Susanne Lüdemann

Metaphern der Gesellschaft

Studien zum soziologischen und politischen Imaginären
Cover: Metaphern der Gesellschaft
Wilhelm Fink Verlag, München 2004
ISBN 9783770539895
Kartoniert, 214 Seiten, 26,90 EUR

Klappentext

Gegenstand des Bandes sind rhetorische Strategien, speziell Gesellschaftsmetaphoriken in soziologischen und sozialphilosophischen Texten. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Metaphern der Gesellschaft als Organismus und als Vertragsverhältnis ("Gesellschaftsvertrag"), deren Antagonismus sich von der griechischen Antike bis in die jüngsten Verzweigungen der Kommunitarismusdebatte verfolgen läßt. Im Hauptteil werden Schlüsseltexte der sozialphilosophischen (Platon, Aristoteles, Paulus, Hobbes) und soziologischen (Durkheim, Tönnies) Überlieferung daraufhin untersucht, wie die genannten Leitmetaphern das durch sie konnotierte Bild der Gesellschaft produktions- und rezeptionsästhetisch modellieren. Vorbereitet wird dieser historische Längsschnitt durch einen einleitenden wissenschaftstheoretischen Teil, der figuratives Sprechen als ebenso ideologisches wie irreduzibles Element gesellschaftstheoretischer Texte nachweist und damit einen Begriff des sozialen Imaginären exponiert, den die Lektüren des Hauptteils exemplifizieren. Den Abschluss des Bandes bilden "Meditationen zur Biopolitik".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.06.2005

Eine "mit allen metapherntheoretischen Wassern gewaschene Lektüre einiger zentraler Texte des westlichen Gesellschaftsdenkens" findet Martin Saar in Susanne Lüdemanns Untersuchung zentraler Bilder- und Metaphern für das Abstraktum Gesellschaft. Die Autorin mache in der abendländischen Geschichte der Theorien und Metaphern des Sozialen zwei Urmodelle ausfindig: das des Organismus und das des Vertrages. Sie zeige, dass schon die klassischen antiken Gesellschaftslehren Bilder vom einheitlichen sozialen und politischen Körper entwickelten, die im christlichen Denken mit der Denkfigur vom Leib Christi überblendet wurden. Noch die frühen Soziologen griffen auf biologische Metaphern zurück, um die "gesellschaftliche Ordnung als Naturzusammenhang" (Lüdemann) darzustellen. Im Blick auf das zweite Modell liefere Lüdemann eine exemplarische Hobbes-Interpretation, um schließlich, an Agamben anknüpfend, den Gedanken einer Biologisierung der Politik wiederaufzunehmen. Saar bescheinigt Lüdemann ein "hohes methodisches Niveau". "Bedauerlich" findet er allerdings, dass die Frage nach der Möglichkeit anderer, nicht mehr biologistischer oder im schlechten Sinn holistischer Gesellschaftsmodelle offengelassen werde. "Zweifelhaft" erscheint ihm zudem, ob die Alternative zwischen Organismus- und Vertragsmodell erschöpfend ist. Kritisch merkt er abschließend an, dass der Blick auf die soziale Gegenwart und ihre Selbstbilder zu kurz kommt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.01.2005

"Jede Gesellschaftstheorie führt ihre Ikonografie mit sich", hat Michael Pawlik von Hans Blumenberg gelernt, und bei Susanne Lüdemann hat er nun nachgelesen, dass dieser Satz auch für die Klassiker der Soziologie - Durkheim, Tönnies - gilt, die insbesondere die "Organismusmetapher" immer wieder bemüht haben, um ihre Analysen zu illustrieren. Doch Lüdemanns Studie ist nicht nur eine Bestandsaufnahme, sondern auch eine Kritik: "So unterschiedlich die Erscheinungsformen des organologischen Denkens in der Soziologie sind, vor Lüdemanns Augen finden sie keine Gnade." Sie bevorzugt die "Metapher des Gesellschaftsvertrags" und beruft sich dabei auf Hobbes. Denn erstens sei die Vertragsmetapher nicht holistisch und harmonisierend und konstatiere keine prä-soziale Harmonie wie die Organismusmetapher. Und zweitens suggeriere sie keinen Naturzustand, sondern offenbare das Konstrukthafte gesellschaftlicher Entwürfe. Klingt schön und rund, meint Pawlik - aber: Erstens ist ausgerechnet Hobbes als Gewährsmann gegen das organologische Denken ungeeignet, zweitens enthält die Organismusmetapher die Drohung der Auflösung durch den Tod (und ist mithin nicht harmonisierend), und drittens tut heute ohnehin kein Gesellschaftstheoretiker mehr so, als ob seine Konstruktion ihre Gültigkeit direkt von der Natur verliehen bekommt, Metapher hin oder her. Die Vertragsmetapher ist jedenfalls, so Pawlik, der "Komplexität sozialer Gebilde" nicht gewachsen. Fazit: "So bedeutsam die Erhellung des metaphorischen Untergrundes unseres Denkens ist, sie ersetzt nicht den Kampf mit den Begriffen. Lüdemann hat nur die halbe Arbeit erledigt."
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