Joseph Brodsky

Erinnerungen an Petersburg

Cover: Erinnerungen an Petersburg
Carl Hanser Verlag, München 2003
ISBN 9783446202900
Gebunden, 160 Seiten, 13,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Sylvia List und Marianne Frisch. Sankt Petersburg, die Stadt am Meer, wird in diesem Buch so lebendig und anschaulich gefeiert wie selten zuvor. Eine Liebeserklärung des Nobelpreisträgers Brodsky und eine Reise in die Erinnerung und in die Kindheit - geschrieben, um im Exil nicht zu verstummen. Mit Fotografien von Barbara Klemm, die Architektur, Menschen und Leben dieser großartigen Stadt dokumentieren.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.06.2003

Befremdet reagiert Heribert Kuhn auf das Cover dieses Buches, das - passend zum Petersburg-Jubiläum - neu aufgelegt wird, bei seinem ersten Erscheinen jedoch noch den Titel "Erinnerungen an Leningrad trug". Die mit Fotografien von Barbara Klemm bebilderte Neuausgabe wird nämlich mit "die helle Stadt am Meer" beworben, mokiert sich Kuhn, dabei könne von einer Feier oder Lobpreisung der Stadt bei Brodsky wohl kaum die Rede sein, und auch die angekündigte "Liebeserklärung des Nobelpreisträger" gelte ausschließlich den Eltern und nicht seiner Geburtsstadt, deren Boden er nach seiner Ausweisung nie wieder betreten hat. Bei Brodsky kommt mehr die Monotonie des Alltags zum Zuge, der grau und öde wirkt, erklärt Kuhn: Schulen, Fabriken, Gefängniszellen, Wohnzellen. Der Parzellierung und Enge der Wohnungen widmet Brodsky besondere Aufmerksamkeit, er entwickelt für Kuhn im zweiten Teil des Buches regelrecht eine "Poetik der Raumnot", mit deren Hilfe er sowohl die vorrevolutionäre Zeit im Künstlerhaus "disk" wie auch die Bedingungen seines eigenen Schreibens reflektiere. Laut Kuhn hat Brodsky seine Erinnerungen an seine Eltern und seine Heimatstadt auf Englisch verfasst, weil er ihnen wenigstens im Nachhinein die Bewegungsfreiheit englischer Verben und einen "fremden Bewusstseins-Kode" gönnen wollte. So dienen die beiden Essays mehr als Korrektiv der prächtigen Kulisse Petersburgs, das in diesen Tagen so glamourös gefeiert wird, schließt Kuhn nun doch besänftigt.