Karin Wieland

Die Geliebte des Duce

Das Leben der Margherita Sarfatti und die Erfindung des Faschismus
Cover: Die Geliebte des Duce
Carl Hanser Verlag, München 2004
ISBN 9783446204843
Gebunden, 376 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Sie machte aus Mussolini den Duce und verlieh dem Faschismus ästhetischen Glanz: Margherita Sarfatti. Die wohlhabende Jüdin verliebte sich in den jungen Mussolini und wurde seine geheime Geliebte. Erst ihrem Einfluss verdankte er seine Verwandlung in den charismatischen Duce. Das dramatische Leben einer fast vergessenen Frau.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.05.2005

Mussolini hatte viele Frauen, aber keine soll ihn so geprägt haben wie Margherita Sarfatti, die seine politischen Anfänge begleitete und sein Image entscheidend gestalten half. Margherita Sarfatti war aber nicht nur, darauf weist Hans Woller hin, eine Geliebte des Duce, sondern auch eine der einflussreichsten Frauen in der italienischen Kunstszene jener Zeit. Dem Rezensenten missfällt aus diesem Grund auch die thematische Einengung der Sarfatti-Biografie auf ihre Beziehung zu Mussolini, schließlich hatte sie als Kunstbeauftragte des Regimes den Futurismus und die Stilrichtung des Novecento propagiert. Für Woller wäre es interessanter gewesen, Sarfattis Weg als emanzipierte Jüdin in der italienischen Gesellschaft etwas allgemeiner zu verfolgen, in einem immer antisemitischer werdenden Land, das sie schließlich in die Emigration zwang. Nach dem Krieg wiederum war sie Opfer und Protagonistin des Regimes zugleich: auch das eine interessante Rolle, deren Ausleuchtung dem Buch nach Woller zuträglich gewesen wäre. Lobend äußert er sich hingegen über Wielands Städteporträts von Mailand und Venedig, ihre Auslassungen zur bürgerlichen Salonkultur und der Kunstszene. Wo es hingegen in die Niederungen der Realgeschichte geht, stellt Woller fest, häuften sich die Fehler oder zumindest Verkürzungen. Er vermutet, dass Wieland teilweise sogar der Propaganda des faschistischen Regimes auf den Leim gegangen ist - ein bitterer Vorwurf.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.05.2004

Alexander Kluy lobt, der Ideenhistorikerin Karin Wieland sei mit diesem Buch über Margherita Sarfatti "eine erhellende Studie" gelungen über das Verhältnis von, wie der Rezensent dann aufzählt, "Avantgarde und Totalitarismus, Radikalität und Entwurzelung, von Aufbruch und Fortschrittsglaube wie von Zerstörung und absolutem Willen zur Destruktion, von Kunst und Politik, von Lenkung, Befreiung und Entmündigung". Kluy lobt außerdem, dass die Autorin die "ebenso faszinierende wie abstoßende" Lebensgeschichte der wohlhabenden Sammlerin, Kunstschriftstellerin und langjährigen Geliebten und Förderin von Mussolini "mit Verve und Einfühlung" schildere. Zu bemängeln hat Kluy nur, dass Wieland seines Erachtens nach der Selbstdarstellung Sarfattis ein wenig auf den Leim gegangen zu sein scheint, wenn das Buch die letzten 23 Lebensjahre der Sarfatti, nach ihrer Emigration nach Argentinien 1938, nur noch als kurz und unwichtig abhandele - statt zum Beispiel zu fragen, was aus den von ihr "angeschobenen Karrieren" dann im demokratischen Italien geworden sei.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.04.2004

