Luc Bondy

Am Fenster

Roman
Cover: Am Fenster
Zsolnay Verlag, Wien 2009
ISBN 9783552054721
Gebunden, 159 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Nach einem Sanatoriumsaufenthalt ist Donatey in seine Zürcher Wohnung zurückgekehrt. Es quält ihn nicht nur die Stange im Rückgrat, die seine Wirbelsäule stabilisieren soll, sondern auch die Befürchtung, von Seraphine, seiner jüngeren Freundin, verlassen zu werden. Er trinkt Kaffee, raucht, blickt aus dem Fenster und erinnert sich: an die Jahrzehnte, die er als Assistent eines berühmten Regisseurs im Theater verbrachte; an die Großeltern, Offenbacher Juden, denen einst im letzten Moment die Emigration gelang; an Mathild, seine Mutter, die sich bis zu ihrem Tod weigerte, über die genauen Umstände der Flucht zu berichten; an Freunde wie den für seine zierlichen Gegenstände berühmten Bildhauer Ingo Licht oder an Piotr, den Pariser Anwalt kaukasischer Herkunft.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.02.2010

Höchst originell findet Gabrielle Killert das Romandebüt des berühmten Theaterregisseurs. Und das, obwohl aus seinem Stoff eigentlich all die Betroffenheitsbücher gestrickt seien, die derzeit Konjunktur hätten: Alter, Krankheit und Tod. Doch Luc Bondy schafft es, mit seiner schalkhaften Erzähllaune und dem Charme eines Divertimentos die Kritikerin schlicht zu verzaubern. Denn dieser Autor sei ein Komödiant vom Stamm der Harlekine, also jener leichtsinnigen Antipoden höllischen Lebensernstes. Und so folgt sie mit großem Vergnügen der Geschichte des leidenden und sich erinnernden Erzählers, lernt seine Familie und sein Leben kennen, die Geschichte seines Überlebens auch. Hört von der verstummten Mutter, die als jüdische junge Frau bei einem französischen Bauern die Verfolgung überlebte. Immer, wenn es zu ernst werde, nehme Bondy sofort den Fuß vom Pathospedal und kleidet zum Leseglück der Kritikerin selbst den Tod noch in seinen verspielten jüdischen Humor.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.11.2009

Im ersten Roman des Theaterregisseurs Luc Bondy wird die Kunst als "Therapeutikum" praktiziert und das Theater der Zeit nach 2014, in der der Roman spielt, für tot erklärt, teilt Wulf Segebrecht mit. Erzähler ist der kranke und einsame Donatey, dessen Freunde mittlerweile alle gestorben sind und den die Freundin wegen seiner manipulativen Täuschungen verlassen hat. Mit dem Autor ist er autobiografisch durch seine Verbindung zum Theater und sein Rückenleiden verbunden, wie Segebrecht weiß. Während Donatey sich am Fenster seinen Assoziationen, Erinnerungen und Reflexionen hingibt und diese sogenannten Anflüge zu einem kompositorischen Ganzen zu fügen sucht, setzt er Kunstwollen gegen Einsamkeit und Tod, wobei ihm seine Krankheit, die eine Eisenstange in seiner Wirbelsäule nötig macht, die schonungslose Aufrichtigkeit erst ermöglicht, wie der Rezensent meint. Indem er sich aus einer nahe gelegenen Zukunft an sein Leben erinnert, wird das Buch zur "melancholischen, satirisch-resignativen Prognose", die dem Theater ganz "ohne Larmoyanz" sein Ende attestiert, so Segebrecht. Ebenso beiläufig wird auch an die qualvolle Geschichte der jüdischen Großeltern erinnert, die die Hauptfigur zu rekonstruieren sucht, lässt der Rezensent wissen, der in Bondys "Am Fenster" eine "große Kunstleistung" bewundert.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.10.2009

Rezensent Christopher Schmidt hat den Theaterregisseur Luc Bondy bereits in seinen zwei autobiografischen Büchern als "subtilen Erzählkünstler" und scharfen Beobachter schätzen gelernt. Auch Bondys erster Roman, "Am Fenster", findet seine uneingeschränkte Begeisterung. Im Zentrum steht ein durchaus an den Autor erinnernder Assistent eines soeben verstorbenen Theaterregisseurs, der zudem von einem gravierenden Rückenleiden gebeutelt ist. Schmidt hat den Roman als schonungslose, "grausam-komische Phantasie" über Alter und Tod gelesen und darin auch so etwas wie eine "misanthropische Selbstparodie" entdeckt. Vor allem aber ist er in der Romankomposition auf die "Kunst des arrangierten Zufalls" gestoßen, die, wie die Hauptfigur an einer Stelle seines Romans äußert, am Theater immer mehr ausstirbt und die dem hingerissenen Rezensenten trotz des traurigen Grundtons von Bondys Roman wahre Glücksgefühle vermittelt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.09.2009

In ein Wechselbad von Lachen, Staunen und Schaudern hat die Lektüre dieses Buches von Theaterregisseur Luc Bondy Barbara Villinger Heilig gestürzt und sie ganz und gar begeistert. Der Titel des Romans lässt sich als Handlungsbeschreibung verwenden, denn im Buch steht ein Mann mit Namen Donatey in einer näheren Zukunft am Fenster, erinnert sich an die Menschen seiner Vergangenheit und versucht, sich gedanklich und emotional in sie hineinzuversetzen, fasst die Rezensentin zusammen. Sehr beeindruckend findet sie die punktgenauen und dadurch fast Karikaturen gleichenden Miniaturen, die der einst als "Faktotum" eines berühmten Theaterregisseurs fungierende Donatey entwirft. Dass er dabei auch als Fachmann und Psychologe auf die Theaterwelt zurücksieht, verleiht dem Buch "großen Reiz", preist die Rezensentin. Einen weiteren Bedeutungshorizont sieht Villinger Heilig durch die mütterliche Familie des Helden gezogen, nämlich das Judentum und den Holocaust. Gänzlich ohne Pathos rekapituliert Donatey die Geschichte seiner Mutter, und demonstriert, wie sie, obwohl sie nur wenig von ihr preiszugeben bereit ist, auch in seinem Leben weiter schwelt, so die Rezensentin beeindruckt.
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