Magazinrundschau - Archiv

Collectors Weekly

6 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 23.11.2021 - Collectors Weekly

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Der aus Deutschland stammende, im Südkalifornien der 20er und 30er arbeitende Architekt und Möbeldesigner Jock Peters ist heutzutage kaum mehr bekannt und war es wohl auch zu seiner Zeit nicht unbedingt. Am bekanntesten ist heute sicher sein Innendesign für die Parfümerie im Bullocks Wilshire Gebäude in Los Angeles, die oben im Bild zu sehen ist. Daneben entwarf er Sofas, Bücherregale, Filmsets für kleinere, heute vergessene (oder gar nicht erst entstandene) Hollywoodproduktionen und Reihenhäuser, die dem Geschmack der zu Geld gekommenen Hollywood-Bohème der 20er schmeichelte. Seine Einflüsse sind vielfältig, sie reichen vom Art Deco eines Frank Lloyd Wright bis hin zu Wurzeln aus der Märchenwelt seiner deutschen Heimat. Ein neuer, großer Band des Architekturprofessors Christopher Long begibt sich nun auf die Spurensuche, der sich Ben Marks gerne anschließt. Zu entdecken gibt es zwar keinen Meister, der bei der Kanonbildung übergangen wurde, aber eben doch einen interessanten und typischen Zeitgenossen. "Peters bediente sich großzügig bei den Wrights, bei Mendelsohn und Gill und variierte dann so, wie es ihm gefiel. 'Er entwickelte nie eine völlig eigenständige Sprache', erzählt Long, 'Er probierte einfach dies, dann das, schuf Kombinationen zweier Dinge, nur um sie zu reduzieren oder weiterzuentwickeln. Das war beim Design immer seine Arbeitsweise.' ... Jock Peters' Arbeit und Karriere illustrieren wie fluide der Modernismus in seiner Wiege noch gewesen ist und erinnern daran, dass ein Großteil jener Architektur, die wir heute als zur Form gereift wahrnehmen, so wahrscheinlich nicht begonnen hat. Peters Karriere bekräftigt darüber hinaus auch den kulturellen Kontext des Modernismus. Er nährte sich nicht aus der abgeschiedenen Welt der Architektur, sondern aus zahlreichen Quellen, inklusive Hollywood und der Werbung für den Einzelhandel."

Magazinrundschau vom 05.05.2020 - Collectors Weekly



Ben Marks porträtiert den Grafikgestalter Randy Tuten, der in den 60ern und 70ern mit seiner ganz spezifischen Ästhetik den Look von Rockkonzert-Plakaten entscheidend prägte: Während viele seiner Berufskollegen sich in der Surf- und Autokultur bedienten oder in der Kunst- und Kulturgeschichte wilderten, "fand Tuten seine Inspiration auf Bierflaschen. 'Bierflaschen hatten einfach tolle Grafiken', erzählt er mir und bezieht sich dabei auf die ausgeklügelten Schriftzüge, die dekorativen Umrandungen und die verwegene Bildsprache auf den Etiketten, die während der Prä- und Post-Prohibitionszeit auf die Seiten der Bierflaschen aufgeklebt wurden. Auch war Tuten ein Fan der Etiketten auf Obstkisten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Monsterfilmplakaten aus den 50ern und Reisepostern aus derselben Zeit, insbesondere jenen, die Schifffahrtslinien und Reisen auf exotische, tropische Inseln bewarben. 'Alles, was irgendwie gut aussah, beeinflusste mich', sagte er. Zwischen Bierflaschen aus der Zeit vor der Prohibition und Reisepostern aus den 50ern mögen Welten liegen, dennoch fanden Werbeästhetiken verschiedenster Sorten ihren Weg in Tutens Arbeiten. Insbesondere seine in den späten 60ern für den in San Francisco ansässigen Rockpromoter Bill Graham entstandenen Poster waren ungeheuer eklektisch - in der einen Woche zeigten sie eine sinkende, von Lettern aus der Zeit der Jahrhundertwende umrahmte Titanic, in der anderen eine Avocado mit Glotzaugen."

