Helmut Krausser

Schmerznovelle

Cover: Schmerznovelle
Rowohlt Verlag, Reinbek 2001
ISBN 9783498035068
Gebunden, 128 Seiten, 15,29 EUR

Klappentext

Im Titel klingt Arthur Schnitzlers "Traumnovelle" an: Ein außerordentliches Ereignis verändert das Leben eines Arztes. Er opfert seinen Urlaub in einem mondänen österreichischen Badeort, um die Persönlichkeitsspaltung der Johanna Maria Palm zu untersuchen, deren Mann unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen ist. Nach eigenem Verständnis führender Spezialist auf dem Gebiet sexueller Aberrationen, gerät der Arzt bald in den Bann von Johannas erotischer Ausstrahlung. Die rätselhafte, doch souveräne und überlegene Frau verunsichert den eitlen Narzissten so, dass er seinen medizinischen Ehrenkodex vergisst. Wird sie zu seiner Marionette oder er zu ihrer? Ist sie tiefer in das Ableben ihres Mannes verstrickt, als die Staatsanwaltschaft ahnt? Alles eskaliert und mündet in eine Tragödie ...

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 23.05.2001

Eins ist deutlich: Hajo Steinert ist bei allen Vorschusslorbeeren für Helmut Krausser richtig enttäuscht. Obwohl der Autor die Kunst beherrscht, den Leser mit "wenigen, hart geschnittenen" Sätzen in seinen Bann zu ziehen, hält die Geschichte nicht, was sie verspricht, meint der Rezensent. Sie wandere auf dem schmalen Grad zwischen Pornografie und Erotik und wirkt auf Steinert dabei reichlich überspannt. Filmregisseur Tom Tykwer ("Lola rennt"), der im Klappentext verspricht, den Leser erwarte das beste Krimipornomelodram aller Zeiten, mag der Rezensent jedenfalls überhaupt nicht zustimmen: "Man nehme eine Kelle Krimi, eine Prise Porno, eine Messerspitze Melodram, reichere das Ganze noch mit literaturhistorischen Anspielungen an, stecke das Ganze in einen Mixer, wird schon etwas dabei herauskommen", ärgert sich der Rezensent. Für ihn bleibt Kraussers Prosa action-lastig und an der Oberfläche, seine Naturmetaphorik abgegriffen und grell, die ganze Erzählung beliebig und berechnend.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.04.2001

Der Titel trifft den Inhalt: Schmerzvoll geht es im neuesten Werk von Helmut Krausser zu, warnt Andrea Köhler. Der "Hobbyraum-Porno" hält allerlei obskure und parabolische Sexualpraktiken auf Lager. Ob man die allerdings genauer wissen will, ist eine ganz andere Frage, meint die Rezensentin. Jedenfalls ist sie etwas erstaunt darüber, dass ein nicht mehr ganz junger Ich-Erzähler, der Feder eines nicht mehr ganz jungen Schriftstellers entsprungen, die Erotik vierzigjähriger Frauen entdecken will. Und dann zu solchen Ergebnissen kommt. Krausser habe hier ein schmales Exempel seiner todestrunkenen und pornografischen Obsessionen vorgelegt, denkt Köhler und empfiehlt, diese "Albtraumnovelle", die leider auch noch gelegentlich sprachlich in holzige Sprechzimmerprosa abgeglitten sei, besser nicht zu lesen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.03.2001

Da schlägt der Kritiker am Ende zu! Krausser hat seine Seele längst an den Film verkauft, behauptet Tom Peuckert, allerdings auf höchstem Niveau. Für ihn also Literatur an der Schmerzgrenze, wie der Titel der Erzählung schon sagt, Literatur auch an der Kitschgrenze, sexuell aufgeladen, hochspannend, äußerst morbide und stets an exquisiten Orten spielend. Das Ambiente muss stimmen - auch darin sei Krausser dem Film verpflichtet. Krausser interessiere die innere Motivation seiner Figuren nicht (obwohl sein Protagonist Psychiater ist), ihm komme es nur auf die äußeren Wirkungen an, was für Peuckert den Nervenkitzel erklärt, den der Leser an sich erfährt. Allerdings gab es bei Peuckert schließlich einen Reflex der Abwehr. Ihn überkam Erschöpfung und das Gefühl, eigentlich nichts erfahren zu haben.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.03.2001

Lutz Hagestedt ist begeistert von dieser neuen Erzählung von Helmut Krausser, die seiner Meinung nach den Autor "auf dem bisherigen Höhepunkt seiner Erzählkunst" zeigt. Mit einem Blick für Bizarres, mit Stringenz und trockener Komik erzähle Krausser von einer "sexualpathologischen Fallgeschichte, (die sich) zu einem - ebenso spannenden wie grotesken - Kriminalfall entwickelt". Es geht um einen Psychiater, der die Distanz zu einem seiner Fälle verliert und durch diesen Kontrollverlust auch den Respekt für seinen Beruf, den er am Ende nicht mehr ausüben kann. Der Protagonist füllt in der Geschichte gleich ein paar Rollen aus, erzählt Hagestedt - analysierender Psychiater, Detektiv und Lockvogel - und arbeitet sich in dem Zusammenhang gleich an allen möglichen Thema ab, von Ehrgeiz über Kreativität bis zur Eifersucht.
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