
Am 15. Januar starb im Alter von 74 Jahren der im rumänischen Siebenbürgen geborene Philosoph
Gáspár Miklós Tamás, einer der bedeutendsten und wohl letzten öffentlichen Intellektuellen Ungarns. András Hont, der mehr als zehn Jahre lang für
HVG die Artikel von Tamás redigierte,
erinnert sich an ihn: "Die Schaffenden, die jene Kultur, in die wir hineingewachsen waren, mit wer weiß welcher Farbprägung von einem Edelmetall dominierten, verlassen uns gerade. Jancsó, Makovecz, Esterházy, Zoltán Kocsis und jetzt Gáspár Miklós Tamás (zwischen den Geburtstagen des jüngsten und des ältesten liegen 30 Jahre und dennoch sind sie
klar abgrenzbar gegenüber der Epoche von Illyés, Ottlik und Bibó). Sie waren gleichzeitig Erschaffer und Vermittler, unter letzterem verstehe ich, dass sie Beschützer einer
vergangenen Bildung, ja Kultur waren. Zwar ist noch einigermaßen sichtbar, wer auf sie folgen könnte, es ist aber weniger sichtbar, wem die Neuen etwas übermitteln sollen. (…) Ich schrieb anfangs, dass ich nicht weiß, was genau vom Lebenswerk von TGM bleibt. Denn ich weiß nicht, wer ihn begreifen wird, und wer ihn überhaupt wird begreifen wollen."
Vor kurzem gab es noch ein
Interview mit
Gáspár Miklós Tamás, in dem er recht schwarz für die Zukunft Europas sieht: "Wo ich Faschismus sehe? Überall. Der Faschismus, insbesondere der Postfaschismus ist keine Diktatur im herkömmlichen Sinne. Er wird nicht vom Staat vollzogen, sondern von einer mit Gewalt und Ausgrenzung sympathisierenden Bevölkerung. Der Postfaschismus bringt diesen erschreckenden,
irrationalen Schwung in die öffentliche Sphäre, dessen wichtigstes Element die Diskriminierung ist - siehe die Migration, siehe Genderfragen."
Der aus Siebenbürgen stammende
Filmemacher Róbert Lakatos spricht im
Interview über die Situation der ungarischen
Filmemacher in Siebenbürgen: "Kinematografische Lehre gibt es hier, Filmproduktion nicht. Ein kleiner Teil der Filmstudenten bekommt irgendwelche Arbeiten bei den regionalen Medien, doch wir bilden vor allem
Fachkräfte für Budapest aus. Ergo sind wir Provinz, mit jener Frustration und dem teilweise falschen Überlegenheitskomplex, dass wir wohl Potential hätten für ein eigenes kulturelles Zentrum, doch fehlt dazu leider sowohl die wirtschaftliche als auch die politische Kraft. Tröstlich ist, dass rumänisch-ungarische Koproduktionen entstehen, in denen
auch wir Siebenbürger Ungarn eine kleine Lücke für uns finden können. (…) Unsere kulturellen Tradition auch im Film zu nutzen ist für mich wichtig, so wie dies in der Musik Béla Bartók und Mihály Dersch taten. Das ist meine Welt. Der Film 'Wessen Hund bin ich?' war eine Ausnahme, denn ich war sehr frustriert angesichts des politischen Abgrunds vor uns. Mein jetziges Filmprojekt ist ein altes, doch ich musste damit warten bis die in Westeuropa herrschende Erwartungswelle, wonach der osteuropäische Film aktuelle gesellschaftliche Probleme aufzuarbeiten hat, schwächer wurde. Grob ausgedrückt war der Westen nicht an unseren kulturellen Traditionen interessiert, sondern
an unserem Elend. Jetzt langweilt es sie hoffentlich, denn einige Beispiele zeigen, dass auch Filme, die kulturelle Traditionen thematisieren, Zugang finden."