Marlene Streeruwitz

Partygirl

Roman
Cover: Partygirl
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783100744265
Gebunden, 352 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Chicago im klaren, kalten Herbst 2000. Im "Crystal Cleaner", einer ungepflegten Reinigung in einem elenden Viertel, arbeitet Madeline Ascher. Über dem Haus rattert die Hochbahn, unentwegt lärmt der Fernseher. Als ein Mann mit deutschem Akzent den Laden betritt, überfällt sie der Schwindel der Erinnerung. Ein heißer Tag im Sommer 1947. Ein herrschaftliche Villa in Baden bei Wien. Die Tat des Vaters wird zum furchtbaren Höhepunkt einer Familiengeschichte, die Generationen zurückreicht...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.08.2002

Friedmar Apel scheint ziemlich mitgenommen von den vielen Tränen und den vielen alkoholischen Getränken, die der Roman bei der Schilderung vom Leben der Madeline Ascher fließen lässt. Die Geschichte, die an Poes "Fall des Hauses Usher" angelehnt ist, wird vom Rezensenten als "trostlos" und "karg" beschrieben. Im Gegensatz zu Poes Schauerroman lässt Streeruwitz es nicht "schön gruseln", warnt Apel. Überhaupt hat der Leser genau wie die Protagonistin nichts zu lachen, so der Rezensent, der sich in seiner Besprechung eng an den Stil der Autorin anlehnt. Apel beklagt zwar die vielen "Wiederholungen", die der Leser ertragen muss, dennoch lobt er den Roman am Ende als "gut", wohl nicht zuletzt deshalb, weil die Geschichte der Madeline Ascher "im Kopf" bleibt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.05.2002

Eine "Oper der Frauenopfer auf der Wallstatt der Lüste und Leiden der Leiber" erblickt Rezensentin Christiane Zintzen in Marlene Streeruwitz' Roman "Partygirl". Wie Zintzen ausführt, rekapituliert Streeruwitz - angelehnt an Edgar Allan Poes "Untergang des Hauses Usher" - darin den "Fall" der Familie Ascher durch ein halbes Jahrhundert hindurch, indem sie die Lebensstationen der Geschwister Madeline und Roderick (Rick), die eine unerfüllte Liebe verbindet, als umgekehrte Chronologie erzählt. Madelines Wunschtraum zielt nach Zintzen auf die Weiterführung der Inzestbeziehung mit Rick, erschöpft sich aber in ihrem exzessiven "Koitaldrang", den sie ebenso mechanisch wie indifferent mit zahllosen Ersatzpartnern auslebt. So zeigt Streeruwitz nach Ansicht der Rezensentin die Sexualität als "leeres Versprechen", als "Routine" und "Austragungsort von Aggressionen". Die "Kunstfigur" Madeline erinnert die Rezensentin dabei an eine Gummipuppe, "welche - aufgeblasen und in Form gebracht durch etlichen Psycho-Determinismus und einige Partikel Musil, Bachmann und Schnitzler - eine passive und abwaschbare Hülle bleibt." Sie hebt hervor, dass Madelines Bewusstseinsstrom bei all ihren Leiden "flach" bleibt, und nur wenig mehr als das "blanke Protokoll des unmittelbaren Erlebens" mit sich führt, Erkenntnis stellt sich nicht ein. Darin sieht die Rezensentin dann auch die "Botschaft" oder den "politischen Appell" des Romans, der in allen Aspekten vor Augen führe, "dass weibliches Abonnement auf das Leiden keinen Zugewinn an Erkenntnissen bereithalten kann."

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 21.03.2002

"Ganz gothic und schier unerträglich gut", so lobt Rezensentin Eva Behrendt den neuen Roman von Marlene Streeruwitz, der pikanterweise mit dem Schluss beginnt und so gleich zu Beginn einige Fragen aufwirft. Trotzdem verliert man beim Lesen nicht die Orientierung, bemerkt Eva Behrendt weiter, denn der oftmalige Wechsel von "melodischen" und "rhythmischen" Sätzen - der typische "Streeruwitz-Sound" eben - hält den Leser fest an die Hauptfigur gebannt. Die aufregende und mysteriöse Story über eine Frau auf der Suche nach sich selbst, über das ständige Warten und die Verliebtheit ist für die Rezensentin ganz klar ein Stück "feministischer Literatur". Der Fokus der Darstellung liegt dabei eindeutig auf den Dingen des täglichen Lebens, und lässt darunter immer die Träume und Hoffnungen der Protagonistin erscheinen. Immer greifbarer wird gegen Ende des Romans der Gesamtzusammenhang, in den die Hauptfigur verfangen ist, und "wie in jeder guten Story" winkt dem Leser auch hier die "Idee einer Lösung", erläutert die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.03.2002

Frauke Meyer-Gosau ist am Ende enttäuscht von Marlene Streeruwitz' Roman, in dem die Autorin aus Edgar Allan Poes Erzählung "Fall des Hauses Usher" eine Gegenwarts-Geschichte gemacht hat. Streeruwitz erzählt die Geschichte der Geschwister Madeline und Roderick Ascher, die, einst reich, in die Armut abrutschen und im Alter recht trostlos ihr Dasein fristen. Das alles werde, lobt die Rezensentin zunächst, "furios" und "souverän distanziert" erzählt, durchaus auch "ironisch konstruiert". Dennoch hat die Lektüre Meyer-Gosau ermüdet. Denn diese "Moritat" vom einsamen und unglücklichen Leben der Madeline Ascher nebst ihrer sämtlichen psychischen, somatischen und psychosomatischen Störungen hat bei der Rezensentin einen Eindruck hinterlassen, der bereits im Titel angedeutet werde: "Partygirl" sei so etwas, bedauert Meyer-Gosau, wie "Bunte Blätter-Stoff" für Frauen, die sich voyeuristisch auf das Leben anderer stürzten und im seichten Talk-Show-Geplauder über grausam entleerte Lebensstile parlierten. Schade um diese "Erzählkunstverschwendung", schließt die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.03.2002

Ijoma Mangold möchte einem ernsthaften Kunstwerk nicht vorwerfen, dass es nicht froh macht, und so lässt er sich mit der Autorin "in die gleiche existenzielle Gummizelle" einsperren. Dort scheint er an dem Lebensleid, das die Heldin in einem einzigen inneren Monolog gegen den Zeitpfeil erzählt, großen Gefallen gefunden zu haben. Für Denken, Sprache und Gefühl sieht Mangold in diesem Roman, dessen Negativität absolut sei, keine Rettung. In den "unerbittlichen Stationen eines einzigen Passionswegs" wisse Streeruwitz aber eine bezwingende Lebensnähe herzustellen. Durch die anti-freudianische Erzählweise entgehe die Geschichte auch jeder Determiniertheit und damit jedem Versuch einer positiven Lösung. Solche "unbedingten Künstler" haben derart unbedingte Rezensenten verdient!
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