Ulrich Bröckling

Postheroische Helden

Ein Zeitbild
Cover: Postheroische Helden
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518587478
Gebunden, 277 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Heldenfiguren gelten heute als suspekt: zu viel Pathos, zu viel Männlichkeitsausdünstungen, zu viel moralischer Zeigefinger. Wir leben, heißt es, in postheroischen Zeiten. Gleichzeitig hat sich die Faszination von Heldengeschichten nicht erschöpft, ja, der Fragwürdigkeit heroischer Vorbilder steht ein schier unstillbarer Heldenhunger gegenüber, der reichlich bedient wird. Lebensretter werden ebenso heroisiert wie Klimaaktivistinnen und Whistleblower, Superhelden bevölkern Filme und Computerspiele, und der Spitzensport liefert kontinuierlich heroisierbares Personal. Mit der globalen Konjunktur populistischer Führergestalten kehren schließlich Heldendarsteller auch auf die politische Bühne zurück. Ulrich Bröckling nimmt diese Gleichzeitigkeit heroischer und postheroischer Leitbilder zum Anlass, den Platz des Heroischen in der Gegenwartsgesellschaft auszuloten. Dazu zeichnet er die Reflexionsgeschichte des Heroismus in der Moderne nach, besichtigt das Figurenkabinett zeitgenössischer Heldinnen und Helden und fragt nach den affektuellen und normativen Dimensionen von Heldenerzählungen sowie nach den Aspekten ihrer Relativierung und Verabschiedung. Sein Fazit: Der Held lebt. Aber unsterblich ist er nicht! Warum das eine gute Nachricht ist, zeigt dieses Buch.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.03.2020

Sehr instruktiv und sehr sympathisch findet der der Soziologe und Rezensent Andreas Reckwitz die Ausführungen des Freiburger Kultursoziologen Ulrich Bröckling zum Heroischen in der Spätmoderne. Interessant findet Reckwitz, wie der Autor die Figur des Helden in Literatur, Psychologie und Militär durchdekliniert und dabei erkennt, dass es das heldische nur noch in kleiner Münze gibt, im Alltag oder im Comic. Für Bröckling, erklärt Reckwitz, bildete sich das Heroische nicht in objektiven Handlungen, sondern erst in der Heldenerzählung. Dass Bröckling schließlich in der Heroisierung des Einzelnen eine Herrschaftstechnologie sieht, weil die Figur des Helden nur das Außergewöhnliche und die individuelle Tat kennt, aber nicht das kollektive Handeln, leuchtet dem Rezensenten ein.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.03.2020

Rezensent Harry Nutt findet Ulrich Bröcklings Sicht auf Helden im postheroischen Zeitalter zeitgemäß. Der Soziologe beschreibt das Heldentum heute als widersprüchlich und ironisch gebrochen und erläutert Nutt die Unterschiede zum "postheroischen Manager" oder Politiker a la Merkel mit "moderierendem Führungsstil". Dass wir noch immer Heldengeschichten brauchen, vom mutigen Piloten oder der Alltagsheldin im Pflegeheim, hängt laut Bröckling mit dem Wunsch nach einer "irritationsfreien Idee" von der Gesellschaft zusammen, schreibt Nutt. Über die darin lauernden Gefahren lässt der Autor den Leser nicht im Unklaren, sondern schlägt vor, Heldengeschichten mit anderen Geschichten zu unterlaufen und "kaputtzudenken", erläutert Nutt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.03.2020

Rezensent Stephan Speicher scheint etwas enttäuscht von Ulrich Bröcklings Helden-Studie. Was der Kulturanthropologe über das Heldentum zu sagen hat, verrät laut Speicher deutlich seine eher negative Einstellung dazu. Dass der Held antidemokratisch, weil elitär ist, solche Aussagen findet Speicher eher wohlfeil. Da, wo es für den Rezensenten wirklich interessant wird, bei der Frage, wie sich der Held in Geschichte, Kunst und Populärkultur verhält, bleibt ihm Bröckling zu allgemein, und oft stimmt auch das Gegenteil von dem, was der Autor behauptet, meint er. Bröcklings Held ist flach, stellt Speicher ernüchtert fest. Vielleicht liegt das ja auch daran, dass der Autor vor allem aus der Sekundärliteratur berichtet, vermutet er.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 13.02.2020

Rezensent Michael Opitz freut sich über das Wort "kaputtdenken", das Ulrich Bröckling am Ende einführt für den Umgang mit Leuten und Konzepten, die das Heldische nicht aufgeben wollen. In seinem "gut lesbaren, aber anspruchsvoll geschriebenen" neuen Buch führt uns Bröckling zunächst die alten Helden vor, so Opitz, und benutzt Hegels Definition der "Einbettung" des Individuums in die gesellschaftlichen Institutionen als Wendepunkt für neue bzw. Antihelden der Neuzeit und Moderne. Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg ist das Konzept des Heldischen jedoch völlig desavouiert, referiert Opitz. Es existierte eine Zeit lang noch als ein nach Innen gerichtetes, heimliches Heldentum, erfahren wir, bis schließlich im Manager-Speak der Achtziger Jahre das "Postheroische" seinen ersten Auftritt hatte. Alles das ist für den engagierten Kritiker wahrhaft "erhellend" - und besonders angetan hat es ihm, wie gesagt, das Denken, das zur Zerstörung eines kriegerischen Begriffs führen kann.