Ilko-Sascha Kowalczuk

Walter Ulbricht

Der deutsche Kommunist
Cover: Walter Ulbricht
C.H. Beck Verlag, München 2023
ISBN 9783406806605
Gebunden, 1006 Seiten, 58,00 EUR

Klappentext

Walter Ulbricht war einer der einflussreichsten deutschen Politiker des 20. Jahrhunderts. Ilko-Sascha Kowalczuks umfassende wissenschaftliche Biografie schöpft aus langjährigen Quellenrecherchen in Dutzenden Archiven im In- und Ausland. Sein Buch ist auch eine Geschichte des Kommunismus und des zerrissenen 20. Jahrhunderts. Der erste Band behandelt die Zeit bis 1945, als die "Gruppe Ulbricht" nach Berlin entsandt wurde, und enthält Ulbrichts Aufstiege in der Arbeiterbewegung, den Kampf der KPD in der und gegen die Weimarer Republik, den Widerstand gegen den Nationalsozialismus und die Exilzeit in Prag, Paris und Moskau. Wer diese Hintergründe kennt, versteht sehr viel besser, was Ulbricht nach 1945 antrieb und warum die DDR zu dem wurde, was sie war. Kowalczuk beschreibt den Aufstieg des um die Jahrhundertwende in Leipzig geborenen Sohnes eines Schneiders zum Führer der deutschen Kommunisten, der zum eigentlichen Gründer der DDR wurde und 1961 die Mauer errichten ließ.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.10.2023

Für den Rezensenten Martin Sabrow bleibt Walter Ulbricht auch in der, wie er findet, äußerst gründlich recherchierten Biografie (4000 Fußnoten!) von Ilko-Sascha Kowalczuk der Apparatschik, als den man ihn kennt. Das liegt vielleicht auch an der spärlichen Quellenlage über das Privatleben des KPD-Politikers, vermutet Sabrow. Die ausgewertete Korrespondenz mit Lotte Kühn ergibt zudem kaum Aufschluss über den Privatmann Ulbricht, bedauert er. Schade findet er auch, dass die übrigen KPD-Mitglieder im Buch nur schemenhaft vorkommen und der Autor mitunter allzu hagiografisch vorgeht, etwa wenn er Ulbrichts Fistelstimme unter dem Gesichtspunkt des Bodyshaming betrachtet. Für Sabrow ist das Buch letztlich nicht mehr und nicht weniger als "biografische Institutionsgeschichte" der KPD und ihrer Richtungsgkämpfe. Vom Folgeband erhofft er sich mehr.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 21.08.2023

Seinem Anspruch, das Bild Walter Ulbrichts als eines wenig inspirierten Apparatschiks zurechtzurücken, wird der Biograf Ilko-Sascha Kowalczuk nicht gerecht, meint Rezensent Thomas Schmid. Dennoch lohnt sich die Lektüre des Werks, von dem bislang nur der erste, die Zeit bis 1945 behandelnde Band vorliegt, meint der Rezensent, und zwar weil sie linke Irrungen und Wirrungen des frühen 20. Jahrhunderts offenlegt. Kowalczuk zeichnet zunächst eine geläufige Aufstiegsgeschichte aus dem Arbeitermilieu nach, lernen wir. Zum Schockerlebnis, das nicht nur Ulbricht in den Dogmatismus treibe, werde der Erste Weltkrieg. Ulbricht entschied sich, fährt Schmid fort, für den Kommunismus und findet seine Berufung in der Orthodoxie der Parteipolitik, wo Bücher keine Bücher mehr sind, sondern mit religiöser Inbrunst verteidigte Anleitungen. Offensichtlich erweist er sich dabei auch als Überlebenskünstler, der seine Fahne stets in den richtigen Wind hängt. Schmid zeigt sich beeindruckt von der Materialfülle des Buchs, kritisiert aber, dass Ulbricht als Privatmensch nicht greifbar wird und vor allem auch seine zahlreichen Mitstreiter und Gegner nicht plastisch darstellt werden. Dass Kowalczuk viele Ulbricht-Kritiker als "Renegaten" diffamiert, irritiert den Rezensenten.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.08.2023

Erstaunlich findet es Rezensent Stefan Mahlke, dass Ilko-Sascha Kowalczuks Walter-Ulbricht-Biografie die erste wissenschaftlichen Standards genügende Arbeit zu Ulbricht ist. Schließlich, führt Mahlke aus, war Ulbricht eine der bedeutendsten politischen Persönlichkeiten im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Mahlkes Rezension zeichnet hauptsächlich Ulbrichts Lebensweg bis 1945 nach, wo auch der vorliegende erste Band von Kowalczuks Arbeit endet. Ulbricht wurde in den 1920er Jahren zum treuen KPD-Parteisoldaten, lernen wir, der sich als talentierter Organisator erwies und die Direktiven zunächst Lenins und später Stalins nie in Frage stellte. In den Wirren kommunistischer Parteipolitik der 1920er und 1930er erwies er sich als Überlebenskünstler, über sein Privatleben ist laut Mahlke wenig bekannt; ein "liebevoller Vater" sei er freilich gewesen und diszipliniert im Lebenswandel. Kowalczuks Buch bescheinigt der Rezensent eine beeindruckende, gelegentlich freilich etwas überbordende Materialfülle.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 03.08.2023

