Antonio Lobo Antunes

Die Rückkehr der Karavellen

Roman
Cover: Die Rückkehr der Karavellen
Luchterhand Literaturverlag, München 2000
ISBN 9783630870793
Gebunden, 282 Seiten, 19,43 EUR

Klappentext

Aus dem Portugiesischen von Maralde Meyer-Minnemann. Die Portugiesen haben niemals an den Tod von König Sebastian geglaubt. Er ward zwar nicht mehr gesehen, seit er 1578 in Afrika vergebens versuchte, die Moslems zum rechten Glauben zu bringen, aber noch heute harrt das fromme lusitanische Volk seiner Wiederkehr. António Lobo Antunes greift diese Legende auf. Vor dem König lässt er zunächst die bedeutendsten Entdeckungsreisenden auf ihren Karavellen den Atlantik noch einmal überqueren, um zwischen Öltankern und Flugzeugträgern auf Lissabon zuzusteuern. Pedro Alves Cabral ist unter ihnen, den es genau 500 Jahre, nachdem er Brasilien entdeckt hat, ins Rotlichtviertel verschlägt. Vasco da Gama, der als erster das Kap der Guten Hoffnung umsegelte, muss seinen Unterhalt mit kleinen Gaunereien verdienen. Und Luís de Camões, dem wir das portugiesische Nationalepos verdanken, beginnt seine Lusiaden auf dem Rechnungsblock eines Kellners. Alle diese Männer, die Angola, Brasilien und Moçambique für Portugal entdeckt haben, unterhalten sich mit den Menschen unserer Tage darüber, was aus den Neuen Welten geworden ist.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 23.11.2000

Als einen historischen Roman der besonderen Art stellt uns Friedhelm Rathjen "Die Rückkehr der Karavellen" vor. "Ein undurchdringlicher Roman", heißt es im Untertitel, und das ist nach Rathjen durchaus zutreffend - vor allem wegen der komplizierten und kunstvollen Gestaltung. Es ist ein Montageroman, das Personal, das hier auftritt, lebt "in allen Jahrhunderten, die Portugal je erlebt hat", erklärt der Rezensent. Die Jahrhunderte überlappen sich, Personen treffen zusammen, die sich nie hätten begegnen können. Die Ausgangssituation, so betont Rathjen, ist jedoch keineswegs fiktiv, denn es geht um die Abertausenden von Rückkehrern aus den ehemaligen Kolonien. "Ein Kollektivbild der Kolonialerfahrung" sei so entstanden, "virtuos erzählt", auch wenn sich das Buch eigentlich nur dem Kenner der portugiesischen Geschichte umfassend erschließe. Besonders gefallen hat Rathjen auch, dass der Autor, abweichend von früheren eher melancholisch gehaltenen Texten, hier mit groteskem Witz überrascht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.10.2000

Martin Ebel ist geradezu überwältigt von diesem Roman, den der portugiesische Autor und Arzt schon 1988 veröffentlichte und der jetzt auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Das Buch, in dem sich Geschichte und Gegenwart der ehemaligen Kolonial- und Seemacht Portugals vermischen, bietet eine derartige `Bilderflut`, dass einem `schwindlig` werden kann, so der beeindruckte Rezensent. Obwohl sich die `Grundidee` zur Verfilmung anbietet, meint er, ist wohl kein Filmemacher in der Lage, diese `Flutwelle der Bilder` adäquat umzusetzen, nicht zuletzt, da die entworfene Welt durch und durch `metaphorisch` ist. Dabei sei das Buch mehr als eine `zornige Persiflage` auf die Mythen der Portugiesischen Nationalgeschichte, denn es betreibe nicht nur eine Dekonstruktion historischer Werte, sondern die `Auflösung der Ordnung schlechthin`. Es bildet den `Höhepunkt` der literarischen Entwicklung des Autors und ist `ästhetisch auf der Höhe der Zeit`, schwärmt der Rezensent. Außerdem preist er das Vorwort und das Glossar des Romans, denn die Hinweise schätzt er als sehr hilfreich ein, um die historische Dimension des Buchs zu verstehen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.10.2000

Martin Lüdke bespricht in einer ausführlichen Doppelrezension zwei Romane des portugiesischen Autors, die in diesem Jahr in deutscher Übersetzung erschienen sind.
1) "Die Rückkehr der Karavellen"
Diesem bereits 1988 im Original erschienenen Roman bescheinigt der Rezensent einen bemerkenswerten "Kunstgriff": Indem er Geschehnisse der Vergangenheit mit der fiktiven Gegenwart durchsetzt und rasche Wechsel der Erzählperspektive verwendet, häufig genug in ein und dem selben Satz, erreicht der Autor eine "Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen". Dies hat, so der Rezensent fasziniert, zur Folge, dass Geschichte nicht in chronologischem Nacheinander, sondern als "simultanes Geschehen" erscheint und sich so Beginn und Ende einer ganzen Epoche zum "Kreis schließt". Die "bizarre Logik" der Romanepisoden zeige das Interesse des Autors für "Grenzerfahrungen" und weise nicht nur auf den Irrsinn der "portugiesischen Verhältnisse", sondern nicht zuletzt auf Erfahrungen hin, die der Autor während seiner Tätigkeit als Chefarzt einer psychiatrischen Klinik gesammelt hat.
2) "Der Tod des Carlos Gardel"
Hier sieht Martin Lüdke den Epochen umspannenden Rahmen des zuvor besprochenen Buches zu einer "eng umgrenzten Familientragödie" zusammengezogen. Antunes erzählt hier nach Ansicht des Rezensenten zwar eine eher "schlichte Geschichte", diese sei aber derart kunstvoll aufgebaut, dass es lange dauert - "womöglich einige Wochen" - , bis der Leser ihr "auf den Grund kommt". Nirgends werde die Vielschichtigkeit des Buches auf die "platte Handlung" verkürzt, lobt der Rezensent, der den Schilderungen eine lange Nachwirkung bescheinigt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.09.2000

Als seinen "vielleicht kurzweiligsten" Roman bezeichnet Hans-Jürgen Schmitt "Die Rückkehr der Karavellen", der eigentlich der sechste in der Reihenfolge des mittlerweile 18 Romane umfassenden Werkes von Antunes ist, bereits 1988 auf portugiesisch erschienen und nun von dessen Übersetzerin Maralde Meyer-Minnemann in gewohnt sorgfältiger Übersetzung ins Deutsche gebracht, wie der Rezensent anmerkt. Es gelten die gleichen Charakteristika wie für alle Antunes-Romane, schreibt Schmitt: ständiger Perspektiven- und Zeitenwechsel bei gleichzeitiger Detailverliebtheit. Diesmal komme eine parodistische Note hinzu, indem Antunes, so erklärt Schmitt, die großen Seefahrer und Entdecker Portugals und Helden des Nationalepos "Die Lusiaden" in die Zeit der Entkolonialisierung geraten lässt und dabei ihre Verdienste entsprechend trivialisiert. Doch das eigentlich Bestechende des Buches liegt für ihn darin, dass es in einem "hyperbolischen Satzbau" die widersprüchlichsten Bilder und Aussagen oder Zeitensprünge zusammenzwingt. Nicht so sehr aus der Geschichte, sondern aus dieser Erzähltechnik gewinnt das Buch für Schmitt seinen parodistischen Witz.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de