Victor Conzemius

Schweizer Katholizismus 1933-1945

Eine Konfessionskultur zwischen Abkapselung und Solidarität
Cover: Schweizer Katholizismus 1933-1945
NZZ libro, Zürich 2001
ISBN 9783858238795
Gebunden, 696 Seiten, 54,71 EUR

Klappentext

Die Diskussion um das Verhalten der Schweiz zur Zeit des Faschismus und Nationalsozialismus berührt auch die Kirchen. Haben sie grossmütig oder engherzig gehandelt, haben sie Mut bewiesen oder eigennützig taktiert, haben sie sich in tätiger Nächstenliebe geübt oder die Augen vor dem Holocaust und dem Flüchtlingselend verschlossen? In diesem Buch geht es nicht um Pauschalisierungen und vorschnelle Antworten. Vielmehr wird versucht, das komplexe, tabubelastete Thema wissenschaftlich fundiert und differenziert anzugehen. 15 ausgewiesene Experten sind unter der Ägide des renommierten Kirchenhistorikers Victor Conzemius daran gegangen, die Rolle des Schweizer Katholizismus in den dreissiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu durchleuchten.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 31.12.2003

Die Selbstbefragung der Schweizer Katholiken zu ihrer Vergangenheit während des Zweiten Weltkrieg hat eigentlich erst in den siebziger Jahren eingesetzt, berichtet Peter Stadler und sieht darin einen Grund für den überraschenden Erfolg dieses Bandes, der nun schon nach einem Jahr eine Neuauflage erfährt. Insgesamt 25 Beiträge enthält der Sammelband, drei stammen vom Herausgeber selber, so Stadler. Ein einziger Text ist von einer Frau verfasst worden, hebt der Rezensent hervor und weist das Argument als schwach zurück, Frauen spielten in der katholischen Kirche nun mal keine Rolle. Zwei Punkte hebt Stadler hervor: 1. das Erstarken des Weltkatholizismus nach dem Ersten Weltkrieg, das selbst in einem von Protestanten dominierten Kanton wie Bern zu einer katholischen Mehrheit führte, 2. die verschieden abgestuften Ablehnungsmodelle der katholischen Kirche gegenüber dem Totalitarismus. Völlig ablehnend, wenn nicht geradezu hysterisch, meint Stadler, blieb man gegenüber dem Kommunismus, während der italienische Faschismus anfangs sogar begrüßt und dem deutschen Nationalsozialismus mit Misstrauen begegnet wurde. Auch das Tabu des katholischen Antijudaismus wird ausführlich behandelt, lobt Stadler, ein Thema, das selbst in den 50er Jahren noch virulent gewesen sei.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.10.2001

Der renommierte Kirchenhistoriker Victor Conzemius hat mit dem vorliegenden Buch ein wahres Schlüsselwerk herausgegeben, in dem der Herausgeber und rund 20 Mitautoren die Rolle der Katholischen Kirche in der Schweiz während der Zeit des Nationalsozialismus kritisch beleuchten, berichtet Georg Kreis. Politische, kirchliche, geistige und caritative Aspekte der Abkapselung, Anpassung und Solidarität der Kirche gegenüber der Flüchtlingspolitik des Schweizer Staates würden hier erstmals in einer stattlichen Ausgabe präsentiert. Die hatte, informiert der Rezensent, die Römisch-Katholische Zentralkommission 1997 in Auftrag gegeben, um sich endlich den bereits Mitte der sechziger Jahre erhobenen Vorwürfen, die Katholische Kirche habe die Judenverfolgung hingenommen und sich nicht für Flüchtlinge eingesetzt, zu stellen. Deutlich wird, so Kreis, dass der Vatikan bis heute trotz einer längst abgelaufenen Sperrfrist immer noch mit "fadenscheinigen Begründungen" wesentliche Dokumente aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 zurückhält und auch die Caritas eine eher unrühmliche Rolle gespielt hat. Die hatte sich, schreibt der Rezensent, die rassistischen Kategorien der Nazis zu eigen gemacht und unterschied 1940 zwischen "arischen", "halbarischen" und "nichtarischen" Flüchtlingen. Die Vorwürfe, die Kirche habe der "Rückschaffung tödlich bedrohter Menschen still-schweigend oder still-nickend" zugeschaut, müsse man, so der Rezensent in seinem Fazit, leider aufrechterhalten.