Gerhard Roth

Der Strom

Roman
Cover: Der Strom
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783100660565
Gebunden, 351 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Thomas Mach, ein junger Österreicher aus Wien, reist nach Ägypten. Er soll an die Stelle Eva Blums treten, einer jungen Reiseleiterin, die sich kurz zuvor aus dem Fenster ihres Hotelzimmers in Kairo gestürzt hat. Geleitet von Evas Tagebuch und seiner inneren Stimme, die ihn vor Gefahren warnt, aber auch immer wieder in Schwierigkeiten bringt, setzt sich Mach auf die Spur der Frau. Als plötzlich der Ehemann der Verstorbenen zusammen mit einem Detektiv auftaucht, scheinen sich...

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.02.2003

Gerhard Roths Roman um einen jungen Wiener Papierfabrikantensohn, der sich an der Rätselhaftigkeit Ägyptens berauscht, hat Rezensentin Sonja Zerki nicht wirklich überzeugt. Ihre Kritik kommt metaphernreich daher: So attestiert Zerki dem Roman den "Sog eines trockenen Bachbetts", seine Geschichte sieht sie an "kamelhaardünnen Handlungsfäden" hängen. Viele dicke Brocken hemmten den ohnehin trägen Fluss der Erzählung. "Ungelenke Wortschraubereien (...), ein öliges Product-placement (...) und die Eitelkeit, mit der der Autor seine orientalistischen Basiskenntnisse zur Schau stellt" sprechen nach Ansicht Zerki nicht unbedingt für den Roman. Am ärgerlichsten aber findet sie jene "fast voyeuristische Perspektive", die Interesse an Land und Leuten vorgebe, aber in Wahrheit gar nichts erkennen wolle, sondern sich lieber an der ewigen Unergründlichkeit Ägyptens berausche. In ihren Augen nichts als "verquatschtes Staunen über die Mysterien des Morgenlandes".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.10.2002

Friedmar Apel kann sich für diesen mittleren Band eines siebenbändigen Romanzyklus des Autors nicht begeistern. Was zunächst wie ein "exotischer Kriminalroman" wirke, ist zum Bedauern des Rezensenten eine ziemlich ermüdende Angelegenheit. Das liegt zunächst an der Hauptfigur Thomas Mach, der nach Ägypten reist, um die Aufgaben einer Kollegin zu übernehmen, die in Kairo zu Tode gekommen ist. Mach, moniert Apel , verfügt über einen ziemlich "schlichten und vor allem staubtrockenen Charakter". Dabei werde zum Überfluss diese "Trockenheit" auch noch im "Stil eines Besinnungsaufsatzes" im Roman selbst abgebildet. Der Leser erfährt allenthalben Unwichtigkeiten aus dem Leben des Protagonisten, wie das Verstauchen eines Knöchels im Alter von 14 Jahren, die kaum von Interesse sind, so der Rezensent unzufrieden. Dass dann auch noch "bis zum Überdruss" auf die Mach verwirrende und ihm rätselhaft erscheinende Schrift hingewiesen wird, die er in Straßen und Plätzen entdeckt, nervt Apel genauso wie die "Binsenwahrheiten", die der Held von sich gibt. Um seinen Verriss komplett zu machen, bemängelt er den Roman auch noch als "lustlos und trivial" und kanzelt ihn abschließend als reines "Einwickelpapier der ägyptischen Lesefrüchte" des Autors ab.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.10.2002

Der österreichische Schriftsteller Gerhard Roth hat noch viel vor, weiß Michael Braun. "Der Strom" ist, berichtet der Rezensent, ein weiterer Teil des "Orkus-Zyklus" des Autors, der schon einmal, mit der Veröffentlichung des siebenbändigen Romanzyklus "Die Archive des Schweigens", sein schriftstellerisches Können unter Beweis gestellt habe. In "Der Strom" nun tauchen eine ganze Reihe von Romanfiguren aus vergangenen Werken wieder auf, verrät Braun. "Spielerisch" greife der Autor auch Versatzstücke des Kriminalromans auf und lasse seinen Protagonisten Mach in Ägypten eine ganze Reihe von "Bewusstseinsabenteuern" erleben, die ihn immer tiefer in eine Kriminalhandlung verstrickten. Manche Passagen, meint der Rezensent, wirken beinahe wie eine Parodie auf den Krimi, doch seien sie eigentlich nur "Akzidenzien" der Sinnesreisen, die der Held durchlaufe. Wirklich "aufregend" findet Braun an diesem Roman weniger seine geheimnisvolle und kriminalistische Aura als vielmehr "faszinierende Entzifferungs-Expeditionen" in eine Kultur, die selbst zu einer Hieroglyphe geworden sei.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 29.08.2002

Als wunderbar unlogisch und gerade deshalb so schön "geheimnisvoll, unergründlich und faszinierend" hat Fritz. J. Raddatz den Roman empfunden. Indem sich Roth dem "Zwang des Erklärens" entziehe, sich aus dem "Koordinatensystem von Logik und Berechenbarkeit heraushebelt", schaffe er Raum für seine große literarische Imagination. Roth lasse bei seiner Reise in ein orientalisches Ägypten das "Warum" der westlichen Welt, die Rationalität beiseite und stelle uns Menschen und Situationen vor, die so anders sind, als wir es für möglich halten. Dem Leser dieses Gefühl zu geben, "keinen Schlüssel zu haben zu den Türen, hinter denen sich Wundersames begibt", darin besteht für den Rezensenten Roths Kunst. "Der Roman ist eine Einladung, darüber nachzusinnen, wie anders die Fäden von Menschenschicksalen gesponnen sein mögen." Damit gelinge es Roth, den Leser zu verändern. "Was mehr kann Literatur leisten", fragt der hingerissene Rezensent und ärgert sich schließlich um so mehr über stilistische Mängel, die er hier und da entdeckt hat. "Ist das Beckmesserei? Mag sein. Doch Seifenblasen, schillernd-schön und leicht hinsegelnd, dürfen keine Ausbuchtungen haben."

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.08.2002

"Der Strom" ist der vierte Teil eines auf sieben Romane angelegten Zyklus. Wie die beiden vorangegangenen Werke "Der Plan" und "Der Berg", so Franz Haas, spielt auch der neue Roman nicht in der vom Autor gern gescholtenen Heimat Österreich - sondern in Ägypten -, jedoch stolpern Österreicher auch hier unvorteilhaft durchs Bild. Der Plot des Romans ist wüst, es geht um einen Todesfall, um illegalen Antiquitätenhandel und ein politisches Attentat - das Durcheinander gefällt dem Rezensenten überhaupt nicht. So wenig wie die Sprache Roths, über deren "stilistische Unbeholfenheit" Haas nicht recht hinwegkommt - vor allem helfen Anspielungen auf Bernhard, Bachmann etc. nicht weiter, meint er, und künstlich platzierte Geheimnisse Ebenso wenig. Vorzüge hat der Romane dennoch, nämlich in seiner "ethnographischen Pracht", in der Ausbreitung bestens recherchierter Details. Wenigstens erweise sich Roth, wenn nicht als guter Schriftsteller, so doch als "hervorragender Reiseführer".
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