Magazinrundschau vom 03.04.2018 - Collectors Weekly

Zugegeben, Ben Marks' Artikel über einen riesigen Schatz von metallischen Druckplatten für historische Filmwerbung in Zeitungen ist etwas arg kleinteilig auf die Sammlerperspektive zugeschnitten. Eine interessante Facette zum amerikanischen Urheberrecht findet sich darin aber doch: Seinerzeit nach dem Druck oft entsorgt, bergen die Vorlagen heute die Möglichkeit, zahlreiche Vintage-Reklamemotive von Klassikern neu zu drucken - was natürlich Begehrlichkeiten weckt: "'Die Studios haben das Zeug nie urheberrechtlich registriert', sagt Filmplakat-Experte Rudy Franchi. Zwar haben sie ihre Filme registriert, führt er aus, doch nicht das Werbematerial, weil sie wollten, dass Zeitungen und andere Medien die frohe Botschaft in alle Richtungen verkündeten. Um es in heutigen Begrifflichkeiten auszudrücken: Die Studios wollten, dass der Vorab-Buzz ihrer Filme viral ging. Bekanntschaft mit dieser sonderbaren Ecke des Urheberrechts machte Franchi, als man ihn als Experten zu einem Verfahren hinzuzog, in dem es darum ging, dass ein Unternehmer alte Filmplakate nachdruckte. 'Das war massiv', sagt Franchi. 'Der Kerl verkaufte seine Re-Prints in Zehntausender-Auflage an Wallmart und Konsorten. Also haben die Warner Studios, die die Rechte am 'Zauberer von Oz' halten, Klage eingereicht.' Doch während der Prozessvorbereitungen lernte Warner die Grenzen der eigenen Rechte am 'Zauberer von Oz'. Unter anderem lernten sie, dass Filmplakate in der Vergangenheit nie unter Copyright veröffentlicht wurden, weil, wie Franchi es ausdrückt, 'das die Studios keinerlei Interesse an dem Copyright an einem Filmplakat hatten, weil dies verhindert hätte, dass das Plakat gestreut wird.' Kein Urheberrecht, kein Urheberrechtsschutz. Warner nahm Abstand von dem Fall, noch bevor die Sache vor Gericht landete."

Anlass für die Reportage bot im übrigen Adam Roffmans Kurz-Dokumentarfilm "The Collection" über die Druckplatten-Sammlung. Auf Vimeo steht der Film in voller Länge:


Magazinrundschau vom 06.02.2018 - Collectors Weekly

Mode ist eine Gefahr für Leib und Leben! Das könnte man jedenfalls als Fazit aus Lisa Hix' anekdotensattem Überblick über die Geschichte riskanter bis mörderischer Mode gewinnen. Ihre Einblicke verdankt sie dabei vor allem einem Buch von Jennifer Wright zum Thema. Wir erfahren unter anderem, dass Lewis Carrolls "Mad Hatter" insofern realistisch ist, als Hütemacher wegen des Bleis in ihren Werkstätten tatsächlich oft verrückt wurden und dass Winston Churchills Mutter wegen ihrer Stöckelschuhe ihr Leben ließ. Auch der Trend zur Hochhaus-Perücke konnte zum Problem werden: "Zumindest eine französische Hofdame stieß 1711 mit ihrer Fontange an den Kronleuchter und fing dabei Feuer, was ihren frühzeitigen Tod besiegelte. ... In England lancierte Georgiana Cavendish, Herzogin von Devonshire, um 1760 eine weitere hochriskante Perückenmode, als sie Frauen dazu ermunterte drei Fuß hohe, mit entzündlichem Tierfett behandelte Perücken zu tragen. Die Herzogin überlebte ihrerseits eine Kollision mit einem Kronleuchter nur knapp. Die Perücken waren auch schlicht eklig: 'Es dauerte sehr lange, diese Perücken zu konstruieren, die dann wochenlang getragen wurden', sagt Wright. 'Sie strotzten nur so vor Läusen. Die Aristokraten hatten kleine Stäbe, mit denen sie durch die Perücke hindurch ihre Köpfe kratzen konnten. Es gibt einen schauderhaften Vorfall, bei dem eine Frau herausbekam, dass sich eine Maus in ihrer Pracht häuslich eingerichtet hatte, die schließlich damit anfing, ihren Kopf anzunagen." Einen Eindruck davon bietet die satirische Gravur aus dem Jahr 1771 (Bild oben), die sich in den Beständen des British Museums findet.

