Natasha Radojcic

Du musst hier nicht leben

Roman
Cover: Du musst hier nicht leben
Berlin Verlag, Berlin 2006
ISBN 9783827006318
Gebunden, 208 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Friederike Meltendorf. Sascha ist jung, schön und ungestüm. Sie lässt sich von niemandem etwas sagen und passt nirgendwohin, schon gar nicht in das enge Gefüge der jugoslawischen Großfamilie. Mit fünfzehn läuft sie von zu Hause fort, wird von der Polizei aufgegriffen und zu einem Onkel nach Kuba geschickt. Dort öffnet sie sich einem Leben der Sinnlichkeit und sexuellen Freizügigkeit, das für eine Muslimin unerhört ist. Während die Familie ihre erste Liebe zu dem schwarzen Roderigo noch zu verhindern weiß, kann sie, als Sascha zu ihrem Vater nach Athen zieht, niemand mehr bändigen. Sie stürzt sich in Partys, lässt sich auf Drogen ein und gerät in einen Strudel, der sie tiefer und tiefer zieht. In eindringlichen, kunstvoll gewobenen Episoden führt die Autorin uns in die fremde, familiär reglementierte Welt Belgrads, der Sascha zu entkommen sucht, in ein zügelloses Athen und das East Village der achtziger Jahre.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.03.2007

Im Zentrum von Natasha Radojcics zweitem Roman steht die circa fünfzehnjährige Sascha, Mutter Lehrerin und "hellhäutig", Vater "teils Zigeuner, teils Österreicher, teils Serbe". Sascha steckt in einer heftigen Adoleszenzkrise, Sex und Drogen inklusive. "Schlüsselerfahrungen" vermutet der Rezensent, denn die Autorin hat das gleiche Alter wie die Protagonistin inzwischen haben müsste, aber das will Eberhard Falcke nicht genannt wissen (obwohl er es erwähnt). Die haltlose Protagonistin gerät in einen Strudel des Aufbegehrens, der sie um die halbe Welt führt. Am Ende strandet sie in New York, schlägt sich in billigen Absteigen durch, nimmt weiterhin Drogen und hört viel Musik. Der soziale Fall Saschas laufe aber weder auf Gesellschaftskritik, noch auf die Darstellung einer wilden Boheme hinaus, sondern demonstriere die Vergeblichkeit der Fürsorge für einen Menschen der zugleich "Opfer und kein Opfer" ist. Falcke zeigt sich beeindruckt von diesem "völlig ungekünstelten und zugleich von großer entschiedener Stilsicherheit" zeugenden Buch.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.03.2006

Unglaublich dicht und unglaublich scharf beobachtet sei das Geschehen in Natasha Radojcic' zweitem Roman, berichtet Rezensent Andreas Breitenstein. Durch die "Maske" der Heldin Sascha erzähle die Autorin ihre Kindheits- und Jugendodyssee, die sie 1989 nach New York geführt habe. Als Problemkind einer Belgrader Familie wird die junge "Ausreißerin" Sascha vom Onkel in Kuba zur Oma in den bosnischen Bergen, zum Vater nach Athen geschickt, und überall macht sie ihrem Ruf als lebensgierige "balkanische Lolita" mit "entschlossenem Reiz und sturem Stolz, der Gabe hellwacher Beobachtung und blitzendem Verstand" alle Ehre. Und mit all den Orten und Männergeschichten, so der Rezensent, zeichne die zurück blickende Erzählerin auch ein Panorama an "subtil" dargestellten Gegensätzen. Zwischen alter und neuer Welt, kommunistischer Nomenklatura und realer Armut, Großstadt und "ländlicher Archaik", zwischen "(weißem) Rassismus und (dunkelhäutiger) Zurücksetzung". Geradezu "staunenswert" findet es der Rezensent, welche "Fülle an Zeitgeist, Milieus und Charakteren" im Roman alles Platz fänden, bis hin zum "glänzend getroffenen" New Yorker Punk der achtziger Jahre.