Anna Politkowskaja

Russisches Tagebuch

Cover: Russisches Tagebuch
DuMont Verlag, Köln 2007
ISBN 9783832180225
Gebunden, 458 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Hannelore Umbreit und Alfred Frank. Das Russische Tagebuch entstand zwischen Dezember 2003 und September 2005. Anna Politkovskajas Aufzeichnungen beginnen mit Putins Kampagne zu seiner Wiederwahl und enden mit der eindringlichen Frage: Habe ich Angst? Bis zur Selbstaufgabe engagiert, persönlich und mit Blick für das Schicksal des Einzelnen, beschreibt sie im Russischen Tagebuch die Politik ihres Landes dieser zwei weichenstellenden Jahre. Dabei geht es ihr um politische Ereignisse ebenso wie um die Stimmung in der Bevölkerung. Ein Bericht aus erster Hand, der wagt, was in Putins Russland lebensgefährlich ist: die Wahrheit. So zeigt Anna Politkovskaja nicht nur die Verbrechen der russischen Armee in Tschetschenien, sondern auch jene an den russischen Soldaten und den Kampf ihrer Mütter um die Rechte und Würde ihrer Söhne. Sie prangert Putins »starken Staat« an und schildert das Klima der Resignation, der Angst und der Rechtlosigkeit. Immer wieder beklagte Anna Politkovskaja die Blindheit und mutwillige Ignoranz des Westens gegenüber den Missständen in ihrer Heimat. Nun, da sich die Welt betroffen zeigt und um sie trauert, sollten wir hören, was sie zu sagen hat.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.03.2007

Diese "politische Lehrstunde" lässt Michael Schindhelm die Angst spüren, die Anna Politkovskaja nicht hatte. Die im Tagebuch festgehaltene hoffnungslose Suche der engagierten Journalistin nach einer "letzten Opposition" in Putins Autokratie belegt Schindhelm mit langen Zitaten. Schindhelm spricht von dem "brisanten" Text als von einem "Horrorfilm", der die Erniedrigten und Beleidigten einer autoritären Staatsbürokratie porträtiert. Die von Politkovskaja gewählte Form des "klassischen Journals" verstärkt diesen Eindruck des Rezensenten ganz offensichtlich noch: Eine Chronik des russischen politischen Alltags zwischen Dezember 2003 und August 2005, deren Schrecken gerade in der von Schindhelm konstatierten Detailliertheit der Beobachtungen und Analysen zu stecken scheint.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.03.2007

Empörung sei ein wesentliches Merkmal des russischen Tagebuchs der ermordeten Anna Politkowskaja, sowohl gegen die Kälte von Putins Machtsystem als auch gegen eine sich in Rivalitäten neutralisierende Opposition. Rezensent Karl Grobe zufolge ist das Tagebuch eine "Pflichtlektüre" für alle Freunde der Demokratie, die es in Russland schon deshalb nicht gebe, weil die Bücher von Anna Politkowskaja in diesem Klima der Einschüchterung nicht erscheinen könnten. Putin selbst habe hier die entscheidende Vokabel geprägt: "Machtvertikale". Als Hauptthema der Politkowskaja nennt der Rezensent allerdings den Tschetschenienkrieg mit all seinen Auswirkungen auf das Leben in Russland. An Stelle einer neuen Mittelschicht habe sich in Russland eine neue Klasse von Eltern mit getöteten Kindern herausgebildet, zitiert der Rezensent die Autorin. Eine interessante "Spur" habe Politkowkaja auch mit ihren Notaten zum Präsidentschaftskandidaten Iwan Rybkin gelegt, der eine Zeit lang verschwunden gewesen sei. Auf traurige Weise bestätigt das Tagebuch für den Rezensenten, dass die "üblichen Analysen" zum heutigen Russland nicht umgeschrieben werden müssten.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.03.2007

Mit Frösteln hat Rezensentin Susanne Mayer dieses nachgelassene Tagebuch der ermordeten russischen Journalistin gelesen, dessen Ausführlichkeit ihr gelegentlich fast unerträglich wird. Mayer zufolge beschreibt Politkowskaja darin den politischen Alltag der Jahre 2002-2005 in Moskau. Dabei protokolliere sie eigentlich nur penibel, zeige im Spiegel täglicher Nachrichten, wie sich Macht behaupten würde: nämlich durch "Aufsaugen der Opposition", Einschüchterung, Kaltstellung oder "Gefügigmachen kritischer Stimmen". Die Rezensentin liest "seitenlange Protokolle von Ergebenheitsadressen" von Günstlingen ebenso wie Undercover-Interviews mit verängstigten Redakteuren. Über die Unterwanderung des Justizwesens werde ebenso geschrieben, wie über Berichte aus Tschetschenien und Beslan. In der Gesamtschau entsteht für die Rezensentin das Bild eines "Staatswesens, das Demokratie als Potemkinsches Dorf" inszeniert.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.03.2007

Julia Voss' Kritik des letzten Buches der ermordeten Anna Politkowskaja gerät ihr zur erschütterten Hommage an die furchtlose Journalistin. Die Aufzeichnungen zwischen 2003 und 2005 halten alle die Vorkommnisse fest, die man auch in Deutschland von der russischen Politik zur Kenntnis genommen hat, wie zum Beispiel die Erstürmung der Schule in Beslan oder das ominöse Verschwinden des Präsidentschaftskandidaten Rybkin, und zeigen eine respektlose, unerschrockene Frau, die sich - irrtümlicherweise - nicht um ihr eigenes Leben sorgte, so die Rezensentin beeindruckt. Die Rolle als kritische Beobachterin war unter den gegenwärtigen Verhältnissen in Russland für Voss eine geradezu "übermenschliche Aufgabe" und sie macht aus ihrer tiefen Bewunderung für die mutige und unnachgiebige Haltung Politkowskajas keinen Hehl.
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