Magazinrundschau vom 27.10.2015 - Collectors Weekly

In einem epischen Ritt durch die Geschichte, der einem nebenbei noch ein wenig die Funktionsweise von Synthesizern erklärt, erzählt Ben Marks, wie Dave Smith in den 70er Jahren an den Grundlagen für den Synthesizer arbeitete. Was heute als selbstverständlicher Bestandteil der Klangpalette von Pop und Techno gilt, war in den Pioniertagen noch eine schrecklich fummelige Angelegenheit: "Kurz gesagt, die Synthesizer des Jahres 1974 waren Mist. Gewiss, ihr Vintage-Appeal ist im Jahr 2015 beträchtlich, doch arbeiteten alle Synthesizer des Jahres 1974 monophonisch. Das bedeutet, sie konnten immer nur eine einzelne Note hervorbringen. Wenn man Wendy Carlos ist und es sich zur Aufgabe gemacht hat, auf dem Album 'Switched-On Bach' eine Komposition wie Johann Sebastian Bachs "Brandenburg Konzert No.3" unterzubringen, bereitete einem das enormes Kopfzerbrechen. Da ihr Moog monophonisch arbeitete, musste Carlos die Noten für alle neun Streichinstrumente des Konzerts - und auch den Cembalo-Teil - einzeln einspielen. Ja noch schlimmer: Carlos sah sich auch dazu gezwungen, jede einzelne Note in jedem Akkord jedes dieser Instrumente einzeln einzuspielen. Und als ob diese Beschränkung noch nicht nervig genug war, waren frühe Synthesizer, der Moog inklusive, berüchtigt schlecht darin, gestimmt zu bleiben. Was bedeutete, dass Carlos in Schüben arbeiten musste, die oft nicht länger als fünf Sekunden dauerten, bevor der Klang verfiel, den sie entdeckt hatte, indem sie den einen Regler in diese und den anderen Regler in jene Richtung bewegte. War ein sauberer Schub aufgenommen, wurde das Magnetband zurückgespult, synchronisiert und der nächste Schub in Echtzeit aufgenommen. Es war eine schmerzhafte Prozedur, die unzählige Takes beanspruchte." Hier das umso beeindruckendere Resultat:

Magazinrundschau vom 09.06.2015 - Collectors Weekly

Lange vor dem Internet versetzte bereits die Tapekultur der Herstellung und Distribution von Musik einen ersten Demokratisierungsschub. In einer atemberaubend umfangreichen, von enormer Detailkenntnis geprägten, vor allem aber ungeheuer fesselnd zu lesenden Reportage fasst Lisa Hix die Geschichte des ersten großen Tape-Undergrounds zusammen, in dem Nerds, Geeks und Außenseiter-Künstler ein vibrierend-vitales Netzwerk mit durchgeknallten Eigenkompositionen und sonderbaren Noise-Collagen schufen. Auch heute sehnen sich Hipster wieder nach der Haptik und Niedrigschwelligkeit des günstigsten physischen Datenträgers für Musik. Hix zitiert den Tapelabel-Betreiber McGee: "Es war einfach unvergleichlich, wenn man ein Tape von Zan Hoffman oder Minoy in der Post hatte. Wie oft im Leben gibt es einen Augenblick, in dem man sich sagt: "Himmel, das ist jetzt wirklich ein besonderer Moment." ... Es ist vielleicht dumm, das so auszudrücken, aber ich glaube, in der Landschaft des Internets wird Musik einfach nur zum Datenbrei. Bis zu einem Punkt, an dem sie keinerlei Eindruck mehr hinterlässt außer "okay, ganz toll, click." ... Der Austausch im Tape-Netzwerk der 80er Jahre mag rege gewesen sein, doch man schwamm auch in einem endlosen Meer aus Kassettenhüllen und Inlays. [Der Avantgarde-Komponist] Margolis sagt, dass es möglich war, auf Netzwerker zu stoßen, die noch nie mit jenen Leuten Tapes getauscht hatten, mit denen man selber tauschte. "Mir schien es immer so, dass jeder, der in die Kassettenkultur involviert war, gerade mal die Spitze des Eisbergs sehen konnte und das auch nur von der eigenen Perspektive aus", stimmt [Sammler] Campau dem zu."

Dazu passend: Einige Ausschnitte aus William Davenports Dokumentarfilm "Noise Nation":