Gerhard Falkner, Orsolya Kalasz (Hg.)

Budapester Szenen

Junge ungarische Lyrik
Cover: Budapester Szenen
DuMont Verlag, Köln 1999
ISBN 9783770149711
Broschiert, 220 Seiten, 17,38 EUR

Klappentext

Budapest hat zwei Seelen: die der bösen Vergangenheit mit ihren guten Seiten und die der guten Gegenwart mit ihren bösen Seiten. Die eine liefert den Stoff der Tradition, die andere durchtränkt ihn mit den Farben der Konsumwelt. Die Werte der ungarischen Poesie werden mit Themen verschmolzen, die eigentlich keinen Platz darin haben. Das Neue, das Zeitgemäße, das hip ist oder high macht, wird von der Sprache des kleinen Landes verschlungen. Am Ende hat es dann doch mehr zu tun mit Attila Jozsef als mit der Acid-Party.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 24.11.1999

Jan Wagner ist sichtlich eingenommen von dieser Anthologie, schildert, wie die jungen ungarischen Dichter das Banale und das lyrisch Hohe zu etwas ganz Neuem zusammenfügen, und zitiert einen Vers von Krisztian Peer: "Perlentaucher bin ich, aber mein Körper/ wölbt sich um keine Perle." Schön findet Wagner, wie die ungarischen Dichter Gewöhnliches anrufen, wie einst in der Lyrik Götter angerufen wurden und zitiert als Beispiel einen anderen, hinreißenden, Vers von Imre Pyer: "Mörtelmischer! Vor dem Mietshaus/drehst du dich, Planet mit Loch." Immer wieder, so Wagner, spiele bei diesen Lyrikern Budapest eine Hauptrolle. Nur "an äußerst seltenen Stellen", wenn Klischees der Stadtwahrnehmung wie Drogen oder Verfall ins Spiel kommen, findet Wagner diesen Band schwach.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.10.1999

Hans-Jürgen Schmitt stellt zunächst einmal fest, dass sich die hier vorgestellten Dichter der Jahrgänge 1960 bis 1972 sehr von den Generationen davor unterscheiden. Diesen Unterschied macht Schmitt thematisch vor allem fest an einem Schwenk weg von politischen Schwierigkeiten hin zu persönlichen Belangen und der Frage nach dem eigenen Sein. Augenblicke seien wichtig, Alltagsszenen, die Gegenwart. Dennoch geht Schmitt davon aus, dass sich die jungen Dichter der sprachlichen Tradition, in der sie leben, durchaus bewusst sind. Den vorherrschenden Ton findet er nüchtern, "kein Pathos und keine Andacht im Gedicht". Er lobt die Vielseitigkeit in dieser Anthologie und zitiert einige in seinen Augen besonders gelungene Beispiele. Bedauerlich findet Schmitt nur, dass man wenig über das Leben der jungen Dichter erfährt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.10.1999

In einer Doppelrezension bespricht Katja Hübner zwei Anthologien ungarischer Gegenwartslyrik bzw. -prosa.
1) Gerhard Falkner/Orsolya Kalasz (Hrsg.): "Budapester Szenen" (DuMont Verlag)
Katja Hübner findet es bemerkenswert, wie in diesen Gedichten die Protagonisten "wie ein Pingpongball" zwischen zwei Welten hin- und herspringen: Da ist einerseits die ungarische Tradition mit Melancholie und Weltschmerz, zum anderen aber die schöne neue bunte Welt von Konsum und Karriere. Dabei stellt sie fest, dass sich in mancher Hinsicht sich gegenüber dem Sozialismus wenig verändert hat: "Vertrödeln wir einfach - wie gehabt - unsere Zeit", zitiert sie den Dichter Zolt Foragasi. Auf den ersten Blick unterscheiden sich die jungen ungarischen Dichter offenbar wenig von ihren westlichen Kollegen: Sie hören die gleiche Musik, gehen in Clubs und nehmen auch Drogen. Aber immer wieder komme es durch, das Selbstmitleid, der "Gefallen an der Verzweiflung". Hübner verweist auf Endre Kukorelly, wenn sie dies als besonders typisch für die ungarische Lebenseinstellung bezeichnet.
2) Julianna Wernitzer (Hrsg.): "Kettenbrücke" (dtv)
An diesem Band gefällt Katja Hübner besonders, dass die Autoren hier die Möglichkeit hatten, sich als Personen mit kleinen Texten zunächst einmal selbst vorzustellen. Dies findet sie wesentlich aufschlussreicher als die sonst üblichen Kurzbiografien. Darüber hinaus ist sie von der Auswahl der Texte und auch der der Autoren sehr angetan. Man erhalte als Leser einen guten Überblick über den sprachlichen und thematischen Facettenreichtum ungarischer Autoren verschiedener Generationen: "Das ist es, was das Buch lesenswert macht", findet Hübner, der an diesem Band noch etwas anderes deutlich auffällt: Die stark im Vordergrund stehende "Auseinandersetzung mit dem Glück".