James Kelman

Busschaffner Hines

Roman
Cover: Busschaffner Hines
Liebeskind Verlagsbuchhandlung, München 2003
ISBN 9783935890144
Gebunden, 99 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Silvia Morawetz. Robert Hines wünscht sich nichts sehnlicher, als vom Busschaffner zum Busfahrer aufzusteigen. In den Augen seiner Vorgesetzten jedoch findet er wenig Gnade, denn er tut sich schwer mit den Dienstvorschriften der Glasgower Verkehrsbetriebe. Mit dem Verkauf der Fahrkarten nimmt er es nicht so genau, oft tritt er seinen Dienst mit Verspätung an, und mit seinen Vorgesetzten streitet er sich tagtäglich herum. Die komischen und traurigen Episoden im Leben des Busschaffners Hines erzählen von einer Welt, an der das Glück vorüberzugehen scheint. Und doch gibt es Momente, in denen der Traum von einer besseren Zukunft gar nicht so aussichtslos ist. Man müßte nur seinen Mut zusammennehmen und die Initiative ergreifen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.10.2003

Ein tristes Buch, findet Christoph Schröder, dem man schon mal einen Amokläufer wünsche, der Buch mitsamt Helden in die Luft sprengte. Wie erklärt sich die schleichende Aggression des Kritikers? Von einer quälenden und zunehmend enervierenden Lektüre berichtet Schröder, der es zusehends leid wird, Busschaffner Hines beim Zigarettendrehen zuzuschauen. James Kelmans Roman gibt Einblick in die Nöte des englischen beziehungsweise schottischen Kleinbürgertums im Jahr 1984, also zur vollen Blüte des Thatcherismus, erinnert Schröder, der sogar bis Glasgow vorgedrungen war. Minutiös beobachte Kelman seinen Antihelden beim Verschlafen seiner Termine, beim Vertilgen von Rindswürstchen oder beim Fußbad, auch bei gelegentlichen gedanklichen Höhenflügen, die schnell zurückführten in den banalen Alltag. Schröder sieht eine Resignation am Werk, die sich bis in die Sprache hinein gefressen hat - das ist bestimmt beabsichtigt, sagt er über den Autor, aber ziemlich unerträglich.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.07.2003

Angela Schader wünscht sich für den Protagonisten des Buches "etwas Besseres" als das öde Leben als Schaffner, doch "Busschaffner Hines" ist nicht karrierebewusst genug, um seine klägliche Situation zu ändern. Eigentlich ist er "zu intelligent, um so zu sein", wundert sich Schader. Um einen regelrechten Working-Class-Roman handele es sich eben deswegen nicht, weil Hines dafür zu wenig Arbeitseifer zeige. Schließlich kommt der Schaffner immer zu spät zur Arbeit und nervt seine Kollegen mit "aggressivem Defätismus", erzählt die Rezensentin. Dafür hat er aber eine schöne junge Frau, die zwar einmal den Versuch macht, aus der Trostlosigkeit auszubrechen, jedoch wiederkehrt. Und zwar aus Liebe, die "höher ist denn alle Vernunft", behauptet Schader und fragt sich, ob sie damit nicht ein "Prachtexemplar männlicher Wunschprojektion", darstellt. Jedenfalls gewinnt Schader aus dem Roman die "unselige und nicht abzuweisende Lebenswahrheit", dass wir unsere Verhältnisse nicht wirklich ändern können.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.06.2003

Zweifellos habe sich James Kelman mit diesem Buch seine literaturhistorischen Meriten verdient, meint Alex Rühle, stellt aber gleichzeitig die Frage, "was diese schottische Befreiungsaktion des Jahres 1984 dem gemeinen deutschen Leser bringt." In diesem Buch habe der Glasgower Slang, dem "das Wörtchen 'fuck' als wichtigstes Interpunktionszeichen" dient, zum ersten mal Einzug in die englische Prosa gehalten. Der Autor nutzt ihn, um die Schnoddrigkeit seines erfolglosen Protagonisten zu beschreiben. Darin sieht Rühle denn auch das, "was Kelman am besten kann: den Loser wunderbar schnoddrig dahinphilosophieren lassen."
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.04.2003

Am literarischen Rang James Kelmans lässt Tanya Lieske keinen Zweifel: Den Booker-Preis für seinen Roman "Sieben Tage im Leben eines Rebellen" habe er sich als redlich verdient, vor allem wenn man die Schlüsselfunktion bedenke, die dieser Roman bei der Renaissance der schottischen Literatur in den Neunzigern gespielt habe. Kelmans bereits 1984 erschienener Roman "Busschaffner Hines", der nun in neuer Übersetzung vorliegt, hat Lieske jedoch ein wenig unbefriedigt gelassen. Erzählt wird die Geschichte eines Einzelgängers, der sich zwischen Ohnmacht und Sprachlosigkeit im Unglück eingerichtet hat; es gibt ein Oben und ein Unten, die Briten und die Schotten, die Protestanten und Katholiken, die Inspektoren und die Schaffner. Der Rezensentin gefällt zwar durchaus, wie lebendig und mit welchem Sarkasmus Kelman das Elend seines malochenden Tagelöhners beschreibt, die behauptete Ausweglosigkeit aber, gegen die der Protagonist wie gegen eine gläserne Wand stetig anrennt, mag sie Kelman nicht abnehmen.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.03.2003

Mit zwanzig Jahren Verspätung kommt James Kelmans Roman auf den deutschen Markt, aber dennoch ist er ganz "frisch, staubfrei und außerordentlich bewegend", versichert Rezensent Jochen Jung. Denn damals, in der Blütezeit des Thatcherismus, gab es noch die aus der Literatur längst verschwundene Welt des unteren Kleinbürgertums - und es gab Busschaffner. Von genauso einem handelt die Geschichte, vom Schaffner Robert Hines in Glasgow eben, und viel gebe es da eigentlich gar nicht zu erzählen, meint Jung: Es ist, wie es ist. Und doch steckt darin so viel Verloren und droht so viel Verzweiflung, dass der Rezensent bekennt, sich vor dem Umblättern gefürchtet zu haben. So findet Jung den Roman "großartig, schonungslos, witzig-verzweifelt". Bei so viel Lob fällt übrigens auch eins für die "tüchtige" Übersetzerin Silvia Morawetz ab.
Stichwörter