Joanna Bator

Sandberg

Roman
Cover: Sandberg
Suhrkamp Verlag, Berlin 2011
ISBN 9783518422229
Gebunden, 492 Seiten, 26,90 EUR

Klappentext

Aus dem Polnischen von Esther Kinsky. Die rebellische Dominika mit dem dunklen Teint und der "Zigeunermähne" ist eine Außenseiterin. In der Klasse fühlt sie sich zu den Mitschülern hingezogen, die anders sind: zu Dimitri, dem Sohn griechischer Exilanten, und zu Malgosia, ihrer lesbischen Freundin. Das Leben im "Sandberg", der heruntergekommenen Plattenbausiedlung am Rande einer westpolnischen Kleinstadt, ödet sie an: der Dreck, der Suff; ihre Mutter, die von einem Schwiegersohn aus Castrop-Rauxel träumt; die von Kirche und Konsumwahn manipulierten Nachbarsfrauen. Was geht sie das an? Wie kommt sie überhaupt hierher? Geliebt fühlt sich Dominika nur von ihren Großmüttern Halina, die im "Deutschenhaus" in der Altstadt wohnt, und Zofia, die sich 1943 das Leben nehmen wollte. Eines Tages taucht ein Historiker aus Kalifornien auf, der die Spur eines jüdischen Freundes verfolgt und wie beiläufig ins Gespinst der Lebenslügen hineinsticht, aus dem Dominika sich befreien will.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.06.2011

Richtig mitgerissen ist Lothar Müller von Joanna Bators Roman "Sandberg", und er bewundert die 1968 geborene polnische Autorin als überzeugende Erzählerin. Es handelt sich um einen Provinz- und Familienroman über drei Generationen, in dem Frauen die Hauptrolle spielen und dessen Handlungsraum sich vom "Sandberg", einer auf einer Abraumhalde errichteten Wohnsiedlung im sozialistischen Polen, bis nach Kalifornien erstreckt, erfahren wir. "Hart" erzählt Bator von gelynchten Denunzianten im nationalsozialistischen Niederschlesien, vom Antisemitismus auch nach dem Zweiten Weltkrieg, von Abtreibungsschmerzen und dem Niedergang der Bergbaugegend, die schließlich zum Einsturz des Sandbergs und seiner Wohnsiedlung führt, lässt Müller wissen. Wenn am Ende dunkle Familiengeheimnisse gelüftet werden, könnte das manchem etwas zu glatt aufgehen, wenn, ja wenn da nicht die wunderbare, dicht am Körperlichen bleibende Erzählweise wäre, wie der Rezensent schwärmt. Und auch der zeitgeschichtliche Kontext wird einem in diesem Roman nie mit erhobenem Zeigefinger vorgeführt, stellt er zufrieden fest. Die Übersetzung von Esther Kinsky schließlich findet seine ganze Zustimmung, und so ist er mit diesem Buch wunschlos glücklich.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.06.2011

Nicole Henneberg ist absolut begeistert von Joanna Bators "Sandberg". Bei eben jenem handelt es sich um einen Wohnblock, informiert die Rezensentin, errichtet in den 60er Jahren im niederschlesischen Walbrzych, ehemals Waldenburg. Protagonisten sind die zahlreichen Bewohner des Gebäudes. Deren individuelle Schicksale, Ängste und Träume fügen sich zu einem Gesamtbild, das Henneberg als repräsentativ für das Leben in der polnischen Provinz während der sozialistischen Diktatur einstuft. "Alle Fäden der polnischen Geschichte" würden hier gebündelt: die Traumata der Vergangenheit, die Repressionen der Gegenwart und der allgegenwärtige Katholizismus, staunt die Rezensentin. Herausgekommen sei ein recht düsteres Kaleidoskop extremer Emotionen, in dem übrigens die Männerwelt schlecht abschneide und allein zwei Frauen Anlass zu Optimismus geben würden. Einen vergleichbaren Einblick in die polnische Seele sucht die Rezensentin auf dem gegenwärtigen Buchmarkt vergebens.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.06.2011

Dieser Roman von Joanna Bator, der in Polen für viele bedeutende Literaturpreise nominiert war, hat auch Marta Kijowska sehr beeindruckt. Die polnische Autorin erzählt darin die Geschichte von Mutter, Tochter und Enkelin, die am Rand der schlesischen Stadt Walbrzych in den 70er Jahren in einer Plattenbausiedlung leben. Die Rezensentin zeigt sich von der Beobachtungsgabe und Detailgenauigkeit Bators sehr fasziniert, und sieht hier eigene Erfahrungen der 43-jährigen Autorin verarbeitet. Gleichzeitig aber betont Kijowska die große Kunstfertigkeit, mit der dieser Roman komponiert ist, und bewundert Stilsicherheit und raffinierte Erzählweise. Dem Buch gelingt es, die Atmosphäre der 70er Jahre plastisch einzufangen und fragt daneben eindringlich, was die Identität des Menschen ausmacht, findet die Rezensentin, für die die Plattenbausiedlung, in der viele Vertriebene und Umgesiedelte leben, "Modellcharakter" besitzt.
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