Julia Kissina

Elephantinas Moskauer Jahre

Roman
Cover: Elephantinas Moskauer Jahre
Suhrkamp Verlag, Berlin 2016
ISBN 9783518425329
Gebunden, 240 Seiten, 22,95 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Ingolf Hoppmann und Olga Kouvchinnikova. Wie eine junge Frau aus Kiew loszog, in Moskau ihr Glück zu suchen. Von Sehnsucht nach dem freien Künstlerdasein gepackt, folgt die junge Elephantina ihrem Idol in die Katakomben Moskaus. Der rotgesichtige Dichterguru Pomidor, ein Mann in den besten Jahren, prominenter Kopf der Avantgarde, hat sie die 'neue Achmatowa' genannt. Vergessen das provinzielle Kiew, die öde Kunstschule. Durch Bahnhöfe, Theatergarderoben und Museen von einer Schlafstatt zur nächsten irrend, findet die nonnenhaft gekleidete Nomadin eine Wohnung, die sie schon bald in eine Künstlerkolonie verwandelt. Dichterabende in überfüllten Studentenklubs mit Spitzeln in den hinteren Reihen, verbotene Kunstaktionen in Moskau und Umgebung, die Begegnung mit Allen Ginsberg, eine Vorladung beim KGB - doch all das ist nur die Kulisse, vor der Elephantina sich nach Pomidor verzehrt. Eine éducation sentimentale in kräftigen Farben, episodenreich und voller Temperament und Gelächter.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.09.2016

Andreas Breitenstein ist hellauf begeistert von Julia Kissinas neuem Roman, dem zweiten Teil ihrer Trilogie über die späte Sowjetzeit. Derart gelacht und gefiebert hat Breitenstein lange nicht über spätsowjetische Zustände, bei denen es immer um die kleine Transzendenz und ein utopisch-romantisches Selbstverständnis geht, wie der Rezensent schnell begreift. Tyrannei und Subversion, Komödie und Tragödie, Farce und Litanei und alle anderen Klischees kommen vor und werden von der Erzählerin, einem laut Breitenstein von Kunstreligion und Moderne beseelten Teenager, gerne bestätigt. Wie die Neoavantgarde der Achtziger mit Musendienst und Manifesten ablief, erfährt der Rezensent von Kissina "durch die rosarote Brille". Bloß gut, meint Breitenstein, dass die Autorin all das Übersteuerte der Handlung mit weltgeschichtlichen Ereignissen, mit ihrer Herzenswärme und mit formaler und sprachlicher Meisterschaft erdet.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.07.2016

Rezensent Alexander Cammann bettet seine Besprechung in ein Porträt der Autorin Julia Kissina ein, die in einer vornehmen Schöneberger Wohnung residiert und mit charmantem russischen Akzent Deutsch spricht. Seit den Neunzigern lebt sie als eine der vielen russischen Jüdinnen in Deutschland. Der vorliegende Roman sei der zweite Teil einer geplanten Trilogie. Der erste Teil hieß "Frühling auf dem Mond" und spielt in den Siebzigern in Kissinas Herkunftsstadt Kiew. Nun also die Künstler- und Literatenboheme im spätsowjetischen Moskau der achtziger Jahre, einer Zeit des fröhlichen und bösen Chaos und zugleich der Ermattung. Cammann freut sich daran, wie Kissina den "abgründigen Witz" großer Vorläufer wie Bulgakow und Charms wiederbelebe und das Moskauer der Achtziger vor der Folie des Moskaus der Zwanziger sehe. Aber er empfiehlt den Roman auch wegen seiner absoluten Nostalgiefreiheit.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 23.07.2016

Stefanie Peter lobt Julia Kissinas Sinn für Tragikomik. Doch die Rezensentin fragt sich angesichts der vielen skurrilen Geschichten aus dem Moskauer Künstlermilieu der Sowjetzeit auch, ob es damals wohl wirklich so lustig zuging wie im Roman beschrieben. Die in Kiew geborene und heute in Berlin lebende Autorin sei zwar eine "Meisterin" der Metapher und der Pointen, doch bei so viel sprühendem und sättigendem Humor bekommt die Kritikerin doch irgendwann das Gefühl, sie habe "das entscheidende Stück Torte Napoleon zu viel gegessen". Die ernsteren, bisweilen gar herzergreifenden Momente haben die Kritikerin allerdings tief beeindruckt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.07.2016

Lieber Weltruhm als Kinder, lässt die Schriftstellerin und Künstlerin Julia Kissina ihre zwischen Tizian-Madonnen und Jane Birkin oszillierende irrsinnige Heldin in "Elephantinas Moskauer Jahre" einmal sagen und kurze Zeit später die Gebärmutter als "Vase mit Ohren" verspotten, erklärt Meike Fessmann. Die junge Kunst- und Poesiebegeisterte lebt zu Zeiten der zerfallenden Sowjetunion in Moskau, tollt voll überbordendem Elan durch die Kulturszene der Stadt und ist in Zen-Buddhismus ebenso firm wie in der russischen Literatur, fährt die Rezensentin fort. Politiker, Literaten und Lady Gaga treten auf, aber das virtuos übersetzte Buch lebt vor allem von der eigenwilligen, großartigen Erzählerin Elephantina, lobt Fessmann, die hier eine Wiedergängerin Achmatowas - nur ohne die "Hyänen der Verzweiflung" kennenlernt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.06.2016

Voll des Lobes ist Rezensentin Katharina Granzin für Julia Kissinas Roman "Elephantinas Moskauer Jahre" über das Moskau der achtziger Jahre und seine Künstlerszene. Die junge Künstlerin Elephantina flieht aus der Provinz nach Moskau, wo sie ihre Zeit mit Studieren, Lieben und Dichten verbringt, wie wir von Granzin erfahren. Zwischen den bilderreichen Beschreibungen dieser bunten und heiter erscheinenden Welt schimmert jedoch immer wieder auch die "existenzielle Verzweiflung" durch, was die Kritikerin bewundert und dazu veranlasst, die Autorin nicht nur eine "erzählende Dichterin", sondern auch eine "Künstlerin" zu nennen. Auch die Übersetzung aus dem Russischen hält Granzin für gelungen. Die beiden Übersetzer übertragen ihr zufolge Kissinas "poetisch vor sich hin sprudelndes Werk" in ein "wunderbar sprachverspieltes Deutsch".