Angel Vazquez

Das Hundeleben der Juanita Narboni

Roman
Cover: Das Hundeleben der Juanita Narboni
Droschl Verlag, Graz 2005
ISBN 9783854206903
Gebunden, 376 Seiten, 24,32 EUR

Klappentext

Mit einem Vorwort von Juan Goytisolo. Aus dem Spanischen von Gundi Feyrer. Als der Tangerino Angel Vazquez mit einiger Verspätung auf die politischen Ereignisse der marokkanischen Unabhängigkeit reagiert und Mitte der 60er Jahre in die Heimat seines Vaters, nach Spanien, auswandert, dauert es noch zehn Jahre, bis er seinen großen Roman über seine Heimatstadt Tanger fertig hat: "Das Hundeleben der Juanita Narboni" erscheint 1976 in Barcelona. Heute gilt Vazquez als das vergessene Genie der spanischen Literatur, Juan Goytisolo griff in El Pais sogar zum Vergleich mit Joyce und Celine was wohl für das Verhältnis des Autors zu seiner Heimatstadt wie auch seine revolutionäre Verwendung gesprochener Sprache gilt.
Die einzige Stimme dieses außergewöhnlichen Romans gehört Juanita Narboni: englischer Pass (da in Gibraltar geboren), italienischer Familienname, jedoch Andalusierin wie ihre Mutter eine Figur, hinter der unschwer die Mutter des Autors zu erkennen ist. Sie beschreibt den fortschreitenden Niedergang ihres Lebens, den Weg in Einsamkeit und Elend, der zugleich auch der von Tanger ist. Eine Frauenfigur, die zutiefst lächerlich ist, kitschig, erschütternd und berührend, eine Figur von gelegentlicher und außerordentlicher Scharfsichtigkeit, hasserfüllt und dabei voller Liebeserwartungen, voller Fehler und ohne jedes Schuldgefühl.
Vazquez organisiert in diesem Monolog eine Erzählzeit, die vom 6. Juni 1914 bis in die Anfänge der 60er Jahre reicht, ein halbes Jahrhundert in alltäglichen Momentaufnahmen. Was sich in dem lächerlich-traurigen Leben Juanitas verkörpert, ist gleichzeitig auch das Schicksal einer zu Ende gehenden Kolonialgesellschaft. Juanitas Stimme und Persönlichkeit ist dabei immer von ungebrochener Präsenz, ob sie nun scharfsichtig oder konfus, ob sie von ihrer Kindheit oder von ihrem einsamen Alter, von Hollywood-Filmen oder argentinischen Tangos, ob sie öffentlich oder privat spricht eine Vitalität, die die Übersetzerin (und Schriftstellerin). Juanitas Sprache ist die eigentliche Protagonistin des Romans. Ein getreuer Spiegel der kaleidoskopischen Realität Juanitas, ist ihre Sprache originell, derb, drastisch, durchsetzt mit den vielen Sprachen der Bewohner Tangers, in erster Linie dem Yaquetia, dem Spanisch der sephardischen Juden Marokkos, denen Vazquez hier ein Denkmal setzt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.12.2005

"Eine Stimme wie diese war in der Literatur noch nicht zu hören", schreibt Volker Breidecker über den rund 350-seitigen Monolog der Hauptfigur des Romans "Das Hundeleben der Juanita Narboni" von Angel Vazquez. Es ist ein Ausruf der Begeisterung. Von 1914 bis in die 60er hinein reicht das monologische Werk, und es lässt sich, so Breidecker, als eine "veritable Enzyklopädie der populären Kultur" der damaligen Zeit lesen. Abgefasst sei dieses Sammelsurium, das dem Leser einiges an Konzentration und Kombinationsgabe abverlangt, in einem von der Übersetzerin Gundi Feyrer hervorragend wiedergegebenen Soziolekt, der nur in Tanger anzutreffen war, bevor die Stadt mit Marokko wiedervereinigt wurde. Vazquez zeichne mit diesem "offenen Kunstwerk" das "wirkliche Bild der Stadt", urteilt Breidecker und verbindet die Narboni und ihr nur von Sehnsüchten, "Melodramen und Ballhaustänzen" erfülltes Leben einer alten Jungfer flugs mit Molly Blooms großem Monolog.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.12.2005

Klaus Meyer-Minnemann wirkt ganz gefangen in diesem ungewöhnlichen Buch von Angel Vazquez, das erst jetzt, 25 Jahre nach seinem Erscheinen, in deutscher Übersetzung vorliegt. Die Geschichte der Protagonistin, einer vereinsamten Frau, ist verwoben mit der Geschichte der Stadt Tanger, in der sie, wie auch der Autor selbst, aufgewachsen ist. Was diesen Text nun zu einem so wichtigen Teil der spanischen Literaturgeschichte macht, so der Rezensent, ist insbesondere die an Joyces "Ulysses" erinnernde Erzählweise: Stets spricht die Protagonistin, in Selbstgesprächen oder Dialogen, doch werden die Entgegnungen ihrer Umwelt ebenso ausgespart wie jede Erläuterung des Kontextes durch einen außenstehenden Erzähler. Die Lektüre wird so zu einem "ungemein spannenden Puzzle" für den Leser, findet der Rezensent. Einzig an der Übersetzung hat er einiges auszusetzen. Er gesteht Gundi Feyrer zwar zu, dass ihre Aufgabe keine leichte war, da das Spanisch der Originalausgabe umgangssprachlich ist und von französischen und arabischen Einsprengseln sowie Ausdrücken aus dem Hakitia, der Sprache der sephardischen Juden, durchsetzt sei. Dennoch bedauert er es, dass sie dieser Herausforderung "leider nicht immer gewachsen" gewesen sei. 

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 02.11.2005

Thomas Laux warnt gleich zu Beginn seiner Besprechung des Romans, dass er ohne wohlwollende "Engelsgeduld" und "Empathie" nicht zu lesen ist und meint, dass das Buch ein "Roman im konventionellen Sinne" ohnehin nicht ist. Derart vorbereitet stellt er dem Leser das Buch des 1929 in Tanger geborenen und schon 1980 gestorbenen, hier "unbekannt gebliebenen" Angel Vazquez vor, das sich genau besehen als "Monologschwall einer gewissen Juanita Narboni" entpuppt, deren Gedanken sich assoziativ um "alles und nichts" drehen. Die "Welt" der Protagonistin, wie sie sich bei der Lektüre darstelle, sei zugleich "komplex" und "banal", der Autor verknüpfe darin während eines Zeitraums von einem halben Jahrhundert das persönliche Erleben Narbonis mit historisch-politischen Ereignissen, erklärt der Rezensent. Dabei stellt sich die "wahrhaft politische Implikation" dieses Gedankenschwalls heraus, wenn beispielsweise angesichts der Auslieferung der Juden von Tanger an die Deutschen bei der Heldin nur "diffuses Unbehagen" registriert wird und die Bewertung dieser Ungeheuerlichkeit an der "eigenen Beschränkung" scheitert, so Laux fasziniert.