Karl-Heinz Ott

Verfluchte Neuzeit

Eine Geschichte des reaktionären Denkens
Cover: Verfluchte Neuzeit
Carl Hanser Verlag, München 2022
ISBN 9783446270978
Gebunden, 432 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Misstrauen in die Demokratie, Radikalisierung, autoritäre Staatsmodelle - Karl-Heinz Ott fragt: Hat die Aufklärung ihren Zweck verfehlt? Querdenker stürmen den Reichstag. Ein Schamane triumphiert im Kapitol. Noch vor wenigen Jahren schienen Bilder wie diese unvorstellbar. Doch die Rebellion gegen die Aufklärung hat eine lange Geschichte. Und sie findet keineswegs nur auf der Straße statt. Ihre Glaubenslehren behaupten, nicht der Mensch selbst, sondern höhere Mächte bestimmten sein Schicksal. Auch der westliche Individualismus sei eine Irrlehre, verantwortlich für alles Unheil in der Welt. Karl-Heinz Ott legt in seinem Essay die geistigen Fundamente dieser Bewegungen frei. Er zeigt: Die Antimoderne ist so alt wie die Moderne. Die Vernunft kann nur die Oberhand behalten, wenn sie ihre Gegner kennt.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 30.05.2022

Rezensent Helmut Böttiger erfährt bei Karl-Heinz Ott Wissenswertes über den neuen Stolz der Reaktion. Dass Ott sich angenehm unakademisch einem Denker wie Leo Strauss widmet und den Einfluss seiner Schule auf Bush, Trump, aber auch Chinas Regierung erläutert, scheint Böttiger erhellend. Sympathisch findet er Ott nicht zuletzt deshalb, weil der Autor sich den Defiziten der Moderne widmet, ohne in reaktionäre Denkmuster zu verfallen. Brüder im Geiste findet er laut Böttiger zum Beispiel unter Dichtern, bei Baudelaire und bei Chateaubriand, mit dem Ott sein "leichthändiges, tiefgründiges" Buch enden lässt, so Böttiger.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.04.2022

Rezensent und Politikwissenschaftler Claus Leggewie findet höchst interessant und dringend, was Karl-Heinz Ott in seinem neuen Buch tut: nämlich der reaktionären Modernekritik großer Denker auf den Zahn fühlen, die oft rechte Ansichten beinhalteten, und dabei herauszustellen, wie auch heute noch Antiliberalismus und Rechtsradikalismus zusammenhängen. Angeführt werden dabei etwa Carl Schmitt und Martin Heidegger, aber auch, weniger offensichtlich, Eric Voegelin und Leo Strauss, der sich in seinem Konservatismus und Bestreben einer "Restauration" des Vaterlandes auf Platon stützte, wie Leggewie resümiert. Besonders interessant findet er auch, wie Ott nach Spuren dieser Denker und ihrer Ansichten bei heutigen "Neo- und Theokonservativen" in den USA oder in China suche. Einige Intellektuelle, die sich gut anführen ließen, vermisst der Kritiker zwar, wie etwa Eric Zemmour oder Julius Evola. Insgesamt lobt er aber Otts Ideengeschichte, die nicht in "bierernstes Kampfgeschrei" verfalle, sondern "kühle Gegnerbeobachtung" betreibe, ohne die Denker zu dämonisieren.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.04.2022

Rezensentin Claudia Mäder rät dazu, den eigenen Verstand zu gebrauchen bei der Lektüre von Karl-Heinz Otts "Geschichte des reaktionären Denkens". Nur so wird den Leser das Fehlen jeglicher Systematik im Buch nicht allzu sehr ärgern, meint Mäder, und Otts durchaus kluge und umfasssende Gedanken zur Abarbeitung reaktionärer Denker an Luther und Descartes und zum reaktionären Denken im 20. Jahrhundert (bei Carl Schmitt, Leo Strauss, Houellebecq u.a.) wird zur lehrreichen Lektüre. Eine Genese der das reaktionäre Denken prägenden Modernekritik darf der Leser vom Autor indes ebensowenig erwarten wie genaue Definitionen und Trennlinien, etwa zwischen Reaktionären und Konservativen, so Mäder. Trotz solcher Ungenauigkeiten bietet der Band laut Rezensentin immer wieder spannende Passagen, etwa wenn Ott über den "Ursprungsfetisch" der Reaktion schreibt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 05.04.2022

