Landolf Scherzer

Die Fremden

Unerwünschte Begegnungen und verbotene Protokolle
Cover: Die Fremden
Aufbau Verlag, Berlin 2002
ISBN 9783351025434
Gebunden, 236 Seiten, 15,00 EUR

Klappentext

Mit einem Nachwort von Günter Wallraff. Sie kamen im Februar ohne Jacken in Leipzig an, weil man ihnen nicht erklärt hatte, wie man sich im Winter in Mitteleuropa anziehen muss. Sie erwarteten eine Ausbildung und wussten nicht, daß sie nur die Schulden ihres Landes am Fließband abarbeiten sollten. Man hatte ihnen von Solidarität erzählt, aber sie begegneten einer Kälte, die schlimmer war als die des Winters - Mozambiquaner in der DDR. Landolf Scherzer, der selbst in Mozambique gearbeitet hatte, wollte 1982 wissen, wie diese fremden Arbeiter in der "neuen Heimat" behandelt wurden, wie die Hiesigen über sie dachten. Nun, zwanzig Jahre später, als das Gespenst der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland umgeht, nimmt er die Spuren der wenigen hiergebliebenen Mozambiquaner auf, und aus ihren Erzählungen entsteht ein Bild vom Fremdsein in Deutschland damals und heute.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.01.2003

15.000 Mozambikaner holte die DDR Anfang der achtziger Jahre nach Ostdeutschland, davon landeten 2000 in der thüringischen Bezirkshauptstadt Suhl. Der Autor wollte wissen, fasst Siggi Seuss zusammen, was aus ihnen geworden ist. Er hatte, wie Seuss erläutert, bereits in den achtziger Jahren Kontakt zu ihnen, als er ein Buch über Mozambik schrieb, das in Teilen Opfer der DDR-Zensur wurde. Denn die Fremdarbeiter wurden nicht etwa ins Land geholt, um ihnen in Deutschland eine gute Ausbildung als Facharbeiter angedeihen zu lassen, sondern damit Mozambik seine Schulden abarbeiten konnte, stellt Seuss richtig. Wo damals in Suhl die Arbeiterwohnheime standen, habe der Autor heute eine Brachlandschaft entdeckt. Scherzer suchte und fand teilweise dennoch seine Gesprächspartner von damals wieder - Deutsche wie Mozambikaner. Die Gesprächsprotokolle kommen dem Rezensenten ebenfalls wie eine Brachlandschaft vor: Banales steht neben Gewichtigem, manches sei zu ausschweifend erzählt, kritisiert er und betont, er sei zugleich immer wieder auf unerwartet Interessantes gestoßen. Fazit: Der Leser sollte Geduld mitbringen und wird für diese honoriert.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.12.2002

Im Jahr 1982 verfasste Landolf Scherzer eine Reihe von Reportagen über Vertragsarbeiter aus Mosambik in der DDR, die, offiziell als Freunde tituliert, im Alltag weitgehend isoliert lebten und oft angefeindet wurden, berichtet der "hau." zeichnende Rezensent eingangs über Scherzers Buch "Die Fremden". Scherzers Reportagen, so der Rezensent, passten freilich nicht zu den Propagandaklischees des SED-Regimes und blieben unveröffentlicht. Zwanzig Jahre später sprach Scherzer mit den wenigen Mosambikanern, die nach dem Ende der DDR und der folgenden Ausländer-Entlassungswelle an ihrem alten Arbeitsort geblieben waren, und kontrastiert nun diese Interviews mit den Tonbandprotokollen von 1982, hält der Rezensent fest. Dabei meide Scherzer zwar die Polemik, verzichte aber nicht auf eine Wertung. Entstanden ist ein Band, der nach Ansicht des Rezensenten nicht nur vom latenten und offenen Rassismus in der DDR und der BRD zeugt, sondern auch das Unverständnis und die Verantwortungsscheu kommunaler Verwaltungen dokumentiert.