Cemile Sahin

Taxi

Roman
Cover: Taxi
Korbinian Verlag, Berlin 2019
ISBN 9783982122014
Kartoniert, 220 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Eine Mutter, ihr verschollener Sohn und einer, der ihn ersetzen soll, stehen im Zentrum des Debüts der Künstlerin Cemile Sahin, dem ersten im Korbinian Verlag erscheinendem Roman. "Taxi" ist ein Ride hinein in die Lebenswelt Kriegs-gebeutelter Menschen, die versuchen die Deutungshoheit über das eigene Leben und die eigene Erzählung zu behalten. Durch den bewussten Verzicht auf eine eindeutige Verortung der geschilderten Realität in das Weltgeschehen macht "Taxi" klar: was diese Geschichte erzählt könnte jeden treffen und passiert zwangsläufig überall dort, wo Krieg herrscht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.01.2020

Dieser Roman hat Rezensentin Miryam Schellbach stellenweise fast zu deutlich an eine Fernsehserie erinnert, ihr aber auch gezeigt, dass über das Grauen des Krieges nicht angemessen geschrieben werden kann, obwohl Schweigen auch keine Option ist. Das Resultat dieser Zwangslage ist ein Rollenspiel, verrät Schellbach: Eine Mutter inszeniert die Rückkehr ihres verschwundenen Sohnes aus dem Krieg mit einem Schauspieler, doch die Illusion droht immer wieder an der Erinnerung zu zerbrechen. Die Rezensentin schließt daraus, dass auch Fiktion Kriegstraumata kaum lindern kann - von Cemile Sahin kann man noch einiges erwarten, prophezeit sie.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 30.11.2019

Rezensentin Emeli Glaser hat beim Lesen verstanden, dass Cemile Sahins Debütroman gerade zu Recht überall gefeiert wird: Einerseits fand sie die Geschichte über eine Frau, die das Verschwinden ihres Sohns im Krieg nicht akzeptiert und deshalb mit einem Doppelgänger seine Rückkehr inszeniert, rasend komisch, andererseits scheint in der irrwitzigen Farce auch die Tragik derjenigen durch, die durch Kriege traumatisiert wurden, erklärt sie. Glaser hofft, dass sie nicht allzu lange auf eine Verfilmung warten muss, schließlich eignet sich der Roman dank seiner filmischen Erzählweise bestens dafür, wie sie versichert.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 29.10.2019

Jens Uthoff staunt über die Raffinesse, mit der Cemile Sahin über das Erzählen erzählt. Sahins Geschichte von einer Mutter, die ihren im Krieg verschollenen Sohn kurzerhand durch einen Doppelgänger ersetzt, dem sie sich eine Netflix-Serie auf den Leib schreibt, um ihr Trauma zu kompensieren, liest Uthoff als Studie über Eskapismus, die den Leser laut Rezensent auch gleich zum Eskapisten macht, weil er ein vor Brutalität brodelndes Thema in Form von süffiger Metafiktion konsumiert. Soso. Der rasanten Story folgt Uthoff jedenfalls atemlos.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 22.10.2019

Melanie Weidemüller kann nur staunen, wie subversiv Cemile Sahin das hochpolitische Thema des Krieges und seiner Auswirkungen mit den Mitteln Serie wie des Trauerspiels, aber ohne "Avantgarde-Gestus" anpackt. Die Versuchsanordnung: Eine Mutter, die ihren Sohn im Krieg verliert, gewinnt durch ein selbst initiiertes Film-Re-enactment über Mutter und Sohn die Deutungshoheit über ihr Leben zurück. Dass dabei alles mögliche aus dem Ruder läuft, kann Weidemüller verraten, und auch, wie gekonnt die Autorin aus diesem ungewöhnlichen Setting mittels harter Schnitte, Zeit- und Perspektivsprüngen und Meta-Meta-Kommentaren eine rasante und höchst unterhaltsame Geschichte zaubert, in der Pathos oder Moral keine Chance haben. So geht zeitgemäßes Erzählen, meint Weidemüller.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.10.2019

Dieser Debütroman ist wahrlich beeindruckend, versichert Rezensentin Birthe Mühlhoff. Die Geschichte: Eine wahnhafte Mutter kann sich mit dem Tod ihres Sohnes Polat im Krieg nicht abfinden und schreibt deshalb ein Skript zu dessen Rückkehr, um es dann mit einem falschen Polat in die Tat umzusetzen. Dieser falsche Polat aber ist ein Wichtigtuer, der in seiner Rolle voll aufgeht und der Mutter bald die Show stiehlt, fasst die Kritikerin zusammen. Was nach schlechter Vorabendserie klingt, ist bei Sahin so wunderbar absurd und offen als Trash angelegt, dass man es ihr sofort abnimmt, staunt Mühlhoff. Das Buch sei zwar durch all die Verwicklungen, die das Verwirrspiel auslöse, urkomisch, aber die versteckte Botschaft dahinter bitterernst: Der Krieg verwischt alle Normalität und die Grenzen zwischen Opfern und Tätern, schlussfolgert die faszinierte Rezensentin.
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