Heinrich Böll

Heinrich Böll: Briefe aus dem Krieg 1939-1945

2 Bände
Cover: Heinrich Böll: Briefe aus dem Krieg 1939-1945
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2001
ISBN 9783462030228
Gebunden, 1652 Seiten, 50,11 EUR

Klappentext

Mit einem Vorwort von Annemarie Böll und einem Nachwort von Hamish Reid - Herausgegeben und kommentiert von Jochen Schubert. Heinrich Böll, 1917 geboren, hat als Gefreiter der deutschen Wehrmacht von 1939 an den ganzen Zweiten Weltkrieg bis zur Kapitulation der Deutschen 1945 mitgemacht, in verschiedenen Kasernen und Einrichtungen in Deutschland und an Kriegsschauplätzen in Frankreich, Polen, Rumänien, Ungarn und Russland. Er wurde mehrfach verwundet. Während dieser Jahre hat Böll fast täglich Briefe geschrieben, die überwiegend an Annemarie Cech, die in dieser Zeit seine Frau wurde, gerichtet sind, aber auch an die Familie und Freunde.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.11.2001

Heinrich Bölls Briefe aus dem Krieg an seine Familie und seine Verlobte und spätere Ehefrau Annemarie Cech sind für Guido Graf die literarischen Zeugnisse eines zahnlosen Löwen, der noch ganz am Anfang seiner schriftstellerischen Karriere steht und dem Krieg außer Beschwichtigungen, Demut und versteckter Verzweiflung nichts entgegensetzen kann. Dabei muss der Leser im Auge behalten, so der Rezensent, dass diese Briefe eine dreifache Zensur durchlaufen haben: die von Böll selbst, die der Feldpoststelle und die von Annemarie Böll, die die Auswahl zusammengestellt, transkribiert, Auslassungen vorgenommen hat. Entstanden ist, meint Graf, ein "gewaltiger Textkorpus", in dem der Verfasser mit "manchmal ironischem, oft erbaulichem Ton" seine Enttäuschung und persönliche Verzweiflung kundtut. Für Graf gibt es aufschlussreichere Dokumente über den Krieg und für eine Böll-Biografie findet er den Stellenkommentar von Jochen Schubert "hilfreicher" als die Briefe selbst. Einzig Bölls Ansatz, sich zur eigenen Bewältigung des Kriegsgeschehens in eine literarische Welt hineinzudenken, erscheint dem Rezensenten eine wichtige Aussage für die Nachwelt zu sein.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.10.2001

"Der Schriftsteller Böll ist ohne den Zweiten Weltkrieg nicht zu denken, doch über den Soldaten Böll wusste man bisher wenig", stellt Marcel Beyer fest. Bölls Briefe aus dem Krieg offenbarten dem Leser jedoch nicht, wie er zum Schriftsteller geworden sei, sondern vielmehr, wie er sein gesamtes Soldatenleben darauf wartete, einer zu werden. Beyer sieht die Briefsammlung kritisch. Positiv hebt er zum Beispiel hervor, dass man erfährt, wie überraschend offen und drastisch Böll seine Beurteilung der Wehrmacht formuliert hat. Beyer bedauert jedoch, dass man nur selten etwas über Bölls favorisierte Lektüren erfährt. Auch findet er Gedankengänge manchmal schwer nachzuvollziehen, da es sich um keinen Briefwechsel handelt und die fehlenden Antwortbriefe nicht durch entsprechende Erläuterungen ersetzt werden. Besonders scheint Beyer zu stören, dass der Stellenkommentar den Nachkriegsschriftsteller Heinrich Böll gänzlich ausblendet, d.h. keine Beziehungen zwischen Briefen und Werk erstellt. Wenn die Sammlung nicht nur für Fans und Fachleute gedacht sei, sondern auch beabsichtige, Böll einem breiteren Publikum nahezubringen, hätte man in der Kommentierung über die Klärung von Sachfragen hinausgehen und vorsichtige Deutungen wagen müssen, findet Beyer.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2001

Die Briefe, die Heinrich Böll an seine Familie und seine Frau aus dem 2. Weltkrieg schrieb, sind für den Autor ein Akt des Überlebens gewesen, ein Ariadnefaden, der ihn durch das dunkle Labyrinth des Krieges geführt hat, entnimmt Dieter Wellershoff der zweibändigen, "vorzüglich edierten" Ausgabe, die 750 Briefe enthält, gut dreiviertel aller aus dieser Zeit überlieferten Schriftstücke von Böll. Sie sind nicht nur Dokumente, die einen anderen und durchaus gewöhnungsbedürftigen Blick auf den berühmten Schriftsteller erlauben, so der Rezensent, sondern auch Zeugnis einer Entwicklung, die der Autor in den Kriegsjahren von einem vorurteilsbehafteten Soldaten hin zum nachdenklichen Schriftsteller vollzogen hat. Böll hat, ganz im Gegensatz zu Thomas Mann, seine Briefe "ins Unreine" geschrieben, berichtet Wellershoff. Ein Leser, der sie nicht durch die Brille der Political Correctness liest, werde hier viel Widersprüchliches und Ungereimtes lesen, doch für Wellershoff sind sie jeder für sich wertvolle Augenblicksäußerungen. Ganz und gar begeistert ist der Rezensent zudem über das "kluge" und umfassende Nachwort des ausgewiesenen Böll-Forschers Hamish Reid und den ausführlichen Stellenkommentar des Herausgebers Jochen Schubert und seine Mitarbeiter, der es dem Leser ermögliche, die Briefe im sachlichen Kontext der Kriegsjahre zu lesen.