Roger Caillois

Die Schrift der Steine

Cover: Die Schrift der Steine
Droschl Verlag, Graz 2004
ISBN 9783854206538
Kartoniert, 195 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen und mit einem Nachwort von Rainer G. Schmidt. In hochkonzentrierter und äußerst präziser Sprache entwickelt Roger Caillois vor uns seine Einsichten in das Wesen des Steins, in dem er - in einer Momentaufnahme festgefroren - bereits den Tanz des Lebendigen wahrnimmt. Die unbewegte Starre des Steins scheint geradezu Voraussetzung dafür zu sein, daß sich die Bewegung, die Dynamik des Lebens abzeichnen kann. Das Dauerhafte erlaubt erst das Vergängliche. Sein kundiger Blick sieht in den Achaten, Opalen, Jaspisen und anderen außen so gewöhnlich wirkenden Kieseln wahre Schatzkammern der Natur. Bei der Suche nach der ?Schrift im Stein? stößt er auf den Schriftgranit, mit seinen keilschriftartigen Zeichen, und den Glimmer, mit seinen buchähnlichen Schichten; in beiden Fällen ist die Unentzifferbarkeit sichergestellt, die elementare Bedeutungslosigkeit alles (scheinbar) Bedeutenden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.09.2004

Der französische Philosoph und Soziologe Roger Caillois, der in den 30er Jahren der Gruppe der Surrealisten angehörte und später mit Georges Bataille das College de Sociologie gründete, ist ein Steinexperte. Vier Bücher hat er bereits Ende der Jahre über Steine verfasst, rechnet Cornelia Jentzsch zusammen: nie als wissenschaftliche Abhandlungen zu verstehen noch als Kunstbetrachtungen zu lesen, sondern mehr als "philosophisch grundierte Essays", so Jentzsch, denen die anorganische Materie zum "Stein des Anstoßes, des Denkanstoßes" geworden ist. Der nun bei Dröschl erscheinende Band "Die Schrift der Steine" stammt aus dieser Reihe von Büchern, die Caillois Ende der 60er Jahre verfasste, und er ist in engem Zusammenhang, versichert Jentzsch, zu lesen mit dem ersten Buch Caillois' über "Steine" überhaupt, das bereits vor 20 Jahren auf Deutsch bei Hanser erschienen ist. Dumm gelaufen. Der nun frisch übersetze Band "Die Schrift der Steine" enthält immerhin eine Art Zusammenfassung von Caillois' mineralogisch-philosophischen Überlegungen, beeilt sich Jentzsch zu sagen, ohne genauer zu erläutern, ob die Textzusammenstellung der alten französischen Ausgabe folgt oder mehrere Bände zusammenfasst. In jedem Fall lohnt es sich, meint Jentzsch, bei der Lektüre ein visuelles Handbuch der Mineralogie neben sich liegen zu haben, dann erst schimmere die Schönheit von Caillois' Beschreibungen so richtig auf. Kein "steinerner" Autor, freut sich Jentzsch.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.07.2004

Roger Caillois hat Sibylle Cramer ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod mit seinen mystischen Betrachtungen über die Steine als Zeugen ursprünglicher Schöpfung in seinen Bann geschlagen. Caillois betrachtet Kristalle, Flussspate und Kalksteine, vertieft sich in Formen und Ablagerungen und liest in ihnen, taucht ein in ihre Syntax, die von einer vorgänglichen Ganzheit spricht, als hätte Gott einen Fingerabdruck hinterlassen. Doch es geht nicht - und hierin sind Caillois Essays "gegengeschichtlich" - um geologische, also rationale Rekonstruktion, sondern um ein "phantastisches Wissen": Die "materielle Beschaffenheit" des Stein, schreibt Cramer, sei sein "Anhaltspunkt bei der Annäherung an das nicht mehr physische Konkrete der Schöpfung", deshalb umfasse sein Instrumentarium umschließt "ausgegrenzte Erfahrungsbereiche der Mystik, des Traums, der Imagination". Caillois, fährt sie fort, "vertraut auf eine verborgene Kontinuität zwischen menschlicher Einbildungskraft und Weltgewebe". Und glücklicherweise habe er in seinem deutschen Übersetzer Rainer G. Schmidt "einen Verbündeten, der für seine empfindsamen Denkbilder eine stupend ausdrucksvolle, elegante Sachlichkeit findet".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.06.2004

Andreas Platthaus lobt die in diesem Buch versammelten Schriften des 1978 verstorbenen Roger Caillois zur Steinkunde für eine Genauigkeit der Beschreibung, "die man als mineralogische Form des close reading bezeichnen könnte." Der 1913 geborene französische Surrealist Caillois, Weggefährte von Bataille, erster Borges-Übersetzer und Mitglied der Academie francaise, nehme hier "wie ein Musiker", so lobt der Rezensent weiter, in seinen Beschreibungen und Deutungen bestimmte Motive immer wieder auf, entwickele Durchführungen und bringe sie schließlich "über Variationen zum Ausgangsthema zurück" - dem "Prinzip des Lebens", das sich in der scheinbaren Unvergänglichkeit des Steins "auf das schönste" erweise. Vor allem aber zaubere das schwere Thema bei Caillois "federleichte Betrachtungen" hervor, die zu lesen eine Lust sei, so Platthaus begeistert. Kritik übt er nur an dem Titel, der der ansonsten von Platthaus für denkbar großes Geschick und Umsicht gelobte Übersetzerherausgeber für diese Sammlung gewählt hat: er passe nicht recht zu allen Texten, da den frühen und späten Texten von Caillois ein sehr verschiedenes rhetorisches Verständnis zugrunde liege.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.04.2004

So recht einzuordnen weiß Helmut Mayer Roger Caillois' frühen Text "Die Schrift der Steine" nicht. Zwar habe Caillois seine eigene wissenschaftliche Konzeption, die "sciences diagonales", weiträumig genug angelegt, wenn er sie definierte als die Suche nach "Signaturen eines unterliegenden Zusammenhangs, der vom mineralischen Naturreich bis zur Imagination und Kunst der Menschen reicht". Doch seine Steindeutungen liegen außerhalb selbst dieses Bereichs, meint Mayer. Auch dem Anspruch der Literatur genügten sie nicht, trotz der "überaus gediegenen und formbewussten Diktion", die Rainer G. Schmidt "angemessen" ins Deutsche übertragen habe. Diese Gattungsverlegenheit sei dem Autor auch durchaus bewusst gewesen; so sprach er von seiner im Alter von 22 Jahren verfassten Schrift als von "Träumereien, Phantasiestücken, privaten Vergnügungen der Einbildungskraft", die auf der Annahme beruhten, dass "selbst Empfinden, Intelligenz und Imagination" in dem "gigantischen Album der Steine" präfiguriert seien. Dem Rezensenten ist das offensichtlich ein bisschen zuviel, und er geht auf respektvolle Distanz: "Vernünftig ist das nicht", schließt er, "eher etwas unheimlich. Aber faszinierend bleibt, zu welchen Grenzgängen der Imagination die Evidenz der 'einen Natur' Caillois verführte."
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