John Cheever

Die Geschichte der Wapshots

Roman
Cover: Die Geschichte der Wapshots
DuMont Verlag, Köln 2007
ISBN 9783832180072
Gebunden, 384 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Thomas Gunkel. Im Mittelpunkt des Geschehens: Vater Leander, Kapitän eines kleinen Vergnügungsdampfers, mit schriftstellerischen Neigungen und nie um eine Lebensweisheit verlegen, Mutter Sara mit ihren Anfällen von damenhafter Tüchtigkeit und die beiden Söhne Beverly und Moses, die mehr schlecht als recht die amerikanischen Abenteuer des Erfolgs und Versagens zu bestehen haben. Alles in allem eine Familie, die mit standesgemäßen Scheuklappen über ihren drohenden Verfall hinwegsieht. "Die Geschichte der Wapshots" ist das Gegenstück einer erhabenen Familienchronik. Für diesen 1957 im Original veröffentlichten Roman wurde John Cheever mit dem National Book Award ausgezeichnet.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.08.2007

Hocherfreut begrüßt Klaus Harpprecht diese Neuauflage von John Cheevers ursprünglich 1957 erschienenen Debütroman "Die Geschichte der Wapshots", scheint ihm der Autor hierzulande doch immer noch viel zu wenig beachtet. Zu Unrecht, wie diese im Milieu der amerikanischen Mittelklasse angesiedelte Familienchronik seines Erachtens einmal mehr beweist. Dabei schätzt Harpprecht nicht nur den Mut Cheevers, dem Motiv der Homosexualität in seinem Roman einen recht prominenten Platz zuzuweisen und das four-letter-word "fuck" in die hohe Literatur einzuführen, womit er einen kulturellen Sieg gegen die "puritanische Hypokrisie" Amerikas errungen habe. Er bewundert vor allem die originellen literarischen Vorzüge des Werks: die glänzenden Formulierungen, die nuancierte Sprache, den unterschiedlichen Erzähl-Perspektiven und den gleichermaßen genauen wie poetischen Blick des Autors. Außerdem den schnellen Wechsel zwischen einer in der großen Tradition der amerikanischen Epik stehenden realistisch-differenzierten Erzählweise und einen "ironischen Surrealismus, in dem alle puerilen Fantasien wuchern". Mit großem Lob bedenkt er auch die Neuübersetzung von Thomas Gunkel.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.07.2007

Angela Schader findet in John Cheevers bereits vor 50 Jahren ins Deutsche übersetzten und nun in einer Neuübertragung von Thomas Gunkel vorliegenden Familiensaga die uramerikanischen Themen von Aufstieg und Scheitern wieder, und das in einer Form, die sie mit den schrägen Variationen eines Jazzpianisten vergleicht. Cheevers erzählt in wechselnden Perspektiven vom wankelmütigen Glück der Wapshots, deren Vorfahren erfolgreiche Seefahrer und Kaufleute waren, deren Familienvorstand Leander mittlerweile einen altersschwachen Ausflugdampfer fährt, den er schließlich auch noch gegen ein Riff setzt, fasst die Rezensentin zusammen. Während die Rezensentin die Geschicke der Familienmitglieder, den schon erwähnten Leander, seine ihm einst vom Chef aufgenötigte Frau Sarah und die beiden Söhne Moses und Coverly, in ihrer Kritik eindringlich evoziert, versichert sie, dass der Roman noch viel mehr Details und Überraschungen bereithält, als sie dem Leser vorstellen kann. Insgesamt ergibt sich eine originelle Variante des "American dream", der, wenn er auch mitunter mit seinem vielstimmigen, bald bösen, bald geschwätzigen Stimmenmeer Mühe macht, durch eine spezielle Art von "Grazie" bezaubert, schwärmt Schader.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.06.2007

Rezensent Peter Körte beteuert, dass der amerikanische Autor John Cheever, der bereits vor 25 Jahren gestorben ist und hierzulande kaum beachtet wurde, die Neuentdeckung lohnt. Er bewundert den Verlag für seinen Mut zur Neuübersetzung der "Geschichte der Wapshots". Ob das Buch sich tatsächlich ins Romangenre einordnen lässt oder nicht vielmehr als Versuchsanordnung zu lesen sei, ist dem Rezensenten letztlich egal; Die Geschichte der Wapshots, ein ehemals wohlsituierter Clan aus dem fiktiven Städtchen St. Botolphs an der Ostküste, ist weder eine Verfallsgeschichte a la Buddenbrooks noch eine tragische Familiengeschichte, erklärt der Rezensent. Er stellt sie vielmehr als "Familienmosaik" dar, das sich aus den verschiedenen Geschichten der einzelnen Familienmitglieder zusammensetzt - voller Sprünge und Perspektivwechsel. Dem Autor gelingt dabei eine ideale Mischung aus ironischer Distanz und Nähe zu seinen Charakteren, lobt Körte. Allein die großartige Komposition der Sätze macht die Lektüre dieses Romans, der in den 40er und 50er Jahren spielt, für den Rezensenten lohnenswert. Nur der allwissende Erzähler geht ihm manchmal ein bisschen auf die Nerven.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.04.2007

Achtung Klassiker! ruft Kai Wiegandt dem Leser zu. Nach der Lektüre von John Cheevers neu übersetztem "Anti-Familienroman" weiß er genau, warum man den vor 25 Jahren verstorbenen Autor einen "Tschechow der Suburbs" und T. C. Boyle ihn als Lehrmeister nennt. Wiegandt selbst kennt keinen, der das neuenglische Bürgertum derart empathisch und doch so spannend und witzig zu beschreiben vermag. Dabei hat der Rezensent anfangs durchaus seine Schwierigkeiten mit der Wapshot-Saga: Bibelparodie, Abschweifungesfeste, "angestaubter Charme" und ein Erzähler, der gern mal reinredet. Doch all das fügt sich schließlich dank einem "glänzenden", Wiegandt an "Tristram Shandy" erinnernden Erzählstil mit "zum Besten" was dieser Autor zu bieten hat.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 07.04.2007

Freudig und wild entschlossen, sich von der Form dieses merkwürdigen "Flickenteppichs von Roman" nicht einschüchtern zu lassen, begrüßt Rezensent Frank Schäfer die Neuauflage dieses amerikanischen Romans aus den fünfziger Jahren. John Cheever rekonstruiert darin Schäfer zufolge die Geschichte der Familie Wapshot, und zwar aus Briefen und "autobiografischen Auslassungen" ihres "angeschlagenen Patriarchen" Leander Wapshot ebenso, wie aus anderen Erzählhaltungen. Dementsprechend episodisch, polyperspektivisch und stilistisch heterogen ist der Roman laut Rezensent dann auch ausgefallen. Die Kapitel seien oft kleine, in sich geschlossene Geschichten und Porträts. Der Rezensent ist dabei immer wieder beeindruckt von der Sprachgewalt dieses Autors, der tiefen Weltweisheit, dem Aberwitz, der Tragik und Komik, zwischen denen Cheever der Roman changieren lässt. Der Rezensent freut sich auch an der "kühnen Vorwegnahme postmoderner Libertinage" und mancher Komik, die ihm bei derart ungeschützer Schilderung von Sex zwangsläufig erscheint. Insgesamt weitet sich das Werk, dessen Autor der Rezensent neben Dos Passos und Sherwood Anderson stellt, für ihn zum "Panorama des amerikanischen Alltags im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts" - Reprisen ins 19. Jahrhundert inklusive.