Rossana Rossanda

Die Tochter des 20. Jahrhunderts

Cover: Die Tochter des 20. Jahrhunderts
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007
ISBN 9783518419366
Gebunden, 475 Seiten, 26,80 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Friederike Hausmann und Maja Pflug. "Dies ist kein Geschichtsbuch. Es ist das, was in meinem Gedächtnis auftaucht, wenn ich den zweifelnden Blick der Menschen um mich herum auffange: Warum bist du Kommunistin gewesen? Warum sagst du, du bist es noch? Was meinst du damit? Ohne eine Partei, ohne Ämter, an der Seite einer Zeitung, die dir nicht mehr gehört? Ist es eine Illusion, an die du dich klammerst, aus Sturheit, aus Altersstarrsinn? Ab und zu hält mich jemand freundlich an: 'Sie waren ein Mythos!' Doch wer will schon ein Mythos sein? ? Die Sache des Kommunismus und der Kommunisten im 20. Jahrhundert hat so kläglich geendet, daß man sich unbedingt damit auseinandersetzen muß. Was bedeutete es, in Italien ab 1943 Kommunist zu sein? Als Parteimitglied, nicht nur aus innerer Überzeugung, bei der man sich immer herausreden kann: 'Mit diesem oder jenem habe ich nichts zu tun.' Ich beginne, indem ich mich selbst befrage. Ohne Bücher oder Dokumente zu konsultieren, aber nicht ohne manchen Zweifel."

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.12.2007

Insgesamt eher mittelprächtig scheinen Rezensent Franz Haas diese Erinnerungen Rossana Rossandas, die jahrzehntelang eine Hauptfigur der italienischen Linken war und noch heute in Italien die Meinungen zu polarisieren weiß. Zwar bescheinigt er dem Buch eine "einschüchternde Intelligenz". Aber literarisch überzeugen ihn nur das erste Drittel der Erinnerungen über Kindheit und Jugend sowie einige persönliche Einsprengsel. Der Rest des Buchs besteht in seinen Augen vor allem aus einer recht parteilichen "politischen Geschichte" Italiens. Neben einigen "gewagten" Exkursen ins Weltgeschehen muss sich Haas mit einer Aufzählung etlicher Parteitage abfinden, bei denen Namen von Funktionären auf ihn einprasseln, mit denen heute nur noch Eingeweihte etwas anfangen können. Von der "Chronik" der Übersetzerinnen im Anhang hätte er sich in dieser Hinsicht etwas mehr Aufklärung gewünscht, und weniger Fehler.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.11.2007

Als "strenge Selbstbefragung" und "schonungslose Auseinandersetzung mit dem historischen Erbe des sozialistischen Projekts" hat das "feinsinnige" Erinnerungsbuch dieser weiblichen intellektuellen Galionsfigur Italiens Rezensentin Jessica Kraatz Magri außerordentlich beeindruckt. Aber auch als ebenso dezidierter wie differenzierter Versuch, "ein kommunistisches Gedächtnis zu verteidigen". Kraatz Magri beschreibt das Buch als "Gedächtnisreise" einer 1924 geborenen Frau aus bürgerlichen Verhältnissen, die zur Marxistin und kommunistischen Politikerin wird. Rossana Rossandas Ton sei intim, ihre Sprache glasklar. Überzeugen kann sie die Rezensentin auch mit ihrer Einschätzung der Bedeutung der italienischen KP für die demokratische Entwicklung des Landes. Und mit ihrer Beschreibung der Partei als eines "trägen, intriganten, männerdominierten Machtapparats". Manchmal allerdings fürchtet die Rezensentin, sich im Dickicht der vielen genannten Personen und Ereignisse zu verlieren. Auch wirft diese Erinnerung für sie einige aktuelle Fragen auf, die unbeantwortet bleiben. Zudem wäre aus ihrer Sicht der deutschen Ausgabe ein ausführliches Glossar gut bekommen, denn die anhängende Chronik sei zwar nützlich, erfüllt ihr Informationsbedürfnis aber nur mäßig.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.11.2007

Mit großem Interesse hat Hans-Martin Lohmann die Memoiren der 1924 geborenen Rossana Rossanda gelesen, die früh Mitglied der Kommunistischen Partei Italiens (KPI) wurde, in der Resistenza gegen die Nationalsozialisten kämpfte und nach dem Krieg in der KPI Karriere machte. Die Erinnerungen der Politikerin, die später von der eigenen Partei ausgeschlossen wurde, weil sie unverändert an den früheren Idealen der KPI festhielt, stellen keine bittere Verurteilung ihrer Partei und auch keine "Selbstdiabolisierung", wie sie heute üblich ist, dar, meint der Rezensent. Dafür zieht sie unerschrocken die Summe aus ihrem politischen Leben, so der Rezensent beeindruckt. Das Buch bietet dabei nicht nur einen Blick hinter die Kulissen der KPI, sondern zeichnet auch eindrucksvoll die Geschichte der Nachkriegszeit in Italien und ihre Aufarbeitung des Faschismus nach, preist Lohmann. Das Glossar in der deutschen Ausgabe lobt der Rezensent als sehr hilfreich.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.10.2007

Das Vorurteil, dass Frauen sich aufrichtiger ihren Erinnerungen stellen, sieht Franziska Augstein durch die Memoiren der italienischen Kommunistin Rossana Rossanda bestätigt. So fällt der Rezensentin auf, wie schonungslos die Politikerin, die Ende der 1960er Jahre aus der italienischen Kommunistischen Partei ausgeschlossen wurde, weil sie nicht bereit war, deren sozialdemokratischen Umschwung mitzumachen, über eigene Fehler und Versäumnisse Auskunft gibt. Besonders fesselnd und anregend findet die Rezensentin die Stellen, wo Rossanda mit eigenen Erlebnissen Einblicke in die italienische Kultur gibt, und insgesamt hat sie die Lektüre des, wie sie zudem lobt, gut übersetzten Buches sehr genossen.
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