Lidia Jorge

Milene

Roman
Cover: Milene
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005
ISBN 9783518416839
Gebunden, 543 Seiten, 24,80 EUR

Klappentext

Aus dem Portugiesischen von Karin von Schweder-Schreiner. Von ihren großspurigen Verwandten wird Milene, die als Waise bei ihrer Großmutter aufgewachsen ist, als kindisch zurückgeblieben abgetan, und als sie nach dem Verschwinden und unwürdigen Tod der Großmutter nicht zurückfindet in ihre Welt, flüchtet sie sich zu der dunkelhäutigen und vielköpfigen Einwandererfamilie von den Kapverden, auf die sie bei der Suche nach ihrer Großmutter gestoßen war. Die Fremden nehmen Milene verwundert und liebevoll auf in ihre Welt. Als sie eine Liebesbeziehung mit Antonino, einem Sohn der schwarzen Matriarchin, eingeht und von einer Heirat nicht abzuhalten ist, zeigt sich Milenes bürgerliche Verwandtschaft in aller kalten Durchsetzungsfähigkeit. Aber es ist, als prallten die Pläne, in denen Milene nichts als ein Entsorgungsfall ist, an ihrer Unbekümmertheit, an ihrer so berührenden Direktheit ab.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.03.2006

Großen Eindruck hat Lidia Jorges? Roman "Milene" auf Florian Borchmeyer gemacht. Im Mittelpunkt des Romans sieht er das Schicksal der als Kind traumatisierten und als geistig minderbemittelt abgestempelten Milene, die ziel- und berufslos durchs Leben wandelt und nach dem Tod ihrer fürsorglichen Großmutter mit einem Mal der Geldgier, den politischen Klüngeln und Eitelkeiten der Erbengemeinschaft ausgesetzt ist. Dass es der portugiesischen Schriftstellerin gelingt, beim Leser durch die "unaufgeregte Langsamkeit des Erzählens" einen Schwindel zu erregen, führt er nicht nur auf die Abgründe der von ihr porträtierten portugiesischen Gesellschaft zurück, sondern auch auf eine Sprache, "die stetig unter den Händen der Autorin zu entfliehen droht". Ein Kampf um das Wort, der sich für Borchmeyer in der "sprechlosen Einsamkeit" der Romanheldin widerspiegelt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.01.2006

Ein Juwel ist dieser Roman von Lidia Jorge, schreibt Uwe Stolzmann. Portugal im gesellschaftlichen Wandel wird geschildert, eine junge Frau zwischen den sozialen Fronten, zwischen altem Konservenfabrikgroßbürgertum und Einwanderern aus Afrika. Jorge erweist sich dabei als "herausragende Erzählerin", wie Stolzmann befindet, und der Rezensent legt nach: ein "vielschichtiges Werk" sei "Milene", geschrieben "mit psychologischem Feingefühl". Erkundet werden mit den Mitteln solcher Meisterschaft "die Rätsel von Herkunft und Identität". Besonders beeindruckt zeigt Stolzmann sich davon, wie Jorge es schafft, zugleich einen naturalistischen Anschein aufrecht zu erhalten und dabei in jedem Detail höchst symbolisch zu verfahren. Das, so der Schluss des Rezensenten, ist darauf zurückzuführen, dass die Autorin die Kunst beherrscht, "Sprache zu veredeln und komplexe Universen zu schaffen".