Alice Cherki

Frantz Fanon

Ein Porträt
Cover: Frantz Fanon
Edition Nautilus, Hamburg 2002
ISBN 9783894013882
Gebunden, 352 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Andreas Löhrer. Mit einem Vorwort von Lothar Baier. Frantz Fanon (1925-1961) ist einer der hellsichtigsten Analytiker des Südens. Wie sein Zeitgenosse Che Guevara kam er als Arzt zu seiner revolutionären Laufbahn in einem fremden Land. Er gründete Afrikas erste psychiatrische Klinik und reiste als Sprecher der algerischen Befreiungsbewegung durch den schwarzen Kontinent. Sein Buch "Die Verdammten dieser Erde" wurde das "Kommunistische Manifest der antikolonialen Revolution" genannt. Alice Cherki hat Fanon gut gekannt. Sie hat in Algerien und Tunesien neben ihm als Psychiaterin gearbeitet und war wie er während des Algerienkrieges in der Befreiungsbewegung engagiert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.10.2002

Mit seiner 1961 veröffentlichten Schrift "Die Verdammten dieser Erde", zu der Jean-Paul Sartre das Vorwort beisteuerte, wurde Frantz Fanon zur "Revolutions-Ikone" der Studentenbewegung, erinnert sich Klaus-Georg Riegel, Soziologieprofessor aus Trier. Nun hat die Psychotherapeutin Alice Cherki, die mit dem Psychiater Fanon in der algerischen Psychiatrie Blida eng zusammengearbeitet hatte, eine Biografie über diesen "Visionär" geschrieben, die dem Rezensenten nicht besonders gefällt. So bleibe der Mensch Fanon, der 1925 auf Martinique geboren wurde und 1961 an Leukämie starb, schemenhaft "im Dunkel von Andeutungen und Mutmaßungen", beschwert sich Riegel. Auch kritisiert der Rezensent, dass die Autorin über die Schriften Fanons weitgehend unkritisch referiere und die inneren Spannungen im algerischen Widerstand unerwähnt blieben. Fanons "Blindheit" etwa gegenüber dem Islam, so Riegel, werde hier überhaupt nicht thematisiert. Einzig Fanons Vorstellungen von einer Psychiatriereform hat Cherki "aufschlussreich" nachgezeichnet, findet Riegel. Ansonsten, meint der Rezensent, hat die Autorin mit ihrer Biografie eher einer Huldigung des Revolutionärs geschrieben, statt eine kritischen Auseinandersetzung mit Person, Ideen und Schriften Fanons zu leisten.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.09.2002

Für Rudolf Walther ist die Autorin des Buches über den heute zumeist vergessenen und verkannten Frantz Fanon ein Glücksfall. Die algerische Ärztin Alice Cherki, die viel mit Fanon zusammengearbeitet hat, vermag in den Augen des Rezensenten all die Dinge zu beleuchten, die bislang kaum bekannt waren. "Es ist ein großes Verdienst, dass der Nautilus-Verlag ein Porträt des aus Martinique stammenden schwarzhäutigen Arztes, Journalisten, Publizisten und Politikers herausbringt." Auch das von dem Frankreichkenner Lothar Baier verfasste Vorwort präzisiere die historische Konstellation. Walther zeichnet ausführlich in einzelnen Schritten Fanons biografische Stationen nach, die für Cherki vor allem den Stoff geliefert haben für ein Porträt, das sich sowohl aus Erinnerungen als auch Erzählungen von Zeitzeugen speist. Mit seinem Buch "Die Verdammten dieser Erde" hatte sich Fanon zu einem der Wortführer des Befreiungskampfes der Dritten Welt gemacht und sich damit den Vorwurf der Gewaltverherrlichung eingehandelt, der zudem durch das damalige Vorwort Jean-Paul Sartres bekräftigt worden sei. Walther sieht das jetzt vorliegenden Werk als einen gelungenen Beitrag zur Aufdeckung der vorherrschenden Missverständnisse. Seiner Ansicht nach entdeckt Alice Cherki Frantz Fanon neu. Sie "zeigt präzis, dass Hass für Fanon kein Programm und Gewalt kein eigenständiger Zweck war".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 23.07.2002

Frantz Fanon (1925-1961) war nicht nur Arzt, Psychiater und Schriftsteller, sondern auch einer der "wichtigsten Theoretiker" des Befreiungskampfes gegen Kolonialismus und Rassismus, weiß Rezensentin Ursula Trüper. Trotzdem werde er heute, zumindest in Europa, kaum mehr gelesen - und allzu oft als "dumpfer Gewaltideologe" abqualifiziert. Um so verdienstvoller findet Trüper daher Alice Cherkis Versuch, diesen ungerechtfertigten Zuschreibungen mit einer Biografie entgegenzutreten. Wie Trüper ausführt, war Fanon als Sohn eines schwarzen Zollbeamten früh der Erfahrung von Rassismus ausgesetzt - als Freiwilliger, der unter de Gaulle gegen die Nazis kämpfte, um dann bei den Siegesfeiern in den hinteren Reihen versteckt zu werden, wie auch später als Chefarzt der psychiatrischen Klinik von Bilda, einer kleinen Stadt in der französischen Kolonie Algerien. Fanons Bücher, in denen er für ein freies Algerien plädierte, in dem Araber, Juden, Christen gleichberechtigt nebeneinander leben können, wurden in Afrika begeistert aufgenommen, in Frankreich hingegen verboten, berichtet Trüper. Sie hebt lobend hervor, dass sich Cherki in ihrer Biografie auch ausführlich mit der Rezeptionsgeschichte der Schriften Fanons sowie mit der Frage der Gewalt bei Fanon auseinandersetzt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.05.2002

Alice Cherki gelingt es in ihrer "sozialgeschichtlich fundierten" Biografie, die Aktualität des Denkens des 1961 im Alter von 36 Jahren gestorbenen Arztes und Psychiaters Franz Fanon aufzuzeigen, lobt die Rezensentin Ruth Jung. Sie beschreibt Fanon als leidenschaftlichen homme revolté, Intellektuellen und Schriftsteller. Seine scharfsinnige Analyse der Herrschaftsverhältnisse in der Dritten Welt und ihre Auswirkungen auf die Menschen in seinem Buch "Die Verdammten dieser Erde" besitze auch nach 40 Jahren noch uneingeschränkte Gültigkeit und habe sich angesichts der Entwicklungen in den Ländern Afrikas und Nordafrikas als prophetisch erwiesen. Fanon erfuhr Unterdrückung und Rassismus am eigenen Leibe, berichtet Jung. Es sei das Verdienst Cherkis, das Engagement und Denken des von einem "unbestechlichen Gerechtigkeitssinn" beseelten Fanon in seinem historischen Kontext aufzuzeigen, ohne in politisch dogmatische Zuordnungen zu verfallen. Alice Cherki ist Fanon in den fünfziger Jahren in Blida in Algerien während ihrer Ausbildung zur Psychiaterin begegnet und lässt durch ihren "distanzierten Augenzeugenbericht", so die Autorin selbst, diesem herausragendem Denker des 20. Jahrhunderts Gerechtigkeit widerfahren, preist die Rezensentin. Das Biografie von Cherki sei aber auch ein "solide recherchiertes" Geschichtsbuch zur algerischen Unabhängigkeitsbewegung mit einem umfangreichen Anmerkungsteil, Glossar, Zeittafel und Bibliografie, die für deutsche Leser hilfreich seien. Sie kritisiert allerdings die Übersetzung als schwerfällig und wenig sachkenntnisreich.