Jule Govrin

Begehrenswert

Erotisches Kapital und Authentizität als Ware
Cover: Begehrenswert
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2023
ISBN 9783751805346
Kartoniert, 191 Seiten, 16,00 EUR

Klappentext

Begehren und Wert erscheinen auf den ersten Blick als Gegensätze. Während Ersteres auf das Persönliche und Intime abzielt, beschreibt Letzteres die abstrakte Beurteilung. Doch der Gegensatz wird brüchig, sobald wir im Begehren das beständige Auf- und Abwerten anderer entdecken, und im Wert das unablässige, affektgeladene Spiel der Bewertungen. Jule Govrins Essay "Begehrenswert" fragt danach, wie Begehren die wirtschaftlichen Wertordnungen durchdringt und sich ökonomische Bewertungsmuster feinstofflich in soziale Beziehungen und Selbstwahrnehmungen einschreiben - in Semantiken des Selbstwerts, auf der Suche nach Alleinstellungsmerkmalen und unique selling points, um sich von anderen abzuheben. Der Streifzug durch die Gegenwart geht mit Abstechern in die Kapitalismus- und Sexualitätsgeschichte einher, um aufzuzeigen, wie sich Begehren an Waren, Menschen und Werte bindet. Im Dreieck von Wert, Begehren und Authentizität ergründet "Begehrenswert" die Matrix unserer Gegenwart - und weist zugleich im alle verbindenden Begehren nach anders gelagerten, solidarischen Beziehungsweisen den Fluchtpunkt einer emanzipatorischen Perspektive auf. 

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.11.2023

Über weite Strecken interessiert liest Rezensentin Marianna Lieder Jule Govrins Studie über die Ökonomisierung des Begehrens. Deren Grundthese ist laut Lieder, dass der Kapitalismus auch Intimität und Begehren in Waren verwandelt hat. Ganz neu ist diese Idee nicht, so die Rezensentin, die allerdings anmerkt, dass Govrin sich, im Gegensatz etwa zu Eva Illouz, eher auf Michel Foucault und seine Diskursanalyse beruft als auf die Frankfurter Schule, was sich unter anderem in interessanten Gedanken zur Beicht- und Geständnisseligkeit der Gegenwartskultur niederschlägt: wir sehen uns ständig dazu gezwungen, über uns selbst zu reden, um die beste - das heißt paradoxerweise: die authentischste - Version unseres Selbst zu werden. Nicht nachvollziehen kann Lieder hingegen Govrins pauschale Kapitalismuskritik. Dass dessen Abschaffung in unser aller Glück resultieren würde, nimmt die Rezensentin der Autorin nicht ab.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.11.2023

Lesenswert, aber nicht unbedingt Hoffnung machend: So Julia Werthmanns Urteil über Jule Govrins Buch über die Ökonomie des Begehrens. Die durch Beobachtung sozialer Medien wie Instagram plausibilisierte Idee, dass Attraktivität analog zu Geld als Kapital beschrieben werden kann, schließt lauf Govrin an Marx und Baudrillard an. Der eigene Körper muss zwecks Wertsteigerung optimiert werden, zeichnet die Rezensentin das Argument nach, auf Tinder wird dieser Wert bereits quantifiziert, außerdem perpetuiert er soziale Ungleichheiten zum Beispiel hinsichtlich des Geschlechts. Zudem variiert er über die historische Zeit, was Werthmann freilich noch nicht erklärt, ob das Begehren nur verdammt werden muss oder auch errettet werden kann. Govrins eigener Vorschlag, Begehren als Ausdruck von Sorge zu fassen, überzeugt die Rezensentin in dieser Hinsicht nicht ganz: Schließlich hat Sorge mit Verantwortung auch für das zu tun, nach dem einem gerade nicht verlangt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.10.2023

Rezensentin Aurelie von Blazekovic lässt sich von Jule Govrin über den Begriff "Erotisches Kapital" aufklären. Damit beschreibt die Autorin, lernen wir, die Vorteile, die einem ein attraktives Äußeres in der modernen Gesellschaft der Gegenwart verschafft. Die Autorin vertritt die These, heißt es weiter, dass der Themenkomplex Liebe, wie viele andere Bereiche des Sozialen, mit ökonomischen Begrifflichkeiten beschreibbar ist, sodass zum Beispiel sexuelle Reproduktion als Arbeit und Monogamie als Güterverknappung gefasst werden kann. Daraus folgt, fasst Blazekovic die Argumentation zusammen, dass Attraktivität im diversen sozialen Situationen strategisch eingesetzt wird. Ähnlich verhält es sich laut Govrin, führt Blazekovic aus, mit Authentizität, die inzwischen auch oftmals paradoxerweise als etwas Erlern- und deshalb Ausbeutbares dargestellt wird. Abschließend merkt die Rezensentin an, dass die Autorin ein wenig die Tatsache vernachlässigt, dass Attraktivität nicht überall in der Gesellschaft mithilfe derselben Kriterien bewertet wird.
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