Juan Goytisolo

Der blinde Reiter

Roman
Cover: Der blinde Reiter
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783518417515
Gebunden, 134 Seiten, 17,80 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Thomas Brovot. Die Bilanz eines Lebens ziehen - was heißt das? Verluste verbuchen, Momente des Glücks festhalten? Juan Goytisolo geht einen anderen Weg. Er erzählt. Und erkundet die Strecke, die vor ihm liegt.
Nach dem Tod seiner Frau und Gefährtin fühlt ein Mann das Nichts auf sich einstürzen. Ihm ist, als mache er sich auf einen langen Weg mit immer leichterem Gepäck. Die Dinge, die ihnen so viel bedeuteten, vermeintliche Gewißheiten, mühsam erworbene Kenntnisse, alles stößt er ab. Wo die Erinnerungen verblassen, verblasst auch der Schmerz. Doch unter dem Ansturm von Verlust und Sinnlosigkeit erfährt er zugleich, daß erlebte Schönheit nicht im Strudel des Lebens verschwindet.
Was lässt ihm die Zeit, dieser blinde Reiter? Was erwartet ihn hinter dem letzten Vorhang, dessen Sinnbild ihm die verschneite Bergkette am Horizont ist, dort, wo die Wüste beginnt? Vom Ankommen an einer Wegkreuzung erzählt Goytisolo in seinem autobiografisch gefärbten und, wie er sagt, letzten Roman; davon, was es bedeutet, wenn die Zukunft der Erinnerung an Vergangenes weicht und der Blick dennoch nach vorne geht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.08.2006

Rezensent Kersten Knipp ist unterm Strich ein bisschen enttäuscht von diesem Alterswerk des spanischen Schriftstellers Juan Goytisolo, in dem er sich ebenso "ausführlich wie eindrucksvoll" von der Welt verabschiedet. Zum einen konzentriert sich Goytisolo Knipps Meinung nach in seiner fiktionalisierten Lebensbilanz ein bisschen zu sehr auf die negativen Seiten der Welt, doch das kann man ja noch als "persönliche Entscheidung" verstehen. Doch darüber hinaus stört sich Knipp an dem Umstand, dass Goytisolo, der eigentlich mit Einfühlungsvermögen und Akkuratesse und mit "einer ausgesprochenen Abneigung gegen gestanzte Phrasen" erzähle, hier recht plumpes Pamphlet für den Atheismus verfasst hat. Erkenntnisgewinn und Wirkung halten sich deshalb bei ihm in unerfreulich geringen Grenzen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.06.2006

Kai Wiegandt hat einen philosophischen, düsteren und unversöhnlichen Roman gelesen, den der 1931 geborene Spanier Juan Goytisolo noch dazu als seinen letzten angekündigt hat. Ausgelöst durch den Tod seiner Frau gerät ein alter Mann in eine Krise, in der sich Todesphantasien mit biografischen Bruchstücken von der Zeit des spanischen Bürgerkriegs bis in die Gegenwart kreuzen, schreibt der Rezensent. Literarische Vorbilder für das Nachtstück über die Unmöglichkeit menschlichen Zusammenlebens findet Wiegandt ebenso in Tolstois "Kreuzersonate" wie in "Macbeth" oder bei Dante. Der titelgebende blinde Reiter stehe als Metapher für die Zeit, die es eben bis zum Finale zu durchstehen gelte, metaphysischer Trost sei, gehe es nach dem Autor, nicht zu erwarten. Die radikale Auseinandersetzung hat den Rezensenten tief beeindruckt. Das Buch erscheint ihm wie ein "schwarzer Meteorit, totes, schillerndes Gestein, das die Erde verwunden will und folgenlos und schön auf einem Feld niedergeht".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.06.2006

Zunächst reiht der Hispanist Walter Haubrich den jüngsten Roman souverän ein in die Werkgeschichte Goytisolos, der längst ein Klassiker der spanischen Literatur ist. Das neue Buch, im Original 2003 erschienen, schließt an an die eher experimentellen Werke des Autors. Es sucht nicht die geschlossene Form, sondern bietet Erinnerungen in Fragmenten. Es geht um einen alten Mann, dessen Frau gestorben ist. Mit ihr hat er, so stellt es sich dar, alles verloren. Was bleibt, sind die Vergangenheit und die Leere der Gegenwart. Fraglos ist das, so Haubrich, autobiografisch, Goytisolo setzte sich aber zum eigenen Erleben durch die Verwendung der dritten Person in Distanz. Er lasse seinen Helden mit einem Gott rechten, an den der gar nicht glaubt. Er nehme ihm alle Hoffnung, ohne ihn aber der Verzweiflung ganz zu überlassen. Obwohl der Autor kein explizites Lob ausspricht, scheint er doch beeindruckt. Die Übersetzung durch Thomas Brovot gefällt ihm dagegen ganz ausdrücklich gut.
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