Paul Leautaud

Kriegstagebuch 1939 - 1945

Cover: Kriegstagebuch 1939 - 1945
Berenberg Verlag, Berlin 2011
ISBN 9783937834429
Gebunden, 168 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben, aus dem Französischen übersetzt und mit einem Nachwort von Hanns Grössel. Paul Leautaud, ein Kritiker, von dem Walter Benjamin die allerhöchste Meinung hatte, und einer der großartigsten Tagebuchautoren der Weltliteratur, empfand den Krieg und die deutsche Besatzung als eine schändliche Vergewaltigung seiner geliebten französischen Sprache und Kultur. Über seine Landsleute hingegen machte er sich keine Sorgen. Im Gegensatz zur Sprache, die er mit ihnen teilte, waren sie ihm herzlich egal. Dieser von Hanns Grössel herausgegebene Kriegsausschnitt aus dem großen Tagebuch von 1893 bis 1956 hat es folglich in sich: Leautaud betrachtete die Franzosen unter deutscher Besatzung wie ein böser Kater von der Sorte, mit denen er sich in seinem Haus umgab, wo er mit Tieren von der Straße zusammenlebte. Seine virtuose Misanthropie riss Leautaud zu radikalen Urteilen hin. Aber das macht diese geschliffenen Apercus und Beobachtungen des Pariser Lebens im Krieg umso interessanter.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.08.2011

Fasziniert ist Hansjörg Graf vom Radical-chic des literarischen Tagebuchs Paul Leautauds. "Ich habe mir einen Revolver gekauft" so beginnen Leautauds Aufzeichnungen von 1939-1945, die Hanns Grössel jetzt als Kriegstagebuch herausgegeben hat. "Einen Provokateur aus Leidenschaft" sieht Graf hier am Werk, der sich für das bewaffnete Schreiben und Denken entschieden hat und in der Verachtung alles Fremden und Gegnerischen keine Grenzen kennt. Für seine einzige deutsch-französische Kollaboration hat Leautaud sich Ernst Jünger ausgesucht, mit dem er in Paris zu diskutieren pflegte. Hansjörg Graf zeigt sich Paul Leautaud in seinem Kriegstagebuch als bellizistischer Essayist und Humanist mit Revolver in der Hand.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.06.2011

Lediglich als "Gelegenheit, mit einem hierzulande kaum recht angekommenen Autor bekannt zu werden" ist das von Hans Gössel edierte "Kriegstagebuch" Paul Leautauds dem Rezensenten Helmut Mayer eine Empfehlung wert. Wer aber ein tieferes Interesse hege, müsse schon zum Original greifen, da der Herausgeber starke Kürzungen vorgenommen habe, deren Kenntlichmachung er obendrein versäumte, klagt Mayer. Dessen ausführliche und wohlinformierte Kritik spart nicht an Details zum Leben und Wirken Leautauds. Das vorliegende Journal aus den den Jahren 1939-1945 stellt lediglich einen Ausschnitt aus einem lebenslangen Tagebuchprojekt des französischen Schriftstellers und Theaterkritikers dar, in Frankreich seit den Sechzigern publiziert auf mehreren tausend Seiten, wie Mayer mitteilt. Von dieser Arbeit könne man sich anhand des vom Herausgeber zusammengestutzen Exzerpts kaum ein Bild machen, dafür immerhin von der schillernden Persönlichkeit Leautauds, schreibt der Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.06.2011

"Kein angenehmer Mensch, aber ein großer Schriftsteller", fasst Martin Lüdke seinen Eindruck von Paul Leautaud nach Lektüre seines Kriegstagebuch zusammen. Es gab ihm offenbar recht kurzweilige Einblicke in die Seele eines in der Wolle gefärbten Misanthropen und notorischen Frauenfeinds, der in seinem Haus vor Paris mit "38 Katzen, 22 Hunden, 1 Ziege und 1 Gans" zusammenlebte. Eine irgendwie geartete politische Reflektiertheit sollte man besser nicht erwarten, warnt Lüdke vor, Leautaud war - "in literarischer Hinsicht" - bekennender Antisemit, antidemokratisch, antisozial und antipatriotisch. Aber, versichert der Rezensent, da Leautaud dies mit ätzendem Witz und in einem geradezu klassischen Französisch war, ist der Genuss in literarischer Hinsicht garantiert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.05.2011

Hin und wieder lief es Joseph Hanimann schon kalt den Rücken herunter, wenn er las, mit welcher Gefühlskälte und moralischen Äquidistanz Paul Leautaud über Paris unter deutscher Besatzung schreibt. Die Bissigkeit, der Sarkasmus und der scharfe Verstand machen die Aufzeichnungen des französischen Autors durchaus zu einem "Monument literarischen, politischen und privaten Schreibtischgemurmels", vom Range her den Journalen der Brüder Goncourt vergleichbar, da will Hanimann überhaupt keinen Zweifel aufkommen lassen. Doch geheuer sind ihm die Menschenverachtung, die Tierliebe und der ichsüchtige nicht. Dass Leautaud keinen Unterschied macht zwischen Napoleon in Berlin und Hitler in Paris, würde Hanimann ihm noch als Abgebrühtheit durchgehen lassen, aber mit welcher Gefühllosigkeit er das Schicksal der jüdischen Pariser kommentiert, lässt Hanimann schaudern. Sein Eindruck insgesamt: "Nicht direkt widerwärtig, eher abseitig."
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.03.2011

Rezensent Christian Semler rechnet es dem Herausgeber von Paul Leautauds "Kriegstagebuch 1939-1945" hoch an, ein zunehmend der Revision ausgesetztes Kapitel französischer Geschichte weiter zu erhellen. Ganz Frankreich gehörte der Resistance an, nur eine kleine Handvoll Kollaborateure trübte das Bild - so will es die Legende. Wenn es aber jemanden gibt, der das liebgewonnene Schwarz-Weiß-Schema sprengt, dann ist das Paul Leautaud, wie Semler überzeugt resümiert. Ein "Konglomerat unvereinbarer Gegensätze" fände sich in den Ansichten des 1871 geborenen Intellektuellen versammelt. So habe er seine Landsleute verachtet, ihre Sprache jedoch geliebt. Sein mit Antimilitarismus gepaarter Hass auf die Demokratie fügt sich politisch weder links noch rechts ins Spektrum, ebensowenig passt Leautauds Freundschaft mit Ernst Jünger zu der Wertschätzung, die ihm Walter Benjamin angedeihen ließ. Semlers Rezension führt zahlreiche weitere Obskuritäten zur Person Leautauds an und versichert den Leser seines Journals einer "munteren, anregenden" und "erschreckenden Lektüre".
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