Martin Kessel

Herrn Brechers Fiasko

Roman
Cover: Herrn Brechers Fiasko
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2001
ISBN 9783895610257
Gebunden, 560 Seiten, 25,46 EUR

Klappentext

Der Roman, erstmals veröffentlicht 1932, erzählt die Geschichte Max Brechers, der in einem Berliner Medienkonzern arbeitet, in einem langsamen, unwiderruflichen Prozess an den Rand gedrängt wird und schließlich sein Fiasko erlebt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.04.2001

Der Schöffling Verlag ist nun der dritte Verlag, der sich traut, diesen großartigen, geschmähten und verkannten Roman herauszubringen, berichtet Andreas Nentwich, der in seiner sehr ausführlichen Besprechung Autoreninfo, Rezeptionsgeschichte, Interpretation, Inhalt und eigene Bewertung überein bringt. 1932 erschien der Roman, für seine Zeit ausgesprochen modern, vorausschauend und politisch, zum erstem Mal. Er wurde dann von den Nazis verboten, erschien wieder in den fünfziger Jahren, wurde wenig beachtet und erlebt nun eine Neuauflage, infomiert der Rezensent. Sehr zu seiner Freude, denn er hält das Werk von Martin Kessel (1901-1990) nicht nur für eines der großen Sprachkunstwerke des 20. Jahrhunderts, sondern auch für einen, neben Döblins "Berlin Alexanderplatz", der maßgeblichen Beiträge zur Physiologie der Hauptstadt und für ein "Desillusionierungsprojekt mit gespenstischer Aktualität". Nicht nur, dass man den Roman als Pendant zu Siegfried Kracauers soziologischer Essaysammlung "Die Angestellten" lesen sollte, ist für den Rezensenten interessant. Nicht nur, dass der Roman ein großartiger Stadtroman ist, gespickt mit allerlei "Sottisen gegen deutsche Tugenden und abendländische Geistesimmobilien, gegen Effizienzfrömmigkeit und Rationalisierungsutopien". Nentwich hält ihn zudem für eine großartige Charakterstudie, in der nicht nur das wilhelminische Zeitalter und die Dreißiger Jahre aufleben, sondern brillant die Mechanik des falschen Lebens zerlegt werde. Ein Buch, das so historisch wie von brandaktueller Brisanz ist, lautet das Fazit des Rezensenten.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.04.2001

Nicht ganz ein Döblin vielleicht, aber dicht dran, urteilt Wilfried F. Schoeller über diesen "bitterkomischen Unterhaltungsroman" aus dem Angestelltenmilieu, der, 1932 erschienen, sein Publikum bis heute nicht recht zu erreichen vermochte. Schoeller gelingt es, uns klar zu machen, was wir versäumt haben. Wenn ein Meisterwerk daran zu erkennen sei, schreibt er, dass es seine eigene Art der Lektüre wie ein eigenständiges Recht einfordere, dann sei dieser Berlin-Roman unbestreitbar eines; Sottisenfeuerwerk, Gedankenwirbel, der jeden, der auf feste Positionen setze, ins Unterirdische und in den Taumel ziehe, Nervensäge auch, die den eiligen Konsumenten abweise und auf den uneingeschränkten Leser setze. Und woher das alles? Der magische Stil vom Märchen und aus der Romantik, die ausschweifende Wörterlust von Jean Paul und Laurence Sterne und die analytische Leidenschaft - aus Notwendigkeit. "Es war überhaupt nicht möglich, mit Welt und Leben ins Reine zu kommen, ohne es analysiert und durchdacht zu haben", zitiert Schoeller den hier hochgelobten Autor. Davon dürfen wir jetzt profitieren.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.03.2001

Für zu hoch gegriffen hält Katrin Hillgruber die Verlagsankündigung, "Herrn Brechers Fiasko", Ende 1932 erstmals erschienen, gleich hinter "Berlin Alexanderplatz" zum zweitwichtigsten Berlinroman des 20. Jahrhunderts zu erklären. Sie führt "erzählerische Disziplinlosigkeit und Kalauersucht" dafür an, warum es keineswegs ein reines Vergnügen oder atemlose Lektüre verspricht, die über 500 Seiten des zweifellos längsten Büroromans des vergangenen Jahrhunderts zu durchpflügen. Stellenweise lese sich der Roman wie eine Illustration der Thesen aus Kracauers Studie "Die Angestellten". Das Universum der UVAG mit seinen Großraumbüros und dem Angestelltenzoo wird jedoch mit "blitzendem Sarkasmus" geschildert, gibt Hillgruber zu, und in der Hauptfigur Brecher sieht sie einen Geistesverwandten von Kästners "Fabian". Wo Kessel den mit der Stadt verknüpften Alltag der Angestellten beschreibe, entstehe tatsächlich eine soziale Topografie der Stadt Berlin vom damals, so Hillgruber.