Tilman Rammstedt

Der Kaiser von China

Roman
Cover: Der Kaiser von China
DuMont Verlag, Köln 2008
ISBN 9783832180744
Gebunden, 192 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Keith Stapperpfennig kommt aus einer einzigartigen Familie. Von der Mutter weiß er wenig, vom Vater gar nichts. Zusammen mit vier vermeintlichen Geschwistern wuchs er beim Großvater auf - mit immer neuen, immer jüngeren Großmüttern. In eine von ihnen hat Keith sich selbst verliebt. Zum Achtzigsten schenken die Enkel ihrem Großvater eine gemeinsame Reise an ein Ziel seiner Wahl. Als er sich China wünscht, will keiner ihn begleiten - am Ende bleibt es an Keith hängen. Der lehnt sich zum ersten Mal im Leben auf, verjubelt das Reisegeld und lässt den Großvater alleine ziehen. Doch dann bekommt Keith von der jüngsten Großmutter einen Anruf, sein Opa sei im Westerwald gestorben. Er muss eine Geschichte aus dem Hut zaubern, die den Geschwistern glaubhaft macht, die Reise habe stattgefunden - und erfindet sein eigenes China. Doch je weiter sich Keith in seine Lügen verstrickt, desto deutlicher wird, dass er nicht als Einziger die Unwahrheit sagt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.04.2009

Beinahe wäre Samuel Moser dem "Sog" dieses Romans von Tilman Rammstedt erlegen, der bereits die Juroren des Klagenfurter Literaturwettbewerbs begeistert hat. Keath, der Erzähler dieses Romans, soll seinen Großvater auf eine Chinareise begleiten, lässt diesen aber allein abreisen und schreibt stattdessen fingierte Briefe, in denen er sich und den Großvater als "schrulliges Paar" auf touristischen Pfaden inszeniert, erklärt der Rezensent. Als vielleicht "banal", aber durchaus tragend würdigt Moser die Erzählstrategie, die Lüge als "wahrhaftiger" als die Wahrheit erscheinen zu lassen. Dieser Reiseroman, der tatsächlich die Suche des Erzählers nach sich selbst und seinem Großvater darstellt, wie der Rezensent aufklärt, besticht zwar durch sein rasantes Erzähltempo, seine stilistische Brillanz und seine raffinierte Konstruktion, wie er einräumt. Irgendwann aber meint Moser hinter diesen Vorzügen allzu deutlich die "gutgeschmierte Satzmaschine" wahrzunehmen, der es vor allem darum geht zu unterhalten, und das ist dem Rezensenten anscheinend nicht genug.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.12.2008

Kristina Maidt-Zinke mag nicht vorbehaltlos einstimmen in den Chor derer, die Tilman Rammstedts Roman "Der Kaiser von China" in den Himmel jubeln. Sie zeigt etwas mehr Zurückhaltung gegenüber dem diesjährigen Bachmann-Preisträger, ohne dessen Roman schlecht zu machen. Die "sprühende Rasanz" und die "brüllende Komik", die dem Werk attestiert werden, hat sie allerdings nicht wahrgenommen. Dessen Qualitäten lassen sie eher an das "stillvergnügte Grinsen der einst als Nippes beliebten, kopfnickenden Pappchinesen" denken. Anfänglich hat sie sich gar ein wenig schwer getan, in die Geschichte zu finden, scheint ihr doch gerade der Auftakt recht konstruiert. Gefallen hat sie besonders an der Figur des skurrilen Großvaters gefunden. Die Trauer, Gewissensbisse und Großvaterliebe, die dessen Lieblingsenkel Keith, der nicht mit nach China reisen wollte, nach dem Tod des Großvaters quälen, findet Maidt-Zinke "menschenfreundlich und melancholisch-heiter" umgesetzt. Keiths Affäre mit Franziska wirkt auf sie dagegen eher farblos und bemüht. Gleichwohl bescheinigt sie dem Autor Fabuliertalent, das sich besonders im fingierten Tagebuch aus China entfaltet. Hier, wo Rammstedt "hemmungslos erfindet, dick aufträgt, trickst und jongliert", sieht sie die Stärken des Buchs.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.12.2008

Mit der Anfangspassage seines Romans "Der Kaiser von China" hat Tilman Rammstedt beim Klagenfurter Wettbewerb nicht nur den Bachmann-Preis gewonnen, sondern auch den Publikumspreis - und nach Wiebke Porombkas Dafürhalten absolut zu Recht. Urkomisch erzähle Rammstedt von Keith, der seinem Großvater zwar versprochen hatte, ihn auf eine Reise nach China zu begleiten, sich aber, als es losgehen soll, unterm Tisch versteckt. Der Großvater zieht allein los, kommt aber gerade einmal bis in den Westerwald. Keith bleibt unterm Schreibtisch. Angedrehten "Pointenschrauben" und "Witzgewittern" hat Porombka standgehalten und wurde schließlich mit der Erkenntnis belohnt, dass Rammstedt kein lustiges Buch geschrieben hat, sondern einen berührenden, einen "herzzerreißend komischen" Roman über das Abschiednehmen und das Erwachsenwerden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.10.2008

Anja Hirsch ist richtig angerührt von diesem Roman, in dem der diesjährige Ingeborg-Bachmann-Preisträger Tilman Rammstedt von Keath erzählt, der das Geld für eine China-Reise des Großvaters veruntreut hat und nun fingierte Briefe aus China für die Familie schreibt. Kein abgrundtief trauriges, sondern ein melancholisch-komisches "Requiem", setzt sich das Buch aus den skurrilen Nachrichten aus der Ferne, Keath' Erinnerungen und allerlei Nebengeschichten um die verwickelten Familienverhältnisse zusammen, so die Rezensentin, die allerdings feststellen muss, dass die vom Enkel zusammengeflunkerten Reiseerlebnisse wesentlich authentischer wirken als die erzählte Realität. Manches Geschichtchen schlägt der geneigten Rezensentin überhaupt etwas zu sehr über die Stränge und sie merkt auch an, dass nicht alle Nebenfiguren von der Plastizität sind, die sie an der Figur des Großvaters begeistert. Trotzdem ist sie insgesamt hingerissen von diesem Roman, aus dem sie besonders die zwischen den Zeilen stehende "gegenseitige Fürsorge" des grantelnden Großvaters und seines betrügerischen Enkels ans Herz gegangen ist.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.10.2008

Rezensent Oliver Jungen ist begeistert von Tilman Rammstedts "Der Kaiser von China", "einer Liebeserklärung an die Phantasie", bei der man "Tränen lacht". Der Roman dreht sich um eine Reise nach China, die die Enkel ihrem Großvater vor dessen Tod schenken und zu der es nicht mehr kommt, weil Keith, der Lieblingsenkel, sich gegen die Reisepläne wendet, woraufhin der Großvater verschwindet und Postkarten aus einem imaginären China schickt, bis er im Westerwald stirbt. Keith, den Tod verleugnend, schreibt nun seinen Geschwistern Briefe, in denen er die gemeinsame China-Reise erfindet. Jungen fasziniert die Stringenz und Kunstfertigkeit, mit der die erfundene Reiseerzählung die Geschichte unterwandert und so langsam selbst zur eigentlichen Geschichte wird. Der Rezensent wird geradezu mitgerissen von dem temporeichen und phantasievollen Roman, den er zutiefst menschlich findet und angesichts seiner durchaus "brachialen" Komik auch "ganz und gar undeutsch".
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