Rajzel Zychlinski

Di Lider 1928 - 1991

Gedichte. Jiddisch und Deutsch.
Cover: Di Lider 1928 - 1991
Zweitausendeins Verlag, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783861504481
Gebunden, 930 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Rajzel Zychlinskis lyrisches Werk blieb zeitlebens von der Erfahrungswelt des jiddischen Schtetl bestimmt, wo sie als Nachfahrin einer Rabbinerfamilie aufgewachsen war; präzise und seismografisch genau registriert ihr Werk die Erschütterungen des Jahrhunderts, die auch ihr Dasein prägten. Aufgebrochen aus der behüteten Enge ihrer Heimatstadt Gombin, arbeitete sie als Verwalterin eines Waisenhauses; lebte in Warschau; überstand Bombardierung und das Wüten der Nazis in der besetzten Stadt; floh in die Sowjetunion; durchlitt das Trauma, dass Mutter und Geschwister in den Gaskammern Chelmnos ermordet worden waren. Sie kehrte nach dem Krieg in ein Polen zurück, in dem die wenigen überlebenden Juden mit einem einheimischen Antisemitismus konfrontiert wurden. Über Paris wanderte sie in die USA aus, wo ihr Ehemann Arbeit fand, und wo sie ein Studium absolvieren konnte. Das Leben in der Vielvölkerstadt New York wird zu einem Hauptthema ihrer späteren Gedichte. Sehr bewegende und überraschende Texte entstehen auch zu Themen wie Frauen, Mitmenschen, Alter und Tod.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.01.2004

Jakob Hessing würdigt die in Polen aufgewachsene und nach dem Krieg in die USA emigrierte Dichterin Rajzel Zychlinski als eine herausragende Repräsentantin der "späten Blüte" des Jiddischen - einer "Sprache des Traumas", die untrennbar vom Exil, von der Erfahrung der Diaspora ist und ihre Spuren der Fremde in sich trägt. Der dicke Band, herausgegeben vom ausdrücklich gelobten Übersetzer Hubert Witt, versammelt die Gedichte aus allen Jahrzehnten von Zychlinskis Schaffen und zeigt sie als Lyrikerin der unverwirklichten Utopie und der poetischen Erinnerung.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.11.2003

Stefana Sabin zeigt sich hocherfreut über eine schöne Werkausgabe, in der das gesamte lyrische Werk von Rajzel Zychlinski enthalten ist mitsamt ihren wenigen Prosaversuchen. Sabin umreißt die Lebensdaten und Stationen der in Polen geborenen Autorin, die dort in den 20er Jahren ihre ersten Gedichte auf Jiddisch veröffentlichte, den Zweiten Weltkrieg in der Sowjetunion überlebte und 1951 in die USA emigrierte, wo sie 2001 starb. Für Sabin ist Zychlinski ein besonderer Fall: die Dichterin schrieb weiterhin in Jiddisch und trug durch ihren Umzug in die USA und den damit verbundenen kulturellen Wechsel zu einer Erneuerung des Jiddischen bei, obwohl es eine verlorene Sprache blieb. In den ersten Jahrzehnten ihrer schriftstellerischen Tätigkeit schrieb Zychlinksi eher pastorale Gedichte, beschwor das Schtetl und reflektierte fast "metapoetisch", sagt Sabin, die Shoah. Seit ihrem Weggang in die USA lasse sich eine Akzentverschiebung feststellen, behauptet Sabin: hin zu einer Großstadtliteratur "in verbrämt realistischer Manier". Zychlinksi schrieb weiterhin auf Jiddisch, was heißt, dass sie alte Ausdrücke mit neuen Bedeutungen auflud oder moderne Ausdrücke "verjiddischte", erklärt Sabin. Das alles lässt sich in der zweisprachigen Ausgabe nachvollziehen, die durch die lateinische Umschrift den deutschen Lesern die Möglichkeit an die Hand gibt, den Klang dieser verlorenen literarischen Sprache nachzuvollziehen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.07.2003

Hans-Herbert Räkel gibt mit seiner Besprechung der Gesamtausgabe der Gedichte einen Überblick über die Biografie der Lyrikerin, deren Angehörige fast alle im Holocaust umgekommen sind. Er beschreibt ihre Flucht aus Polen über Russland und Frankreich, die sie schließlich 1951 nach Amerika führte. Räkel betont, dass die Verwendung von reimlosen, freien Versen für die damalige Zeit geradezu "avantgardistisch" war und beschreibt "ganz kurze Gedichte" als typische Form für Zychlinski. "Erinnerung" an die eigene schreckliche Geschichte macht er als eines der Hauptthemen der Gedichte aus, doch auch die amerikanische Gegenwart beispielsweise sieht er bis auf einzelne etwas "gewaltsam" wirkende Ausnahmen zumeist "souverän" verdichtet. Ihm gefällt, dass Zychlinski nie versucht, "Vieldeutigkeit" zu suggerieren oder "Barrikaden vor das Verständnis" zu legen. Stattdessen bemühe sich die Lyrikerin stets um Einfachheit und Klarheit, so der Rezensent angetan, der auch darauf hinweist, dass sie auf "syntaktische und logische Unklarheiten" völlig verzichtet. Auch die Übersetzung vom Jiddischen ins Deutsche lobt er bei dieser zweisprachigen Ausgabe nachdrücklich. Besonders, dass die Übersetzungen nicht "poetischer" als die Originalgedichte sind, gefällt Räkel sehr.
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