Nur wenig kann Rezensent Malte Osterloh dem Essayband Karl-Heinz Otts abgewinnen. Darin versammele der Autor kleinere Essays in denen er "nicht unelegant" Reaktionäre und deren Kontrahenten in der Geschichte gegenüberstellt und zwischen "Personen, Werken und Jahrhunderten hin- und herspringt", resümiert der Rezensent. Dabei fokussiert der Autor sich auf die USA und schweigt gegenüber Russland, bedauert Osterloh. Auch klare Definitionen der titelgebenden Begriffe sucht der Rezensent vergebens; und dass der Autor toten Denkern Stellungen zu aktuellen Debatten in den Mund legt, hält er für "absurd". Symptomatisch für die Zeit, scheint dem Rezensent, dass Ott sich bei der Bewertung von Werken von charakterlichen Zügen der Autoren leiten lässt. Und auch am Lektorat lässt Osterloh kein gutes Haar, es hätte "ständige Wortwiederholungen", "schräge Metaphern" und fehlerhafte Transkriptionen sowie Übersetzungen übersehen. Dafür sei der Autor "ein belesener Mann", wovon "Leser immer profitieren", lenkt Osterloh ein.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.03.2022

Rezensent Gustav Seibt hält Karl-Heinz Otts Geschichte des reaktionären Denkens für allzu unsystematisch und episodisch. Als Sammlung von Schlaglichtern auf "Fundamentalisten", Antisemiten, Demokratieverächtern, radikalen Christen und allerhand "Neuzeitgegnern" des 20. Jahrhunderts wartet das Buch laut Seibt aber immerhin mit jeder Menge spannender Zitate auf. Und wenn Ott sich den literaturhistorischen Hintergründen von Houellebecqs Roman "Unterwerfung", Victor Hugos "Notre-Dame de Paris" oder Cervantes' "Don Quichote" annähert, kommen die Leser laut Seibt durchaus auf ihre Kosten. Sympathisch findet er Karl Löwith, den Ott im Buch als kluge "Gegenfigur" installiert.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.03.2022

Rezensent Simon Strauß rät, die ersten 80 Seiten in Karl-Heinz Otts Ideegeschichte des Reaktionismus zu überschlagen. Wie der Autor sich da "überheblich" im Gestus herausnimmt, die Welt ganz selbstverständlich in Gut und Böse einzuteilen, wobei das Böse etwa in Ungarn und Polen, das Gute natürlich im Westen hockt, wie er Leo Strauss, Eric Voegelin und Carl Schmitt in einen Topf wirft - all das lässt den Rezensenten verärgert die Stirn runzeln. Zum Glück sind die Pauschalurteile zum Thema damit laut Strauß auch weitgehend abgehakt, und Ott widmet sich "ernsthaft" und kundig der intellektuellen Gegenaufklärung, allen voran bei Schmitt, aber auch bei Schriftstellern wie Saul Bellow oder Michel Houellebecq, schließlich bei Michel Foucault, den Heidegger-Bewunderer, den er gnadenlos abkanzelt, wie Strauß feststellt. Bei Walter Benjamin liegt er allerdings daneben, meint Strauß, der Benjamin als Liberalen kennt. Französische "Urreaktionäre" wie Joseph de Maistre kommen dem Rezensenten im Buch zu kurz.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 12.03.2022

Rezensent Jan Küveler vergleicht seine Leseerfahrung mit einer Alpenwanderung in Sneakern: Immer wieder zweifelt man daran, dass man das richtige Schuhwerk für diese Unternehmung trägt, und dann freut man sich doch über alles, was einem diese Wanderung bietet - an stilistischer Unbeschwertheit und "geistesgeschichtlichem Ausblick" zum Beispiel. Das Schuhwerk in diesem Gleichnis sind Otts kurze, fast lapidar formulierte Essays, so voll gestopft mit großen Namen der Philosophiegeschichte, dass einem die Ohren schlackern, und in einer Anordnung, die teilweise in ihrer Arbitrarität ermüdend ist. Wobei die Realität, bedenkt der Rezensent, nicht weniger arbiträr und ermüdend ist. Es gehört natürlich Mut zu so einem Gipfelsturm, so Küveler, vielleicht sogar ein gewisser erfrischender Leichtsinn, der sich bei Ott zum Beispiel in den teils allzu geraden Verbindungslinien von Platon bis zu Berlusconi äußert. Andererseits, räumt der Rezensent ein: irgendeine Grobheit muss man sich doch leisten, um Ordnung in jene große Geschichte zu bringen, die Ott hier erzählt: "Eine Geschichte des reaktionären Denkens", sei dies. Karl-Heins Otts "Verfluchte Neuzeit" ist eine Art sie zu erzählen, so der abwägende Rezensent.