Tomas Venclova

Vor der Tür das Ende der Welt

Gedichte
Cover: Vor der Tür das Ende der Welt
Rospo Verlag, Hamburg 2000
ISBN 9783930325320
Broschiert, 104 Seiten, 19,94 EUR

Klappentext

In der Übertragung von Rolf Fieguth. Interlinearübersetzung von Claudia Sinnig-Lucas. Mit einem Essay von Joseph Brodsky. Erstmals liegen die Gedichte von Tomas Venclova in deutscher Sprache vor und machen deutlich, warum internationale Größen der Poesie wie Brodsky und Milosz sich seit Jahren für diesen litauischen Lyriker einsetzen. Venclovas Lyrik führt ein großes Gespräch mit der griechischen Mythologie, den geistigen Traditionen des Abendlandes und mit den bedeutenden Dichtern Litauens, Russlands und Europas...

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.10.2002

Betört scheint Volker Breidecker von diesem Band zu sein, der, wie er ausdrücklich bedauert, das einzige in deutscher Übersetzung verfügbare Buch des litauischen Lyrikers und Essayisten Tomas Venclova ist. Venclova rekurriere mit seiner Dichtung unter anderem auf die poetischen Traditionslinien eines Auden, Eliot, Baudelaire und Mandelstam und betreibe bewusst die "poetische Pflege" seiner Muttersprache, wie Breidecker berichtet. Die gefühlvollen, in einem faszinierenden "unsentimentalen Kammerton" gehaltenen Gedichte handeln vorrangig von "Abschiednehmen, Trennung, Scheiden" - persönliche Erfahrungen des Autors, der viele Jahre im Exil verbrachte - und werden in einem angeschlossenen Essay von Venclovas verstorbenem Freund und Kollegen Joseph Brodsky kommentiert, lässt uns ein begeisterter Rezensent Breidecker wissen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.10.2002

Als "Erinnerungsdichter", der "sich in seiner Lyrik als aus der Heimat Entfernter begreift", würdigt Thomas Kling den 1937 in Litauen geborenen, 1977 in die USA ausgewanderten Tomas Venclova. Der "ziemlich katastrophische" Titel "Vor der Tür das Ende der Welt" seines nun auf Deutsch vorliegenden Bandes erinnert Kling an die "ungute Lyrik" der siebziger Jahre. Ob der Verlag dem Dichter damit einen Dienst erwiesen hat, hält Kling für fraglich. Mit Katastrophenstimmungs-Mache nämlich hat Venclova nach Ansicht des Rezensenten nicht allzu viel zu tun. Eher mit der gemäßigten Moderne und Joseph Brodsky, den Venclova in den USA kennen lernte, so Kling. Die Zeit sei für Venclova eine wichtige Metapher, ebenso nördliche Kälte- und Vereinsamungsmetaphern sowie Meeres- und Hafenbilder. Inhaltlich geht es laut Kling um die Lebensodyssee des Dichters, die ihn in aller Herren Länder führte, und Reisegedichte, bar jeder Gemütlichkeit, zeugte. Zur Freude des Rezensenten erweist sich Venclova dabei nicht als "Bildungsprotzer" und "Baedecker-Junkie". Seinem Sprachblick zu folgen, verspricht Kling, "lohnt sich".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.04.2001

Ralph Dutlis Rezension scheint zunächst wie ein Rundum-Verriss, bevor er am Ende einräumt, dass der Band beim zweiten Lesen dann doch "größeren Gewinn" verspricht. Doch zuvor geht er ausführlich auf den beigefügten Essay Joseph Brodskys ein, der gegen den Opportunismus einiger Lyriker und gegen deren "'kalorienarme Kost' des freien Verses" wettert. Das findet Dutli reichlich merkwürdig: Nicht, dass er Brodsky widersprechen würde, doch habe der deutsche Übersetzer Brodskys Polemik geradezu sabotiert, nicht zuletzt dadurch, indem er Vernclovas Gedichte selbst in "allzu freie Verse" gebracht habe. Doch auch den Gedichten selbst scheint Dutli größtenteils nicht viel abgewinnen zu können: "Platt" findet er manche, pathetisch und auch melancholisch. Themen sind, so Dutli, vor allem Geister, Tote, Abwesende, aber auch politischer Art. Doch schließlich gibt sich der Rezensent versöhnlich mit diesem "schwermütigen Band" und kann tatsächlich Venclova darin wiedererkennen - trotz Übersetzung.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.04.2001

Auch dem Litauer Tomas Venclova blieb das Schicksal eines osteuropäischen Dichters nicht erspart, informiert Ulrich M. Schmid. 1977 verließ er vierzigjährig die Sowjetunion, emigrierte in die USA und lehrt seit 1980 an der Yale University Slawistik. Seine Gedichte hält der Rezensent denn auch "unter der Hand" für Rechenschaftberichte, entstanden aus einer ethischen Verantwortung des Autors für die geschichtlichen Katastrophen des 20. Jahrhunderts. In einer Mischung aus resignierender Schwermut und augenzwinkernder Ironie schreibe der Autor gegen die drohende Zersetzung der menschlichen Erfahrung durch die Zeit an, so Schmid. In jedem seiner Gedichte hat der Rezensent narrative Elemente entdeckt, die Venclovas Lyrik atmosphärisch sehr verdichteten und so zu philosophischen Miniaturen machten.