Anke Velmeke

Fuga

Roman
Cover: Fuga
C.H. Beck Verlag, München 2003
ISBN 9783406509759
Gebunden, 127 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext

Anke Velmekes neuer Roman "Fuga" erzählt von einer jungen Frau, die nach dem Tod ihrer Mutter nach Spanien reist, dorthin, wo auch die Mutter schon mal einen Urlaub verbracht hat. Die Tochter zieht mit zwei Männern zusammen, und da sie sich zu dem einen erotisch, zu dem anderen nur freundschaftlich hingezogen fühlt, ist der Konflikt vorprogrammiert. Aber diese Dreiecksgeschichte ist auch stellvertretend für ein Beziehungsgeflecht, wie sie es mit der Mutter immer wieder erlebt hat. Der leibliche Vater hat die Familie schon vor langer Zeit verlassen, und die Mutter wechselte häufig die Liebhaber. Die Tochter ist halb ausgeschlossen, dann aber auch wieder auf eine merkwürdig doppelbödige Art Teil einer Dreierkonstellation. Die Erfahrungen der Gegenwart in Spanien rufen immer wieder Erinnerungen an die Mutter wach, und so wird die Geschichte in "Fuga" auf zwei Zeitebenen erzählt, die sich kunstvoll verschlingen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.03.2004

Mit gewissenhafter Ausführlichkeit zeigt Wolfgang Schneider, warum er Anke Velmekes zweiten Roman zwar für erfreulich, aber letztlich nicht für gelungen hält. So bemängelt er die "Wahrnehmungstechnik" von Velmekes Prosa: Der Blick der Ich-Erzählerin, eine infolge einer schwierigen Beziehung zur dominanten Mutter psychisch labile junge Frau, gerate mal un-, dann wieder überscharf, wie bei einer "wackligen Handkamera"; alles sei mit "Psychodramatik" aufgeladen, aber nichts werde erklärt, so dass der Text "in seiner manierierten Rätselhaftigkeit wie eine besonders ergiebige Vorlage für den Psychoanalytiker" wirke. Zudem leide die sprachliche Qualität des Romans an einem übermäßigen Drang zur Poesie, wechsle "rhetorische Artistik schroff mit Unbeholfenheit". Vor allem aber hat Schneider gestört, dass der Text die Anspielung des Titels auf die musikalische Form der Fuge nicht einlöst: Von kunstvoller Mehrstimmigkeit keine Spur.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.03.2004

Von beeindruckender Sprachgewalt, aber als Versuch der Erzählerin, ihrer toten Mutter imponieren zu wollen, missglückt, findet Martin Krumbholz den zweiten Roman Anke Velmekes. Wie schon in ihrem Erstling werde die Autorin zum Opfer ihrer eigenen Sprachlust. Allerdings hatte sie in ihrem vielversprechendem Debüt "Flugfische" mehr zu erzählen, so der Rezensent. Der Roman "Fuga" handele - dem lateinischen Titel "zum Trotz" - gar nicht von einer Flucht, sondern davon, wie die Erzählerin "das pralle Leben" ihrer männerverzehrenden Mutter nachahmt. So wiederhole sie während ihrer Spanienreise, auf der sie zwei junge Männer kennen lernt, die Form einer Dreiecksbeziehung, in die sie schon von ihrer Mutter immer wieder verstrickt worden war. Warum die Erzählung aber so unerotisch ist, "obwohl es an expliziten Sexszenen nicht fehlt", erklärt sich der Rezensent mit eben jener "atemberaubenden Sprachakrobatik" Anke Velmekes, die auch ihr erstes Buch auszeichnet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.12.2003

"Fuga" heißt im Lateinischen Flucht, und von einer Flucht handelt dieser Roman von Anke Velmeke, berichtet Rezensent Jörg Plath: Die Flucht vor der Erinnerung. Es geht um eine junge Frau, die sich schmerzlich an eine Reise mit der Mutter an den Rhein erinnert, in deren Verlauf die Mutter ihren Liebhaber auffordert, sich auch ihrer Tochter zärtlich zuzuwenden: "Sie hatte mich ihm hingegeben, als Ganzes, mit Haut und Haar, ein Menschenopfer ... warum verschenkte sie mich, wollte sie mich nicht mehr", zitiert Plath die etwas pathetische Vergegenwärtigung dieser schmerzlichen Erfahrung. Insgesamt ist Plath nicht sonderlich zufrieden mit diesem Roman, der mitnichten eine Fuge geworden sei. Aber immerhin: "ein Szene für Szene virtuoses Wortgestöber".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.11.2003

Das zweite Buch stellt einen größeren Prüfstein dar als der Erstling, vermutet Silja Ukena, da es hochgesteckte Erwartungen zu erfüllen gelte. Von Anke Velmeke hat sie darum einiges erwartet und wurde nicht enttäuscht. Das freut Ukena um so mehr, als dass sie Velmeke mit ihrer "kantigen Sprache" ganz und gar nicht zu den Repräsentantinnen "anämischer Fräuleinprosa" zählt. Ihr Umgang mit der Sprache gestalte sich in Velmekes neuem Roman noch kunstvoller, freut sich Ukena, sie sei weit sparsamer und souveräner eingesetzt als im Debütroman "Luftfische", habe jedoch an poetischer Kraft nichts eingebüßt. Eigentlich sei es die Sprache und nicht die Handlung, die das Buch vorantreibe, stellt Ukena fest. "Fuga" - lateinisch für Flucht - erzählt von einer jungen Frau, die nach dem Tod ihrer Mutter nach Spanien fährt, auf der Flucht vor der Schimäre ihrer Mutter, auf der Flucht vor sich selbst, vor der ewigen Tochterrolle, die auch nach dem Tod der Mutter nicht einfach abzuschütteln ist. Die Lebendigkeit und Expressivität der Sprache bewahrt dieses kleine Büchlein davor, ins Hermetische anzurutschen, lobt Ukena die Autorin und bescheinigt ihr eine für ihre Generation geradezu "seltene Sprachlust".
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