Ernst-Wilhelm Händler

Die Frau des Schriftstellers

Roman
Cover: Die Frau des Schriftstellers
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783627000288
Gebunden, 640 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Der Ich-Erzähler steht sichtlich unter Schock. Als habe er einen Zusammenbruch erlitten, hockt er mitten in der Nacht unter der Dusche seiner Münchner Wohnung, das heiße Wasser droht, ihm die Haut zu verbrennen. Am Abend war er zufällig dem einflussreichen Literaturagenten T. begegnet, den er nie wieder hatte treffen wollen, sofort war die schlimmste Geschichte seines Lebens wieder hochgekocht. T. hat vor einiger Zeit versucht, den Schriftsteller im Auftrag des renommierten Guggeis Verlags abzuwerben und ihm ein glänzendes Angebot gemacht. Das jedoch an eine seltsame Bedingung geknüpft war: Er sollte das neue Manuskript eines anderen Autors, Tonio Pototsching, selbst fertig schreiben. Als der Erzähler diesen ungewöhnlichen Auftrag schon ablehnen will, trifft er auf Laura, die Noch- oder Exfreundin Pototschings, und verliebt sich in sie. Und er nimmt den dubiosen Auftrag an.
Er ahnt nicht, dass er damit in eine bösartige Intrige hineingezogen wird, angezettelt von dem ungleich erfolgreicheren Schriftsteller und seinem Agenten. Eine Intrige, die ihn fast das Leben kostet, zumindest sein literarisches Leben. Denn Pototsching unternimmt nichts weniger, als ihm seine eigene Biografie zu rauben. Im Glauben, Herr seiner Biografie zu sein, muss er tatenlos zusehen, wie Pototsching Besitz von seinem Leben ergreift, sich seine Kindheit aneignet und mit seiner Hilfe ein enthüllendes Buch verfasst.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.11.2006

Als hochliterarische Mischung aus Thriller und Literaturbetriebs-Satire beschreibt Rezensentin Kristina Maidt-Zinke diesen Roman, der seinem Leser aber wohl auch einiges an Masochismus abverlangt. Denn Ernst-Wilhelm Händler macht darin, wie die Rezensentin (noch spürbar von Leseanstrengung gezeichnet) schreibt, das "bücherschöpfende Milieu bis an die Schmerzgrenze erfahrbar". Und zwar, wie ihrer Beschreibung zu entnehmen ist, in einer geradezu postmodern verschachtelten und polyphon verrätselten Konstruktion. Es treten auf: ein Literaturagent aus französischem Uradel, ein egomanischer Verleger mit Unseld-Zügen, ein Erfolgsautor, der ein Enkel von Alberto Giacomettis Hausmeister ist, zwei Schriftstellergefährtinnen mit den dantesken Namen Laura und Beatrice sowie ein anderer, allerdings erfolgloser Schriftsteller. Die Rezensentin schwankt bei ihrer Bewertung des Romans zwischen Entsetzen und Begeisterung. Am Ende befürchtet sie, die "Schwadronier-Orgien" des Buchs, seine "planmäßige Verdunkelungen", auf einschläferndem, aber "hohem Abstraktionsniveau substanzarm kreisenden Reflexionen" könnten doch eine schwere Krankheit hervorrufen: "Bibliophie zweiten bis dritten Grades".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.10.2006

Derart angeödet zeigt sich Martin Krumbholz von Ernst-Wilhelm Händlers Roman, dass man annehmen muss, er habe die 640 Seiten gar nicht alle gelesen. Laut Krumbholz sollte Querlesen hier jedenfalls erlaubt sein. Das ist als Qualitätsmerkmal eigentlich deutlich genug. Über Händlers Metaspielereien und Romantikanleihen, seine ganze "staubtrockene" hochkonstruierte Story und die "gespreizte Diktion" kann Breitenstein nur müde lächeln. Auf die verzweifelte Frage, was das Buch eigentlich will, gibt Breitenstein eine vernichtende Antwort: Es widerspricht so ziemlich allem, was er unter der Kunst des Romans versteht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.10.2006

