Marc A. Weiner

Antisemitische Fantasien

Die Musikdramen Richard Wagners
Cover: Antisemitische Fantasien
Henschel Verlag, Berlin 2000
ISBN 9783894873585
Gebunden, 477 Seiten, 34,77 EUR

Klappentext

Aus em Amerikanischen von Henning Thies. Weiners Buch behandelt das umstrittenste Problem in der Debatte um Richard Wagner: die Frage, inwieweit sich antisemitische Ideen in Wagners Opernwerken nachweisen lassen. Bis jetzt wurde Wagners Antisemitismus zwar nicht geleugnet, aber hinsichtlich seiner Bühnenwerke als nicht existent oder irrelevant erklärt. Marc A. Weiner widerlegt zum ersten Mal diese traditionelle Auffassung. Systematisch stellt er in seiner Untersuchung eine direkte Verbindung zwischen Wagners antisemitischen Äußerungen, seinen rassistischen Essays und seinen Bühnenwerken her. Im Anschluss an die Veröffentlichung der amerikanischen Originalausgabe hat sich in Deutschland eine intensive Debatte um Weiners Thesen entwickelt, wobei für manche nichts weniger auf dem Spiel zu stehen scheint, als diese Werke für den deutschen Bühnenkanon zu erhalten. Weiners Untersuchung erscheint nun in deutscher Übersetzung, um einer breiten Öffentlichkeit die Teilnahme an dieser zentralen Debatte zu ermöglichen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.12.2000

Frieder Reininghaus weist darauf hin, dass der Autor bereits bei der Elmauer Konferenz, die sich mit dem Antisemitismus bei Wagner ausgiebig beschäftigt hat, zu den Referenten gehörte. Das vorliegende Buch bietet nun -so Reininghaus - eine Erweiterung der von Weiner damals vorgestellten und "heftig attackierten" Thesen. Dabei stellt der Rezensent fest, dass sich Weiner jenseits des üblichen wissenschaftlichen Arbeitens oder gar "juristischer `Beweisführung`" bewegt, sondern sich vielmehr auf die "Polyvalenz der Figuren in Wagners Musikdramen" konzentriert: untersucht wird also, inwiefern sich Aussehen, Gerüche, Formen der Darstellung und des Singens in Wagners Opern antisemitisch deuten lassen. Dabei scheint es Reininghaus durchaus zu schätzen, dass Weiner den `Erwartungshorizont` des damaligen Publikums zu rekonstruieren versucht und der Frage nachgeht, welche Assoziationen damals ausgelöst wurden. Zum Thema Antisemitismus bei Wagner werden noch zwei weitere Bücher erwähnt, auf die der Rezensent allerdings nicht näher eingeht: "Richard Wagner und die Juden", hrsg. von Dieter Borchmeyer (Metzler Verlag) und "Richard Wagner im Dritten Reich", hrsg. von Saul Friedländer (C. H. Beck Verlag).

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.11.2000

Gustav Falke scheint dieses Buch nicht überzeugt zu haben. Er erläutert, dass es Weiner vor allem darum geht, Wagners "böse Gestalten" mit antisemitischen Bildern in Verbindung zu bringen. Dabei spielen "Aussehen, Stimme, Geruch, Sexualität" eine große Rolle, in denen sich nach Weiner antisemitische Stereotypen und Klischees ausdrücken. Falke kritisiert dabei jedoch, dass es den Autor offensichtlich wenig interessiert, ob Wagner dies "auch gemeint habe". Weiners Thesen seien nachvollziehbar, wenn es bei Wagner um einen eher allgemein gehaltenen Vorwurf von antisemitischen Klischees geht. Da jedoch, wo es um konkrete Figuren geht, findet Falke dies fragwürdig. Denn Wagner habe selbst nie Hinweise auf solche Deutungen gegeben, im Gegenteil: mit manchen seiner Bösewichter habe er durchaus sympathisiert. Auch Weiners Behauptungen, "Beckmessers Gesang diene dazu, die judaisierte Kultur als oberflächlich darzustellen" oder Wagners Abneigung gegen Koloraturen (weil sie an jüdischen Gesang erinnerten) hält Falke für fragwürdig und zu kurz gegriffen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.10.2000

Seit Jahren wird heftig gestritten um die ideologische Erblast der Wagnerschen Musik: auf Symposien, durch Vorträge und Bücher, die wiederum die Vorträge der Symposien beinhalten bzw. ausbauen. Etwas "schulmeisterlich" kommt Albert von Schirnding die Art und Weise vor, wie diese Debatte von manchen Wissenschaftlern geführt wird. Von Schirnding stellt drei Bücher vor, die Beiträge zum Thema "Richard Wagner und der Antisemitismus" versammeln. 1) Dieter Borchmeyer, Ami Maayani, Susanne Vill (Hrsg.): "Richard Wagner und die Juden" Sieben israelische Wissenschaftler nahmen 1998 an der Tagung "Richard Wagner und die Juden" teil, die nicht irgendwo auf neutralem Gebiet, sondern in Bayreuth selbst stattfand. Aber selbst die schärfsten Kritiker, so von Schirnding, hätten sich im Ton zurückgehalten - auch wenn sich im nachhinein mancher von der Veranstaltung distanziert hat. 2)Saul Friedländer, Jörn Rüsen (Hrsg): "Richard Wagner im Dritten Reich" Ein Jahr später gab es wieder ein Symposium, berichtet der Rezensent, diesmal in Schloss Elmau. Dass diese zweite Tagung nun, wie Marc A. Weiner in seinem Beitrag behauptet, von der Atmosphäre her offener gewesen sei, findet Albert von Schirnding nach vergleichender Lektüre der beiden vorliegenden Dokumentationen nicht gerechtfertigt. Allein die Tatsache, dass sieben Redner in Bayreuth wie Elmau dabei waren, spreche dagegen, so von Schirnding. Beide Bände enthielten aufschlussreiche Untersuchungen über die "Beziehung von Ideologie und Ästhetik, Prophetie und Erfüllung, ... das Hitler-in-Wagner und Wagner-in-Hitler-Syndrom". Der dezidierte Anti-Wagnerianer Zelinsky durfte allerdings nur, bemerkt von Schirnding nicht allzutraurig an, bei der Elmauer Tagung sprechen. 3) Marc A. Weiner: "Antisemitische Fantasien. Die Musikdramen Richard Wagners" "Wagner-Hass macht nicht nur blind, sondern vor allem taub", schreibt Albert von Schirnding. Marc A. Weiner müsste demnach zumindest auf einem Auge blind und mit einem Ohr taub sein. Der Autor benennt das Verhältnis von Kunst und Politik als den wesentlichen Punkt der Debatte, so von Schirnding, wobei Weiner der Fehler unterlaufe, Politik mit Ideologie gleichzusetzen. Von Schirnding führt Brecht als Beispiel dafür an, dass der Dichter den Dogmatiker überwinden kann und man die ästhetische Komplexität eines Kunstwerks nicht unterschätzen sollte. Eine Reduzierung der Wagnerschen Musik auf "antisemitische Fantasien" erscheint ihm in der Fragestellung zu kurz gegriffen. Dennoch: stellenweise entwickele der Autor durchaus "produktiven Scharfsinn". Etwas verblüfft äußert sich von Schirnding dann über das Bekenntnis des Autors, dass gerade die antisemitischen Dimensionen im Werk Wagners eine große Faszinationskraft auf ihn ausüben. "Was will uns der Dichter damit sagen?", fragt der Rezensent konsterniert.
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