Andrej Blatnik

Der Tag, an dem Tito starb

Erzählungen
Cover: Der Tag, an dem Tito starb
Folio Verlag, Wien 2005
ISBN 9783852562988
Gebunden, 129 Seiten, 19,50 EUR

Klappentext

Aus dem Slowenischen von Klaus Detlef Olof. Ob es das Mädchen ist, das zwei Dorfpolizisten bedrängen, der junge Architekt, der seinen Arbeitsplatz unfreiwillig mit einem Bekannten tauscht und dafür dessen Ehefrau bekommt, oder der Mann, der nächtelang spazieren geht und seine Frau im Glauben lässt, er hätte eine Geliebte - Blatniks Charaktere sind vereinsamt, selbstzerstörerisch, verletzt oder auch gewalttätig und vor allem unfähig zu kommunizieren.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.06.2005

Jörg Plath hat die Lektüre von Andrej Blatniks Erzählungen offensichtlich auf den Geschmack gebracht. Ein Reigen von Genitivmetaphern drückt seine explizite und implizite Bewunderung für Blatniks "Albtraum-Universum" aus: Der slowenische Autor sei ein "Atheist der Verzweiflung", der hier "Kammerspiele des Geistes" veröffentlicht, die mit dem "Entsetzen des Lesers" spielen. Die "filmische Unmittelbarkeit" der manchmal sehr knappen Stücke erinnert den Rezensenten an Patrick Roth und Raymond Carver. Die konseuentesten Erzählungen benötigen weder Handlung noch Requisiten, Dialoge und Monologe herrschen vor. Als eine Art existenzielles Grundmotiv aller Texte macht Plath eine allumfassende Unsicherheit jeglicher Gedanken und Gefühle aus. Die Unsicherheit der Protagonisten sei dabei so durchdringend, dass sich noch der Erzähler selbst unheimlich wird. Die vielen "depressiven Liebespaare" im Buch gäben, so Plath, einen trefflichen Nährboden für zwischenmenschliche Schauergeschichten von fremden Du's und ebenso fremden Ich's. Hier und da jedoch, in den "weniger gelungenen" Geschichten, nehme dieses existenzielle Grundthema überhand. Trotzdem freut sich Plath auf das nächste Werk des vielversprechenden Slowenen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.05.2005

Einen "typischen Kleinstaatentraum" handelt Andrej Blatnik in seiner Erzählung "Noras Gesicht" ab, meint Christoph Keller, worin die Ehefrau von James Joyce, mit Vornamen Nora, darüber nachdenkt, ob sie ihrem Mann von Ljubljana, wo sie irrtümlich gelandet sind, nach Triest folgen soll. Der allmächtige Erzähler aus dem Miniaturstaat Slowenien, der ja, wie Keller anmerkt, nur zwei Millionen Einwohner zählt, gibt sich in dieser Erzählung dem Traum hin, zumindest für einen Moment, das Schicksal Joyce' zu steuern: ganz schön selbstherrlich, findet Keller. Aber es bleibt eh ein Traum, und Andrej Blatnik erweist sich für den Rezensenten als einer der interessantesten Autoren dieses Landes. Literarisch steht aber nicht Joyce, sondern Raymond Carver - den Keller den "Schutzheiligen der verkorksten Kommunikation" nennt - Pate für Blatniks Prosastil. Ein äußerst verknapptes Erzählen, das der slowenische Autor "mit Bravour" und dem nötigen Swing hinbekommt, wie Keller feststellt. Blatniks Erzählungen skizzierten den "Spagat", den seine Generation zwischen Tito-Kommunismus und EU-Kapitalismus vollüben muss, klärt Keller auf. Lobender Verweis im Übrigen auf die elegante Übersetzung von Klaus Detlef Olof.