Viel Bewunderung zollt Rezensentin Sabine Franke diesem "aberwitzigen und wagemutigen" 600-Seiten-Roman, der sie "direkt ins Denken und Fühlen eines Schriftstellers" geführt hat. Zwar musste sie, wie sie schreibt, sich den "vertrackt" gebauten Roman erst "erarbeiten", da der Roman auch kompositorisch das Abbild eines "frei flottierenden" Schriftsteller-Innenlebens sei, und dabei Stoff und Figuren für fünf Romane auffahre. Aber irgendwann war sie "drin" und der Lesegenuss begann. Anteil daran hat vor allem Ernst Wilhelm Händlers facettenreiche "Ich-Figur", aber auch seine "sprachliche Brillanz" und die "komischen Einfälle": zum Beispiel die satirischen Selbstgespräche dieses Schriftsteller-Ichs mit all ihren Persönlichkeitsabspaltungen. Begeisterung lösen bei der Rezensentin auch Händlers "glasklare Eleganz" und lakonische Tönungen bei der Beschreibung von Milieus und Figuren, sowie die als "Miniaturgrotesken" inszenierten Liebesszenen aus. Am Ende dieses "collageartig" verschachtelten Romans hat sie einen starken Eindruck von der "Beschaffenheit des geistigen Geländes" gewonnen, in dem Literatur entsteht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.09.2006

Rezensent Ijoma Mangold feiert Ernst-Wilhelm Händles Roman als neuen Gipfel komplexer Erzählkunst. Oberflächlich gesehen handele es sich um eine "Klamotte aus dem Literaturbetrieb", die im Roman gezeichnete "überdimensionale Verlegerfigur" trägt aus Sicht des Rezensenten erkennbar die Züge Siegfried Unselds. Dennoch warnt der Rezensent vor oberflächlicher Entschlüsselung, denn Händlers Roman verhandele in sehr komplexer Weise das Verhältnis von Fiktion und Wirklichkeit, wobei Mangold besonders der "erbarmungslose Blick" dieses Autors "für die Unhintergehbarkeit und Allgegenwart von Machtstrukturen" begeistert, die Händler auch im literarischen Schaffensprozess zum Tragen kommen sehe: Und zwar als "ultimative Machtfrage", wer über "Sein und Nichtsein" entscheiden könne. Händler beschreibe den "Ursprung aller Kreativität" auch als narzisstischen Größenwahn, in dessen Kontext der "Wille zum Selbstausdruck" als totalitäre Geste auch die "Vernichtung des Rivalen" mitdenken und nachvollziehen würde.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.09.2006

Dieser Roman, daran lässt der Rezensent Richard Kämmerlings keinen Zweifel, ist eine Herausforderung; jedoch ist er, das wird nicht minder klar, die Leseanstrengung der Edlen wert. Ineinander verschachtelt finden sich ein Schlüsselroman mit einer Unseld-Figur als Großverleger mit Weltbeherrscherfantasien; ein Streit ums eigene Leben und sein (auto)biografisches Notat zwischen zwei Autoren; der Kampf um eine Frau; eine Art Theorie zum Narzissmus des Autoren-Ichs; engste Bezüge zu Werken anderer Autoren, zum wiederholten Male in Händlers Oeuvre vor allem denen Thomas Bernhards; und nicht zuletzt eine Fortwirkensgeschichte des Dritten Reiches. Einzig mit letzterer hat der Rezensent, sollte sie, was er nicht genau weiß, vom Autor als objektive Gegenwartsgesamtdiagnose gemeint sein, seine Probleme. Den Rest findet er klug und tief und, im besten Sinne, außerordentlich ambitioniert. In manchen Schacht, den der Roman gegraben hat, steigt Kämmerlings hinab und kommt mit vollen Händen zurück, und legt diesen Roman dem denkenden Leser deshalb mit großer Entschiedenheit ans Herz.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.09.2006

Ernst-Wilhelm Händler zu lesen war immer schon anstrengend, und ihn zu kritisieren schon immer schwer, findet der Rezensent Sebastian Domsch. Doch mit diesem Roman glaubt der Rezensent endlich etwas gegen den Autor in der Hand zu haben: "Woran es mangelt, ist ein vernünftiger Roman." Wie immer entwerfe Händler ein "bienenfleißiges" und wahnsinnig postmodernes "Konglomerat zahlloser Textebenen", die jedoch in unklarem Verhältnis zueinander stehen. Doch die Romantüchtigkeit der abseitigen wie einfachen Geschichte um die existentielle Identitätsbedrohung, die der Ich-Erzähler, ein mäßig begabter Schriftsteller, erfährt, als er das Manuskript eines Bestseller-Autors (das ausgerechnet von der Kindheit des Ich-Erzählers handelt) vollenden soll, ist durch postmodern verzwicktes Ebenenspiel allein noch nicht gegeben, so das Fazit des Rezensenten.