Thomas Steinfeld

Der leidenschaftliche Buchhalter

Philologie als Lebensform
Cover: Der leidenschaftliche Buchhalter
Carl Hanser Verlag, München 2004
ISBN 9783446205505
Gebunden, 246 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Thomas Steinfeld erforscht eine typisch deutsche Leidenschaft: die hohe Schule des Sammelns, Ordnens und Bewahrens. Einst war sie der Stolz der deutschen Universität - heute wird diese Wissenschaft von Amateuren gepflegt, die sich für die Sensationen des Alltags interessieren: Sport, Musik, Film. Kein Gebiet der populären Kultur, das nicht von seinen Fans philologisch erschlossen wäre.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.03.2005

Der Autor, im Leben leitender Redakteur beim Feuilleton der Süddeutschen Zeitung, gehört zu den Kritikern, die sich mit dem Rezensieren von Büchern nicht zufrieden geben. Er schreibt Bücher, er betreibt "kulturkritische Bohrungen", wie Wolfgang Schneider es nennt. Die neueste Bohrung betrifft die "Philologie als Lebensform", die weit über die Literatur hinaus in der Pop-Kultur Wiederauferstehung feiere, fasst Schneider die zentrale These Steinfelds zusammen. So manchen Beleg für diese These - wie die Sammelmanie vieler Popfans oder die Einflussforschung im gehobenen Pop-Feuilleton - hält der Rezensent allerdings für "ein wenig erschlichen". Auch Steinfelds Zurschaustellen detaillierten popkulturellen Wissens findet er etwas "prätentiös". Steinfelds Ausführungen über das Philologen-Handwerk im ursprünglichen Sinne dagegen seien im historischen Teil sehr kenntnisreich. Der Grundton des Buches ist eher klagend, aber laut Steinfeld sei ja auch die Philologie als prinzipiell nachbetrachtende Disziplin "keine fröhliche, sondern eine melancholische Wissenschaft".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 24.02.2005

Dieter Borchmeyer hat zwei Bücher gelesen, die angetreten sind, der wachsenden Geringschätzung der Philologie eine "Liebeserklärung" an das Fach entgegenzusetzen. Thomas Steinfeld plädiert in seinem Essay für eine Rückkehr zur positivistischen Literaturwissenschaft und stellt ein "Lobpreis der reinen, verehrenden, sammelnd-bewahrenden Philologie" dar, bemerkt der Rezensent. Die Philologie als Universitätsfach habe laut Autor ihre "dominierende Rolle" verloren und sei in die "Alltagskultur" abgewandert, fasst der Rezensent zusammen. Ihm will dieses engagierte Plädoyer zwar etwas altmodisch erscheinen, doch gibt er zu, dass er sich von seinem "konservativen Charme" durchaus "bezaubern" lässt. Deshalb empfiehlt Borchmeyer dieses Buch als "Pflichtlektüre" für angehende Philologen, auch wenn er so manche These reichlich "kurios" findet, und er bekennt, trotz gelegentlichem "belustigten oder missmutigen Kopfschütteln" den Essay mit Genuss gelesen zu haben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.12.2004

Thomas Steinfeld lobt den Dilettanten, den Fan, den "autodidaktischen Buchhalter und Sachwalter der Objekte seiner privaten Lust" - er gilt ihm als wahrer heutige Vertreter der Philologie, wie sie das 19. Jahrhundert kannte. Das, so der Rezensent Roman Luckscheiter, ist aber nur der Aufhänger, denn Steinfeld geht es eigentlich nicht ums Loben, sondern um die Kritik: "An den geisteswissenschaftlichen Fakultäten wittert der Autor den wahren Dilettantismus, seit dort der Positivismus der Spekulation gewichen sei und jeder untersuche, was er wolle." Dabei habe Steinfeld ja gar nicht komplett unrecht, wenn er auf die vernachlässigten "Kernaufgaben der gründlichen Textarbeit" verweist. "Doch die partielle Legitimität der Klage wird konterkariert durch ihren vollmundigen Deutungsanspruch, basierend auf haltlosen Verallgemeinerungen und hämischer Selbstgerechtigkeit", moniert Luckscheiter. Und die letzte Bastion der wahren Philologie ist Steinfeld zufolge das Feuilleton, wo er selbst tätig ist. Fazit: Das ist unbefriedigend und müffelt nach Selbstlob.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.10.2004

Was ist Thomas Steinfelds Problem, fragt sich Hans Ulrich Gumbrecht, der sehr ungnädig mit dem ehemaligen Literaturchef der FAZ umspringt. Ist er "betriebsblind"? Oder jammert er einfach nur gerne? Warum führt er die Leidenschaft für Bücher schon im Titel und schreibt dann so verzagt und verquast, bis der "nach Luft ringende Leser ... viel zu heftig atmet, um wenigstens für Steinfelds Stil prägnant beschreibende Wörter zu finden". Keine Prägnanz, noch nicht einmal ein Thema. Denn die "bei jedem Schussversuch neu krepierenden Pointe, dass eine allgemeine Sammler- Leidenschaft mittlerweile die Philologie ersetzt habe" könne es ja wohl nicht sein. Und für so was Einfaches wie einen Grundriss der Philologie fehlt dem Buch die Geradlinigkeit. Schließlich muss Steinfeld seine "vielfältigen Meinungen und Lesefrüchte" alle unterbringen. Gumbrecht, der lieber darauf verzichtet hätte, zieht also sein lästerliches Fazit: "Was so am Ende durchkommt, wirkt wie ein sehr nervender Quengelton, ein Sound, der selbst das noch klagend und verzagt vorstellt, was eigentlich Steinfelds Leidenschaft ist."
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