Chris Kraus

I Love Dick

Roman
Cover: I Love Dick
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2017
ISBN 9783957573643
Gebunden, 250 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Kevin Vennemann. Chris Kraus, eine gescheiterte Künstlerin, die unaufhaltsam auf die 40 zugeht, lernt durch ihren Ehemann den akademischen Cowboy Dick kennen. Dick wird zu ihrer Obsession. Völlig überwältigt von ihren Gefühlen schreibt sie zunächst eine Erzählung über ihr erstes Treffen, dann verfasst sie Briefe, die sie nicht abschickt, und auch Sylvère, ihr Mann, wird Teil dieses Konzept-Dreiers. Mal schreiben beide Dick gemeinsam, mal einzeln, doch während Sylvère irgendwann sein Interesse wieder verliert, verstrickt sich Chris immer mehr in die Abgründe ihrer eigenen Begierde. Chris Kraus hebt in ihrem mittlerweile auch als Amazon-Serie verfilmten Roman die Grenzen zwischen Fiktion, Essay und Tagebuch auf und schuf damit gegen Ende des 20. Jahrhunderts ein völlig neues Genre.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.06.2017

Nein, tragisch kann Andrea Köhler die Heldin in diesem 20 Jahre alten Debütroman von Chris Kraus nicht finden. Für Köhler ein Verdienst der Autorin. Außer einem neuen Frauentyp schafft Kraus hier laut Rezensentin ferner das Kunststück, die mit Theorie nicht wenig aufgeladene autobiografische Geschichte einer unerwiderten Obsession direkt ans Facebook-Zeitalter anzuschließen, indem sie exzessive, sezierende Selbstentblößung lange vor Knausgard zelebriert. Das Buch, für Köhler kluger, mit philosophischen wie kunsthistorischen Exkursen angereicherter Essay und sarkastischer Roman in einem, "kongenial" übersetzt von Kevin Vennemann, kann die Rezensentin nicht anders als gelungen nennen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.04.2017

Auch nach zwanzig Jahren hat Chris Kraus' neuaufgelegte autobiografische "Fallstudie" nicht viel an Aktualität eingebüßt, versichert Rezensentin Carola Ebeling. Wie die feministische Autorin von ihrer Obsession für den Kulturtheoretiker Dick Hebdige erzählt, in die bald auch ihr Mann Sylvère Lothringer einsteigt und dabei ihre schonungslose Selbstentblößung mit klugen Reflektionen über Erwartungen an Frauen, ihre Rolle im Kunst- und Intellektuellenbetrieb, weibliche Sucht nach Anerkennung durch Männer und Bewertungen von "männlicher" und "weiblicher" Kunst kurzschließt, hat die Kritikerin tief beeindruckt. Präzise Beobachtungen und wunderschöne Passagen über "weibliche Monster" machen die Lektüre für die Kritikerin zu einem Ereignis.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.02.2017

Juliane Liebert lässt sich vom Hype um Chris Kraus nicht anstecken. Dabei attestiert sie der Autorin durchaus Gespür für Satire und Selbstironie, entdeckt "kokette" Milieuschilderungen, bewundert wie Kraus die New Yorker Kunstszene wie eine "tote Ratte seziert" und versteht, weshalb der Roman in seiner geradezu "drastischen" Klugheit richtungsweisend für viele Künstler gewesen ist. Nur mit den zahlreichen feministischen Projektionen, die der Roman seit seiner Wiederveröffentlichung erlebt, kann die Kritikerin rein gar nichts anfangen: Was daran witzig oder "revolutionär" sein soll, wenn Kraus und ihr Mann Sylvere Lothringer etwa einem fremden Mann schreiben, dass sie ihn im Kontext eines Kunstprojekts "flachlegen" oder "abmurksen" wollen, kann Liebert beim besten Willen nicht verstehen. Zu viel selbstmitleidiger und "überholter" Machtdiskurs, schließt die Rezensentin.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 28.01.2017

Fast zwanzig Jahre lang galt Chris Kraus' feministischer Roman "I love Dick" als Geheimtipp und feiert erst jetzt größte Erfolge, informiert Rezensentin Jana Hensel. Zu Recht, meint die Kritikerin, denn der Roman ist einfach genial. Wie Kraus in ihrer seltsamen, sich zunächst in Briefen entwickelnden Menage-a-trois zwischen ihr, ihrem Mann, dem französischen Literaturwissenschaftler Sylvere Lothringer und dem gemeinsamen Bekannten Dick die verschiedenen Wahrnehmungen von Mann und Frau erprobt, findet Hensel brillant. Großartig auch, wie erbarmungslos Kraus weibliches Begehren und Verlangen "seziert", lobt die Rezensentin, die hier auch lernt, wie Scheitern zu etwas "Schillerndem" werden kann.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 26.01.2017

Nach zwanzig Jahren erscheint "I love Dick" endlich auch hierzulande, freut sich Rezensentin Marie Schmidt und wünscht dem Buch Klassiker-Status. Zwar muss die Kritikerin feststellen, dass der Fiktion und Autobiografie, Selbsterlebtes und Kunstkritik vereinende Text hinsichtlich der "bis in den letzten Winkel kartografierten Feuchtgebiete" weiblichen Begehrens ein wenig in die Jahre gekommen ist: Die feministische Künstlerin, Kritikerin, Filmemacherin und Autorin sinniert hier anhand ihrer autobiografischen Dreiecks-Liebesgeschichte, aber auch in Essays über verschiedene Künstlerinnen, wie etwa Hannah Wilke, über die "Unaussprechlichkeit" von Weiblichkeit und Begehren nach, klärt Schmidt auf. Im zweiten kulturkritischen Teil des Buches entdeckt die Rezensentin dann kluge Gedanken und Methoden, die weit über den aktuellen Gestus der bis zur "Unkenntlichkeit trivialisierten" Selbstoffenbarung hinausreichen.
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