Elizabeth Bowen

Kalte Herzen

Roman
Cover: Kalte Herzen
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783895612435
Gebunden, 471 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Sigrid Ruschmeier. Portia Quayne ist sechzehn Jahre alt, als ihre Mutter stirbt und sie in die Obhut ihres kühlen, gelangweilten Halbbruders Thomas und seiner Frau Anna gegeben wird. Nach dem letzten Wunsch ihres Vaters sollte sie hier ein "normales, fröhliches Familienleben" kennenlernen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Das Klima und die Stimmung in dem stilvollen Haus am Regent's Park sind ebenso eisig wie der Januartag, an dem der Roman einsetzt.
Thomas und Anna sind typische Vertreter der englischen Mittelschicht, die sich gegen alles abschottet und kein störendes Element in ihrer Umgebung zulässt. Da Portia nicht weiß, wie man Kompromisse eingeht, wird ihre Rolle als Störende immer evidenter; sie gleitet in eine Isolation, aus der sie auch ein erstes Verliebtsein nicht befreit.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.06.2005

Der Rezensent Thomas David ist sichtlich ein Verehrer von Elizabeth Bowen, "Kalte Herzen", hält er fest, ist nicht nur ihr erster, sondern auch ihr bester Roman. Er wurde 1938 veröffentlicht und erzählt das einsame Leben der 16-jährigen Portia im verbitterten Haushalt ihres Halbbruders in London. Selbstverständlich ist da auch ein unehrenhafter junger Mann, der gleichermaßen Portias edles Herz und ihren Verstand verwirrt. Bowen spiegele in suggestiven Bildern ein erkaltetes Gesellschaftsleben unter dem Diktat der "Konventionen der unterdrückten Emotionen", schwärmt David. Zusätzliche Kraft erhalte Bowens "hellsichtige" Darstellung, wenn der Leser aus heutiger Perspektive die 1938 sich abzeichnende Katastrophe des Krieges mitliest. Warum erklärt der Rezensent aber nun Bowens Erstling zu ihrem "unaufdringlichen Meisterstück"? Es sei der "formvollendetste" Roman dieser überaus "formbewussten" Schriftstellerin. Noch das kleinste Detail berühre das Zentrum der Geschichte und bewege die Herzen der Leser. Ein Lob erhält auch die Übertragung von Sigrid Ruschmeier.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.02.2005

Meike Fessmann hat den Roman "Kalte Herzen" der 1899 geborenen und 1973 verstorbenen irischen Autorin Elizabeth Bowen gleichermaßen "unterhaltsam wie interessant" gefunden. Der gesellschaftliche Abstieg der gehobenen Schichten, die irische Unabhängigkeitsbewegung und die Folgen des Ersten Weltkrieg bilden zwar den Untergrund des Buches, werden aber kaum je ausgesprochen, stellt die Rezensentin fest, die gerade in der Verschwiegenheit Bowens den besonderen "Reiz" dieses Romans entdeckt. "Kalte Herzen" dreht sich um die Angst vor gesellschaftlicher Deklassierung und um die Gefühlskälte, die der Modernisierungsprozess bis in die heimischen vier Wände herein getragen hat, erklärt Fessmann. "Intelligenz und diskrete Schwermut" durchziehen dieses Buch, lobt die Rezensentin, die sich von der Aufmerksamkeit, mit der Bowen genauso ihre Figuren wie die meteorologischen Verhältnisse, die Dinge und die Interieurs großbürgerlicher Häuser betrachtet, gefangen nehmen lässt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.12.2004

Felicitas von Lovenberg empfindet die vom Schöffling Verlag eingeläutete Wiederentdeckung Elizabeth Bowens und ihrer "gezügelten Unangepasstheit" als "Geschenk", was ihr erstmals ins Deutsche übersetztes Hauptwerk nun erneut bestätige. Flüchtig betrachtet "geschieht nicht viel". Die sechzehnjährige Halbwaise Portia Quayne kommt zu ihren Verwandten nach London und scheitert mit ihrer Aufrichtigkeit. Dass der Roman trotz der "seelischen Trostlosigkeit" zu einem der beliebtesten Werke Bowens werden konnte, liegt laut Rezensentin an der Prosa, die "furchtlos" auch die "schneidendsten Wendungen" beschreibt. Die "leise Künstlichkeit" der autoritären Erzählstimme störe nicht, sondern führe den Leser wie mit "festem Schuhwerk über zersplittertes Glas". Von Beginn an spürt die Rezensentin eine Melancholie, die nie ins Sentimentale abdriftet, die aber auch an den Stellen, an denen Bowen beißende Kritik an der englischen Mittelschicht übt, nicht verschwindet. Bewundernd erwähnt Lovenberg schließlich, wie Bowen die Unsicherheiten der einzelnen sozialen Rollen anklingen lässt, ohne sie je "brutal auszuformulieren".
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