Andreas Maier

Das Zimmer

Roman
Cover: Das Zimmer
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010
ISBN 9783518421741
Gebunden, 202 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Mit einem Bein steht er noch im Paradies, dafür hat die Geburtszange gesorgt. Immer ist er ein Kind geblieben, und wurde doch stets älter, und leben mußte er auch irgendwie. Nun ist er schon dreißig und hat seine große Liebe, einen VW-Variant Typ 3, mit dem fährt er zwischen den blühenden Rapsfeldern umher. Es ist das Jahr der ersten Mondlandung, 1969, als man in Frankfurt am Main noch Treppensteigen geht in den Bordellaltbauten um den Bahnhof herum. Ein Tag im Leben Onkel J.s. Hin- und hergerissen zwischen Luis Trenker, der Begeisterung für Wehrmachtspanzer und den Frankfurter Nutten, wird J. plötzlich als ein Mensch erkennbar, der außerhalb jeden Schuldzusammenhangs steht, noch in den zweifelhaftesten Augenblicken. Einer, der nicht zugreift, weil er es gar nicht kann, während die Welt um ihn herum sich auf eine heillose Zukunft wie auf die Erlösung vorbereitet.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.12.2010

Susanne Messmer hat sich, ob der Virulenz des Themas in der Literatur, zwei Provinzromane vorgeknöpft. Andreas Maier hat sich in allen seinen Romanen der Provinz zugewandt, der er selbst entstammt, nämlich der Wetterau. Er tut es verschachtelt, widerborstig und dabei dennoch gut lesbar, wie die Rezensentin betont. Erst der Roman "Das Zimmer" aber enthüllt ihr, warum sie Maiers Romane mit einem gewissen Unbehagen liest. Denn in dem Buch, in dessen Zentrum der geistig zurückgebliebene Außenseiter Onkel J. steht, der auf vorsprachlicher Ebene am liebsten mit Vögeln kommuniziert, hat Messmer "schlimme anachronistische Sätze" gefunden, wie sie meldet. Hier enthüllt sich Maiers christlich fundierter Wertkonservatismus, an dessen Wurzel die tiefe Misanthropie des Autors steht, so die Rezensentin. Deshalb blieben seine Figuren auch blass und würden nicht ernst genommen, meint Messmer, die es auch einfach nicht in Ordnung findet, wie Maier seine Figuren vorführt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.10.2010

Der Protagonist von Andreas Maiers jüngstem Roman "Das Zimmer" hat Michael Baum ziemlich beeindruckt. "Onkel J.", bereits bekannt aus dem Kolumnenband "Heimatkunde", erscheint als eine Mischung aus gequältem Opfer, Familienidiot und herrenmenschelndem Waffen- und Autofanatiker , erfahren wir. Für den Rezensenten ist es ein "bedrückendes Panorama", das dieser Roman, angesiedelt in einem Sommer im Jahr 1969 in der hessischen Wetterau, von der Provinz und der Mentalität der Zeit zeichnet. Baum fällt die deutlicher als in seinen früheren Büchern gepflegte literarische Anlehnung an Thomas Bernhards "Übertreibungskunst" auf, und er stellt zudem fest, dass der Autor als Novum seines Werks einen starken, autobiografisch geprägten Ich-Erzähler installiert, der hier zu den "Urszenen seiner Kindheit" zurückkehrt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.10.2010

Ist dies ein W-Roman? So etwas Ähnliches. Weil das W ein immens deutscher Buchstabe ist, passt er so gut zu diesem in der Wetterau spielenden Roman von Andreas Maier, findet Christopher Schmidt. Um ein formalistisches Experiment handelt es sich jedoch nicht, beruhigt uns der Rezensent. Maiers als Großzyklus projektierte Verteidigung der Provinz (gegen was nur?) und der Dinge gefällt Schmidt als "erzählerische Nahaufnahme" mit Bernhard'scher Insistenz, allerdings mit anderem Ziel: Wiederherstellung nicht Auslöschung. In Onkel J., des Autors Medium, wie Schmidt feststellt, kommen Wald, Wirtschaft und Wehrmacht wieder zum Leben. Und das Jahr 1969. Maier reanimiert es mit "fröhlichem Grimm", ohne unnötige Idealisierung, ebenso wie den Onkel. Außerdem rettet die Reflektiertheit diese Art der Kulturkritik laut Schmidt vor dem Putzigen. Nun betet der Rezensent noch, Detlev Buck möge nicht die Filmrechte einkaufen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.10.2010

Die großen Fragen: beiläufig gefragt. Das Unscheinbare: scharf beobachtet und mal ungemütlich, wie es ist, mal als Verheißung dargeboten. So präsentiert sich dem Rezensenten Friedmar Apel der neue Roman von Andreas Maier, als "Raum feiner Nuancen", verortet in der Wetterau und im sonderbaren Onkel J., einem Sozialhilfeempfänger und Bordellkunden, der die Filme von Louis Trenker liebt und die Vögel im Wald noch erkennt. Daraus entsteht vor Rezensentenaugen nicht nur eine literarische Topografie, sondern auch ein Buch über "Heimat" im Jahr 1969. Nicht zuletzt der trockene Humor des Autors macht, dass Apel genau dort am Platz sein möchte, um mit dem Onkel ein Bier zu trinken.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.09.2010

Eine "verrückte, traurige, komische" Saga einer Wetterauer Familie Ende der Sechziger, hat Rezensentin Ina Hartwig hier gelesen. Sie beginnt im Jahr vor der Mondladung und kreist um einen behinderten, längst verstorbenen Onkel und dessen Zimmer, in dem der Autor Andreas Maier heute sein Arbeitszimmer hat, erzählt Hartwig. Dieser Onkel war nicht gesellschaftsfähig, ein bisschen verrückt, aber gleichzeitig von einer großen Unschuld. Geliebt hat er vor allem seinen nazibraunen VW-Variant, lesen wir. Aber das Buch sei auch eine Beschreibung von Heimat, von Sitten und Bräuchen, die langsam untergehen. Hartwig möchte noch kein abschließendes Urteil fällen, erst, verlangt sie, muss Maier noch eine Fortsetzung liefern.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.09.2010

Ausgreifend und hymnisch bespricht Christian Thomas Andreas Maiers Roman "Das Zimmer", den er als Auftakt einer, wie ihm zu Ohren gekommen ist, elfbändigen hessischen Familiensaga vorstellt. Mittelpunkt dieses Romans ist der durch und durch abstoßende Onkel J., Waldfanatiker, Waffenliebhaber und Bordellgänger, der von einem Ich-Erzähler zumeist aus der kindlichen Erinnerung heraus durchleuchtet wird, lässt der Rezensent wissen. Prominent ist die hessische Wetterau, die die lokale Folie dieser "abgründigen" Onkel- und Heimatergründungen ist und das liest sich für den faszinierten Rezensenten als großartige "Tirade" in Bernhard'scher Tonart. Dieser Roman ist aber noch mehr, versichert Thomas, denn Maier zeichnet seinen Ich-Erzähler, in dem der Rezensent Ähnlichkeiten zum Autor entdeckt hat, als "Heimatvertriebenen", dabei "Heimathassenden", wie es nur ein in Wahrheit Liebender sein kann. Für Thomas etabliert sich der Autor mit diesem Roman einmal mehr als herausragender "Heimataktivist", wie man ihn in der Literatur kein zweites Mal findet.
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