Ilko-Sascha Kowalczuks Biografie von Walter Ulbricht schließt eine Lücke der Geschichtswissenschaft, stellt Kritiker Alexander Cammann fest: Zum Kommunismus an sich ist viel geforscht worden, zu Walter Ulbricht, einer der entscheidenden deutschen Figuren der kommunistischen Geschichte, bislang nicht, doch das übernimmt jetzt Kowalczuk auf rund 1000 Seiten, die die Stationen Ulbrichts vom Aufwachsen in Leipzig über Leitungspositionen in der KP der Weimarer Republik und Exil in Moskau bis zur Rückkehr nach Berlin 1945 detailliert und mit genauer Kenntnis des Archivmaterials nachvollziehen. Die Erzählung von einem Genossen, der innerparteiliche Kämpfe sowohl wegen stabiler Nerven als auch wegen seiner relativen Konturlosigkeit gut übersteht, liest Cammann trotz ihm unsystematisch erscheinender Genderformen gerne und freut sich bereits auf den zweiten Teil der Biografie, der im nächsten Jahr erscheinen soll.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 31.07.2023

Trotz ihrer Wissenschaftlichkeit ist Ilko-Sascha Kowalczuks Walter Ulbricht Biografie angenehm zu lesen, freut sich Rezensent Florian Keisinger. Ulbricht trat schon früh in die SPD ein, nach der gescheiterten Revolution 1919 wendete er sich aber von dieser ab und stieg die Karriereleiter der KPD hinauf, wobei er sich durch äußersten Gehorsam gegenüber Moskau auszeichnete, resümiert Keisinger. Dabei hat Ulbricht, lesen wir, es geschafft bis 1945 dem Terror unter Stalin durch Opportunismus zu entgehen, sein Netzwerk auszubauen und 1945 zum führenden deutschen Kommunisten aufzusteigen. Außerdem erfahren wir einiges über das fatale Verhalten der KPD in der Weimarer Republik, in der man, statt der NSDAP entgegenzutreten, die Sozialisten bekämpfte. Gekonnt bettet der Autor Ulbrichts Handlungen in die Zeitumstände ein, anstatt sie leichtfertig zu verurteilen, so der Rezensent, dabei setzt Kowalczuk auf Akribie und Tiefe.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 27.07.2023

"In guten Händen" fühlt sich Rezensent Henry Bernhard schon bei der Lektüre des Vorworts von Ilko-Sascha Kowalczuk zu dessen umfangreicher Ulbricht-Biografie. Und das bestätigt sich für den Kritiker auf den nächsten 1000 Seiten: Der Autor räumt wie angekündigt mit den Legenden um Ulbricht auf, die ihn vorzugsweise lächerlich machten, und porträtiert ihn als klugen Mann, für dessen politische Ansichten die gescheiterte Novemberrevolution 1918 ausschlaggebend war, lobt Bernhard. Seitdem waren für Ulbricht die Sozialdemokraten "Sozialfaschisten", die es zu beseitigen galt auf dem Weg in den sonnigen Kommunismus. Auch die Jahre des stalinistischen Terrors, in denen Ulbricht unaufhaltsam aufstieg, zeichnet der Biograf in ihrer Grausamkeit nach, so Bernhard, über den Privatmann erfährt er allerdings wenig, weil Ulbricht, wie er erklärt, kaum Privates preisgab. Auf 1000 Seiten gibt es schon mal Längen, aber die "detaillierte" Gliederung erleichtert ihm die Lektüre ungemein. Er freut sich schon auf den zweiten Band.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.07.2023

Eine akribische Studie zum Leben und politischen Wirken Walter Ulbrichts hat Ilko-Sascha Kowalczuk vorgelegt, lobt Rezensent Daniel Siemens. Unter anderem ist das Werk, das im Jahr 1945 abbreche - eine Fortsetzung ist angekündigt - dazu geeignet, das Image Ulbrichts als charmbefreiter Apparatschik zu korrigieren, ohne sein Schaffen deshalb in ein freundlicheres Licht zu stellen, bemerkt der Kritiker. Ausführlich zeichnet Kowalczuk den frühen Lebensweg Ulbrichs nach und entwirft das Bildes eines sozialen Aufsteigers, so Siemens, der sich in der Arbeiterbewegung kontinuierlich nach oben arbeitete. Das Buch, das sich auch als eine Geschichte der deutschen kommunistischen Bewegung verstehe, zeichne nach, wie die Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) schon in den 1920er Jahren eng mit der Komintern kooperierte. Die Bindung an die stalinistische Politik habe Ulbrich stets bedingungslos mitgetragen. Ulbrich selbst habe laut Kowalczuk stets einen bescheidenen Lebensstil gepflegt und sein Privatleben strikt seiner politischen Tätigkeit untergeordnet. Es gelingt dem Autor, diese persönlichen Eigenschaften auf die Prägung Ulbrichts in den politischen Kämpfen der 1920er Jahre zurückzuführen, so Siemens. Nicht zuletzt ermögliche das gut 1000-seitige Buch Erkenntnisse darüber, warum die Demokratisierung Deutschlands nach 1918 nicht dauerhaft erfolgreich war.
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