Rawi Hage

Als ob es kein Morgen gäbe

Roman
Cover: Als ob es kein Morgen gäbe
DuMont Verlag, Köln 2008
ISBN 9783832180973
Gebunden, 254 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Gregor Hens. Bassam und sein bester Freund George, den alle nur De Niro nennen, ziehen durch das Bürgerkriegs-Beirut der achtziger Jahre. In ihrer Kindheit sammelten sie gemeinsam Kugeln und Granathülsen in den Ruinen, um sie gegen Zigaretten einzutauschen. Seitdem sind zehntausend Bomben auf Beirut gefallen. Heute sind sie Teenager und haben Eltern und Geschwister, Nachbarn und Freunde verloren. Sie sind Überlebenskünstler, die ihren Anteil am Glück fordern. Sie ergaunern sich Geld, sie verlieben sich, sie fangen an zu leben. Aber während Bassam davon träumt, nach Rom zu gehen, wo "sogar die Tauben glücklich und gut genährt wirken", schließt De Niro sich einer christlichen Miliz an, um zu kämpfen. Bassam weigert sich, und eins ist klar: Er muss fliehen. Aber auf dem Weg zum Schiff in die Freiheit fängt De Niro ihn ab.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.06.2009

Den Grundton, den Rawi Hage in seinem Roman "Als ob es kein Morgen gäbe", kennt Tobias Gohlis: Es sind die Ohnmacht des Individuums, die Übermacht des Apparates und das Ende von Glaube, Liebe und Hoffnung, die jeden guten Spionageroman ausmachen und die auch Hage mit seiner Geschichte aus dem libanesischen zu einem bitteren Dreiklang verbindet. Erzählt wird die Geschichte zweier junger Männer, die ins Fahrwasser der Milizen geraten und deren Vorstellungen vom Freiheitskampf bald durch reichlich Koks benebelt werden und in eher unromantischen Machenschaften böse enden. Das liest sich wie eine Empfehlung.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.06.2009

Rezensentin Shirin Sojitrawalla ist sehr beeindruckt von diesem Debütroman von Rawi Hage, der vom libanesischen Bürgerkrieg erzählt, aus dem der Erzähler als an "Kopf, Körper und Seele Versehrter" hervorgeht. Die Hintergründe des Krieges spielen dabei nicht die größte Rolle, die Stärke der Erzählung liegt in den Augen der Rezensentin vor allem im "Atmosphärischen" und in der Beschreibung des Alltags der Protagonisten. Sojitrawalla lobt Hages Erzählstil, den sie mal als "metapherngesättigt", mal als "lakonisch" beschreibt, und meist "höchst leinwandtauglich". Nicht nur deshalb fühlt sie sich an den Animationsfilm "Waltz with Bashir" erinnert. Das Buch, obwohl im damals verhaftet, handelt nämlich ebenfalls eher "von den Folgen des Krieges" als vom Krieg selbst.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.04.2009

Mit Eleganz hat dieser Roman nichts am Hut, meint Tobias Wenzel. Das englische Original mit seiner "klaren" Sprache zieht er deshalb der mitunter etwas gestelzten Übersetzung von Gregor Hens vor. Die Erfahrung des Krieges aus Sicht eines jungen Menschen zwischen Liebe und Verrat zu vermitteln, gelingt dem aus Beirut stammenden Autor Rawi Hage laut Wenzel allerdings sehr gut. Bei aller Rasanz sorgen die von Hages Held Bassam gegen den Krieg in Stellung gebrachten Metaphern und Vergleiche für die richtigen Bilder im Kopf des Lesers. Und wann immer Hage das "Feuerwerk der Worte" einstellt, erscheint es Wenzel als der richtige Augenblick, um den Leser auf "den Raum zwischen den Zeilen zu verweisen".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.03.2009

Tief beeindruckt ist Alex Rühle von Rawi Hages "Als ob es kein Morgen gäbe" und kann kaum glauben, dass es sich hierbei um einen Debütroman handelt. Der Autor erzählt von den beiden Jugendlichen Bassam und George, die zunächst als beste Freunde durch das von Bomben zerstörte Beirut streifen, um später auf unterschiedliche Seiten zu geraten: George wird Kämpfer der christlichen Milizen und ist sogar dafür verantwortlich, dass Bassam gefoltert wird, Bassam gelingt die Flucht nach Paris. Die höchst raffinierte Konstruktion, die sprachliche Wucht, die Lakonie gepaart mit Poesie und die in schnellen Schnitten montierten Szenen - das alles macht den Roman für den Rezensenten zu einem meisterhaften Werk, und er sieht sich nicht nur einmal an Ari Folmans israelischen Film "Waltz with Bashir" erinnert, denn auch in dem Roman bildet das Massaker von Sabra und Shatila den finsteren Mittelpunkt. Was dieses Buch für Rühle aber vor allem deutlich macht, ist, dass es keine "objektive Erzählung eines Krieges geben" könne und die "Vernunft nicht mehr als eine nützliche Fiktion" sei, wie Bassam, glücklich nach Paris entkommen, konstatiert.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.03.2009

Außerordentlich beeindruckt zeigt sich Rezensent Alexander Müller von diesem nach seinem Erscheinen bereits mit dem hoch dotierten IMPAC-Preis ausgezeichneten Roman. Geschrieben hat ihn der im Libanon aufgewachsene, nach einem Fotografie-Studium in New York nach Montreal gezogene Rawi Hage. Er erzählt eine Geschichte, die im Beirut der achtziger Jahre beginnt und in der zwei Freunde auf verschiedene Seiten der ideologischen und Kriegsfronten geraten. Während George, der seinen Vater bei einem Bombenanschlag verliert, den Krieg flieht, schlägt sich Bassam, Spitzname "De Niro", auf die Seite der christlichen Milizen. Besonders überzeugend findet der Rezensent die Sprache, die Hage für seine Geschichte findet, eine Sprache nämlich, "die schockiert, wachrüttelt und das Pathos nicht scheut". Diese Sprache ist es zuallererst, die das Buch für Müller unbedingt lesenswert macht.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.03.2009

Angelika Schader stellt Rawi Hages im vorigen Jahr mit dem Impac-Literaturpreis ausgezeichneten Roman über den Bürgerkrieg in Beirut vor, der sie trotz beeindruckender Details im Ganzen nicht überzeugen konnte. Der 1964 in Beirut geborene Autor, der 1981 in die USA auswanderte, bedient sich bei seiner Geschichte über ein Freundespaar, das zu erbitterten Feinden wird, filmtechnischer Motive und Methoden, stellt die Rezensentin fest. Während sie die durch kurze Schnitte bestimmte, fragmentierte Erzählweise zur Beschreibung der bürgerkriegsgeschüttelten Stadt und Gesellschaft durchaus angemessen findet, will sie die filmische Konstruktion des Romans nicht recht begeistern. Wenn Hage seine Handlung dramaturgisch zuspitzt, droht das in den Augen Schaders gar die bedrückende und damit beeindruckende Realität des Bürgerkriegs zuzudecken, wie sie bedauert. Wenn sie auch die psychologische Plausibilität des sich zuspitzenden Freundeszwistes vermisst, hat ihr der Schlussteil die Intention dieses Bürgerkriegs-Romans "mit aller entsetzlichen Schlüssigkeit" doch deutlich gemacht, wie sie bekennt.