Fernanda Melchor

Saison der Wirbelstürme

Roman
Cover: Saison der Wirbelstürme
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2019
ISBN 9783803133076
Kartoniert, 240 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Angelica Ammar. La Matosa, eine gottverlassene Gegend in der mexikanischen Provinz. In der brütenden Hitze bewegt sich eine Gruppe von Kindern durchs Zuckerrohrdickicht. Zwischen Plastiktüten und Schilf stoßen sie auf eine Tote, ihr Gesicht ist zu einer grausig lächelnden Grimasse entstellt: La Bruja, die Hexe, eine von den Dorfbewohnern so gefürchtete wie fasziniert umkreiste Heilerin.Manche sagen, in ihrer schwefligen Küche braue sie Tränke gegen Krankheit und Leid, andere sagen, die Alte treibe es mit dem Teufel. An Mordmotiven fehlt es nicht: Eifersucht, Drogenhandel, Leidenschaften, die besser nicht ruchbar werden - und hat die Hexe nicht doch einen Schatz versteckt? Selbst die Polizei sucht nach dem Geld …

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.06.2019

Rezensent Peter Schultze-Kraft scheint zwiegespalten angesichts des 2017 im mexikanischen Original erschienenen Romans von Fernanda Melchor. Das Atemlose, Soghafte des Textes beeindruckt ihn zunächst, zumal in der, wie er findet, äußerst gelungenen Übersetzung von Angelica Ammar. Doch die Rohheit der Sprache und das gewaltvolle Geschehen in Melchors Sozialstudie über die mexikanische Provinz machen dem Rezensenten bald zu schaffen. Allzu desolat erscheint ihm das gesellschaftliche Panorama, allzu hart die Darstellung sexueller Praktiken. Mitunter fragt er sich, ob es sich dabei überhaupt noch um Literatur handelt.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 13.06.2019

In Mexiko sind Geschichten, wie Fernanda Melchor sie in ihrem zweiten Roman erzählt, alltägliche Realität, weiß Rezensentin Katharina Döbler. Tatsächlich beruht auch "Saison der Wirbelstürme" auf wahren Begebenheiten: Bei ihren Recherchen stieß die Journalistin und Roman-Autorin auf einen Fall, der sie beschäftigte und dem sie weiter nachzugehen beschloss. So tauchte sie immer tiefer ein in eine Welt, die von Drogen, Alkohol, Kriminalität, Armut und Aberglauben geprägt ist. Um nicht in Schwierigkeiten zu geraten, hat Melchor die Ergebnisse ihrer Nachforschungen in literarische Form gebracht, statt einen Tatsachenbericht daraus zu machen, lesen wir. Entstanden, so Döbler, ist eine Erzählung von "fürchterlicher Eindringlichkeit" über ein Dorf und seine vom Elend gebeutelten Bewohner. Es beginnt mit der Leiche einer mysteriösen Frau - der Hexe, wie sie von den Dorfbewohnern genannt wird. Ihre Geschichte bzw. die Geschichte ihres Mordes erschließt sich dem Leser Stück für Stück durch die Erzählung verschiedener Figuren, deren Sprache ebenso "wüst" und brutal ist wie ihr gesamtes Leben. Diese "atemlosen Wortkaskaden" in ein ähnlich packendes, derbes und doch gefühlvolles Deutsch übertragen zu haben, hält die Rezensentin für eine "Meisterleistung", für die der Übersetzerin Angelica Ammer besonderes Lob gebührt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.05.2019

Judith von Sternburg gibt zu, dass Fernanda Melchor nicht eben sanft mit ihren Figuren umgeht. Das ändert für die Rezensentin aber nichts an der Klasse des Textes um den Tod einer als Hexe beschimpften Frau in der mexikanischen Provinz und die allgemeine Verwahrlosung der Gesellschaft, die hemmungslos folternde Polizei und die Gewalt gegen junge Frauen, an den erstaunlichen sprachlichen Mitteln und einer "meisterlichen", filmischen Dramaturgie. Wie hier eine undurchdringliche Form und ein ebenso undurchdringlicher Inhalt zur Deckung gebracht werden, scheint Sternburg stark. Lebhaft und nüchtern, doch nie bloßstellend findet sie die Zeichnung der perspektivlosen Gestalten im Buch. Lieblos? Nein, der Leser, meint sie, ist aufgefordert, seine eigenen Schlüsse zu ziehen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.05.2019

Rezensent Ralph Hammerthaler vermisst Wärme in Fernanda Melchors Roman. Dass die Autorin keinerlei Zuneigung für ihre Figuren aufbringt und es unterlässt sie zu entwickeln, irritiert ihn und versauert ihm die Lektüre. Schade, findet Hammerthaler, denn die Geschichte hätte Mitgefühl verdient und mehr Realismus. Kritik an den mexikanischen Verhältnissen wäre so möglich gewesen, meint er. Melchor aber wählt die Form des Schauermärchens, lässt der Gewalt der Drogen- und Zuhältermilieus freien Lauf, erläutert Hammerthaler. Dahinter funkeln die Sprache und Atmosphärik des "hochliterarischen" Textes und lassen beim Rezensenten keinen Zweifel, dass es sich bei Melchor um eine der wichtigsten literarischen Stimmen Lateinamerikas handelt.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 27.04.2019

Johanna Holtkemper möchte lieber nicht wissen, was genau an diesem Roman auf wahren Begebenheiten beruht. Zu drastisch sind die Schilderungen, mit denen Fernanda Melchor die mexikanische Realität aus Machismo, Gewalt und schwarzer Magie beschreibt. Der multiperspektivisch erzählte Plot, der die brutalisierten Lebensgeschichten verschiedener Figuren vereint, von Orgien, Drogen, Erniedrigungen, Abtreibungen berichtet und vor allem vom Schicksal der Frauen, treibt der Rezensentin jede Hoffnung auf Liebe aus. Der in der Übersetzung von Angelica Ammar eingefangene vulgäre Jargon allein lässt Holtkemper erschaudern.
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