Caroline Wieland ist enttäuscht: Karin Wieland sei es nicht gelungen, ein überzeugendes Bild der Margherita Sarfatti zu zeichnen, der jüdischen Geliebten von Benito Mussolini. Die Rezensentin hat eine "Folge von Zeitgemälden" gefunden, die atmosphärisch durchaus dicht Sarfattis Annäherung an den Duce und der gesamtgesellschaftlichen Hinwendung von Sozialisten, Intellektuellen und Künstlern zum Faschismus Mussolinis schildern, doch hat sie vieles vermisst, was den Behauptungen und Thesen zum Leben Sarfattis - die Frau hinter Mussolinis Entscheidungen, die "Kommunikationskünstlerin" der faschistischen Ideologie - Nachvollziehbarkeit verleihen könnte. "Die wiederkehrenden, verdichtenden Kurzporträts geben der 'Geliebten des Duce' kein Profil", schreibt sie und hat am Ende zwar etwas über ein außergewöhnliches Frauenleben erfahren - doch leider nicht aus einem ähnlich außergewöhnlichen Buch.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.03.2004

"La Belle et la Bete." Schön war sie sicher, die Geliebte des Duce, und er ein Biest. Doch, und da lässt Karin Wielands Biografie für die Rezensentin Franziska Sperr keinen Zweifel offen, ein Biest war Margherita Sarfatti auch. Ausführlich trete bei Wieland zutage, wie das sozialistische und anarchistische Umfeld der Jüdin Sarfatti, und nicht zuletzt sie selbst, sich einer Art Rausch hingegeben hat, aus der dann der italienische Faschismus wurde - und die kultivierten Linksextremen zu Faschisten. Interessant findet die Rezensentin Wielands Schilderung von der Begegnung mit dem "scheuen, gehemmten Lehrer und Journalisten" Mussolini, damals ebenfalls Sozialist. Die Sarfatti, mit dem Scharfsinn, der sie niemals verlassen sollte, habe in seinem Blick gesehen, "dass er eine Vision verfolgte und nicht die Erkenntnis suchte". Offenbar, so die Rezensentin, war es "das Gewalttätige und Irrationale", das sie an Mussolini unwiderstehlich fand. Mit der Geschichte der Sarfatti, lobt die Rezensentin, liefert die Autorin "ein spannendes Stück Zeitgeschichte, das wieder einmal deutlich macht, dass unsere nachträglichen Ein- und Zuordnungen den konkreten Lebensverhältnissen nicht gerecht werden". Besonders verdienstvoll findet sie darüber hinaus, dass Wieland - gerade in Deutschland - den Blick für "die Besonderheiten des italienischen Faschismus" schärft. Schade nur, so Sperr, dass die "sozialen und politischen Bedingungen", unter denen sich der Faschismus zur "Massenbewegung" entwickeln konnte, "zu kurz kommen".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.02.2004

Glücklich gewählt, lobt Lorenz Jäger zunächst, habe Karin Wieland ihren Gegenstand: die Geschichte der Margherita Sarfatti (1880-1961), einer "hochgebildeten Italienerin jüdischer Herkunft", die mit dem "militanten jungen Sozialisten" Benito Mussolini eine Liaison einging und "ihm später auf seinem Weg in den Faschismus folgte", sei ein Stoff, "wie er faszinierender nicht gedacht werden" könne - und der zudem erlaube, die "Formen des Romans", der "zeitgeschichtlichen Abhandlung" und der "kulturwissenschaftlichen Analyse" zu mischen. In diesem Buch falle außerdem, lobt der Rezensent weiter, "entscheidendes Licht" auf die "kulturellen Voraussetzungen des Faschismus", die "von denen des Nationalsozialismus völlig verschieden waren". Den Rest seiner Besprechung benutzt Jäger dann jedoch zu einer sehr grundsätzlichen Abrechnung. Den Umstand, dass Wielands Buch einen "unebenen, an vielen Stellen nicht völlig durchdachten Eindruck" mache, führt Jäger darauf zurück, dass die Autorin, wie "nicht wenige" Historiker des Faschismus und des Nationalsozialismus, "der schlichten Einsicht auszuweichen" versuche, dass "der "Erfolg der faschistischen Bewegung nur zu erklären ist, wenn man die vitale Bedrohung der europäischen Eliten nach der Oktoberrevolution mit in Anschlag bringt." Jäger kritisiert, "diese Kausalität" - für die er dann Trotzki statt Ernst Nolte zitiert - gelte "heute als ein Geheimwissen, auf das man sich besser nicht beruft."
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