rigiden muslimischen Glaubensregeln des Vaters, flieht sie kurz vor der drohenden Zwangsverheiratung nach Istanbul, wo sie als Prostituierte im Rotlichtmilieu landet, resümiert der Kritiker, der staunt, wie Shafak auf diese Weise zwei Kultursphären aufeinanderprallen lässt. Vor allem aber bewundert Falcke, wie die Autorin ihrem multikulturellen Personal, darunter der Trans-Mann Nalan, die Somalierin Jamila oder der kleinwüchsige Zayneb, in der repressiven Roman-Gegenwart eine Stimme verleiht.  Ein Roman, der nicht zuletzt aufgrund seiner orientalischen, mitunter magischen realistischen Bilder lange nachhallt, schließt der Rezensent, der gern darüber hinweg sieht, dass "Stil und Komposition" nicht zu den "Stärken" der Autorin gehören.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.06.2019

Rezensentin Marie Schmidt betrachtet den neuesten Roman von Elif Shafak über eine Prostituierte aus Istanbul, die bei ihrem Tod ihr Leben Revue passieren lässt, hin- und hergerissen: Auf der einen Seite hält sie es für ein lobenswertes Projekt, eine Gesellschaft von ihren Rändern her auszuleuchten, und entdeckt durchaus kritisches Potenzial in dem Buch, beispielsweise wenn die Autorin die Hölle schildert, in der die Protagonistin wegen ihres religiös verblendeten Vaters aufwachsen musste. Auf der anderen Seite empfindet Schmidt die Marginalisierten, die Shafak hier heraufbeschwört, in ihrem vorbildhaften Zusammenhalt als verklärt. In jedem Fall lohnt die Schilderung Istanbuls als pluralistischem Ort die Lektüre, schließt die Kritikerin.
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