Silvia Szymanski

652 km nach Berlin

Roman. Mit CD
Cover: 652 km nach Berlin
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2002
ISBN 9783455076004
Gebunden, 208 Seiten, 21,90 EUR

Klappentext

Silvia Szymanski erzählt von Busfahrten, Familienfeiern, Freibadbesuchen, Wanduhren und vom Muff vergangen geglaubter Tage, der in seinen - nicht immer schönen - Farben und Tönen heraufbeschworen wird: Als die Erzählerin den Flohmarkt-Spezialisten Amir kennen und ein bisschen lieben lernt (mit nahezu durchgehaltener Dezenz), macht sie sich mit ihm auf, die konkreten Abgründe der Welt in Streifenfeld und Finkenrath zu erforschen - im Haus des alten Kulessa, das die beiden ausmisten. 652 km von Berlin entfernt spielt diese bizarre Familiengeschichte, vorgetragen in einem Tonfall, der zu Silvia Szymanskis Markenzeichen geworden ist. Und weil sie, wie man früher sagte, zu den künstlerischen Doppelbegabungen zählt, ist dem Roman eine CD beigegeben - mit Best-of-Szymanski-Texten und Aufnahmen ihrer Band.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.08.2002

Claus-Ulrich Bielefeld bespricht Sylvia Szymanskis Roman "625 km nach Berlin" durchaus anerkennend. Eine mittelalte Erzählerin erzählt aus ihrem Leben im Dorf Streifenfeld bei Aachen, und wie das in so kleinen Orten eben ist, gibt es viel Bitterböses zu bemerken, was die Erzählerin mit viel Sprachwitz und einer hervorragenden Beobachtungsgabe auch tue, so der Rezensent. Der Tonfall wechsele dabei zwischen aufgeregt und dann wiederum fast sanft, was durchaus zum Lesevergnügen beitrage. Dennoch sieht sich Bielefeld am Ende seiner Rezension gezwungen festzustellen, dass das kleine Dorf nicht unbedingt nur für die Erzählerin, sondern gleichzeitig auch für Leser und Autorin ein wenig eng werde.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.05.2002

Meilenweit entfernt - oder genauer gesagt, 652 Kilometer - sieht Tobias Rüther Szymanskis Erzählung aus der deutschen Provinz vom "gängigen Einerlei der neueren Berlin-Prosa". Die niederrheinische Provinz ist nämlich tief, dunkel, verstörend, das Glück "suspendiert", schreibt Rüther in seiner Kurzkritik. Das provinzielle Dasein beschreibe Szymanski in einer einfachen alltäglichen Sprache, die eine seltsame "Spannungsruhe" ausstrahle, so Rüthers Formulierung. Unter der Oberfläche lauert Abgründiges, schließen wir, und Abgründe haben für die Ich-Erzählerin ein besondere Faszination, berichtet der Rezensent. Die "652 Kilometer nach Berlin" sind Silvia Szymanskis vierter Roman, die Autorin habe ihren Ton gefunden und wisse ihn zu halten, lobt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 30.03.2002

Mit Berlin hat dieser Roman eigentlich gar nichts zu tun, berichtet Katharina Rutschky, allenfalls nur, weil die 1958 geborene Silvia Szymanski auch mit diesem vierten Buch zum Ausdruck bringt, dass das Leben in Deutschland nicht nur in der Hauptstadt stattfindet, überlegt die Rezensentin. In diesem neuen Roman geht es einmal mehr um das Leben in der Provinz, im Grenzgebiet von Aachen. Da lebt Sophia, die Ich-Erzählerin, die sich in den Türken Amir verliebt, zwar etwas "in der Luft hängt", aber trotzdem "treu" zu ihrer Familie und zu ihrer Umgebung steht, referiert die Rezensentin. Die Geschichte sei leicht zu lesen, aber trotzdem komplex, meint Rutschky, die Szymanski für ein "großes Talent" hält, aber trotzdem auch Kritik übt. So sei die Perspektive der Ich-Erzählerin doch etwas "gemütlich" und "kunstlos". Außerdem zerfalle das Buch in 17 Kapitel, die dann noch mal in kleinere "Bröckchen" zerlegt werden, was letztlich zu einem "unruhigen Seiten-Layout" führe. Die beigelegte CD mit "Jazz und Lyrik" und der Stimme Szymanskis sollte der Leser besser ignorieren. Nichts gegen das Buch und nichts gegen Szymanski, betont Rutschky, aber lesen könne die Autorin nicht und die Musik könne man auch getrost vergessen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.03.2002

Riecht ein wenig ramschig, das Buch im Doppelpack mit "eingepappter CD" zum Preis von einem. Riecht aber bloß so, meint Ulrich Noller, ist eigentlich was ganz Besonderes. Weniger auf die diesmal eher am Rande befahrene Porno-Schiene der Autorin spielt der Rezensent da an als vielmehr auf die "Ästhetik der Provinz", die Szymanski schon eine ganze Weile, wenn auch bislang eher am Rande, kultiviert und die in diesem Buch laut Noller nun mit "Dingen, Passanten und Landschaften" ins Zentrum rückt. Migranten vor allem seien die Helden dieser Ästhetik, Menschen jenseits der Hochglanz- Welt, die Szymanski allerdings nicht sozialkritisch, sondern "rein ästhetisch" betrachte. Und das geht gut? Aber Noller schwört drauf.