Hari Kunzru

White Tears

Roman
Cover: White Tears
Liebeskind Verlagsbuchhandlung, München 2017
ISBN 9783954380787
Gebunden, 352 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Nicolai von Schweder-Schreiner. Seth und Carter sind Musikproduzenten in New York. Tagtäglich streift Seth auf der Suche nach neuen Tönen durch die Stadt. Dabei nimmt er am Washington Square Park zufällig eine unbekannte Stimme auf, die für wenige Augenblicke einen Blues-Song intoniert. Im Studio säubert er die Tonspur der Aufnahme und sampelt sie mit anderen Tonfragmenten. Aus Spaß schreibt Carter das Stück dem fiktiven Interpreten Charlie Shaw zu und stellt es mit dem Hinweis, die Aufnahme stamme aus dem Jahr 1928, ins Netz. Unter Sammlern alter Bluesplatten wird der Song im Nu zu einer viralen Sensation. Doch dann werden Carter und Seth von einem Mann kontaktiert, der behauptet, Charlie Shaw habe tatsächlich gelebt, und kurze Zeit später wird Carter von Unbekannten auf offener Straße angegriffen und schwer verletzt. Während er im Koma liegt, macht sich Seth zusammen mit Carters Schwester Leonie auf den Weg in den tiefen Süden der USA, um dort dem Geheimnis des vermeintlich fiktiven Songs auf die Spur zu kommen. Es wird eine Reise in die Vergangenheit, wo der Tod allgegenwärtig ist …

Im Perlentaucher: Geisterstimmen

Denn Kunzru schreibt klug und mit Witz, und er hat seinen Roman fantastisch konstruiert. Je tiefer Seth und JumpJim in den Süden vordringen, umso mehr verschiebt sich der Ton vom Satirischen ins Fantastische, ins Horrende: Undurchdringlich werden Rassismus, Polizeigewalt, sexuelle Hysterie. Thekla Dannenberg in Mord und Ratschlag

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.08.2017

Wie man aus dem Thema kulturelle Aneignung einen spannenden Roman macht, erfährt Andrian Kreye bei Hari Kunzru. Den zweiteiligen Text über zwei Musik- und Plattenvernarrte, die in die Mühlen der Industrie geraten, versteht Kreye als scharf beobachtete Gesellschaftssatire aus dem Amerika und speziell aus dem New York der Gegenwart und geschickt aufgebaute Vivisektion der kulturellen Aneignung, die auch weniger Popsozialisierte verstehen. Dass der Autor das Thema Pop nicht mit der üblichen Unbeholfenheit behandelt, sondern mit echtem Verständnis, indem er statt Namen und Songs zu nennen, Klänge und Stilmerkmale beschreibt, findet Kreye bemerkenswert. Durch den Drift des Textes aus den verlässlichen Zeitbezügen in den magischen Realismus fühlt sich der Rezensent gefordert, doch nicht überfordert. Schön auch, dass der Autor nicht moralisiert, sondern lieber sprachlich raffiniert arbeitet, meint Kreye.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.07.2017

Als brillante Variation auf Conrads "Herz der Finsternis" liest Rezensent Klaus Bittermann Hari Kunzrus Roman. Erst skeptisch, ob die Geschichte eines Nerds auf Abstieg ihn nicht langweilen wird, findet sich Bittermann bald vom Text in seinen Bann gezogen. Suggestive Kräfte wirken hier laut Bittermann und lassen die gewaltige und gewaltreiche Geschichte um zwei Musikfreaks im Sammelwahn und auf Roadtrip in Mississippi für ihn zum Pageturner werden, bis die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit im Text sich aufzulösen beginnen und Conrad grüßen lässt.
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