Christine Vescoli

Mutternichts

Roman
Cover: Mutternichts
Otto Müller Verlag, Salzburg 2024
ISBN 9783701313143
Gebunden, 168 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Das Nichts war zeitlebens im Rücken der Mutter, war allumfassend und doch nie greifbar. Nach dem Tod der Mutter fragt die Tochter sich, ob sie nun endlich sehen kann, was die Mutter hinter sich verborgen und worüber sie geschwiegen hat. Ihr bleiben nur wenige Erzählungen, geflüsterte Erinnerungen, ein paar Fotos und Zeitungsausschnitte. Die Mutter hat eine Kindheit voller Härte und Kälte auf einem fremden Hof in einem Südtiroler Seitental verbracht. Sie habe Gedichte in den Schnee geschrien und gegen den Frost angesungen - das hat die Mutter immer erzählt. Dass sie es gut hatte unter den fremden Menschen, ließ sie die Tochter glauben. Doch die glaubt es nicht mehr. Wie kann sie die Geschichte der Mutter erzählen, wo beginnen, was darf sie verknüpfen? Denn erzählen muss sie endlich, bevor diese Tür sich für immer schließt. "Ich stemme einen Fuß dazwischen, klemme ihn zwischen Mutters sich auflösende Geschichte und mich." Wer also war sie? Die Erzählerin nähert sich Schritt für Schritt dem Leben der Mutter an, stets hinterfragend, ob es so gewesen sein könnte oder ob sie mittels ihrer Sprache eine bereits vorgeformte Wirklichkeit schafft, die sich mit der Wahrheit der Mutter nicht deckt.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 23.02.2024

"Mutternichts" ist der gelungene Versuch, eine Leerstelle in Worte zu fassen, aus dem Nichts ein verschwiegenes Leben zu bergen und dieses zu Literatur zu erheben als Exempel "für Millionen ähnlicher Leben", staunt Rezensent Jan Drees. Dieses Leben - das Leben einer schweigenden Mutter - ist ein entbehrungsreiches gewesen, lesen wir, eng und mühsam, voller Lücken und Geheimnisse, so viel weiß die Tochter, Erzählerin und Autorin Christina Vescoli schon zu Beginn. Mehr zu erfahren über das "Mutternichts", die Lücken zu füllen, wenn nötig mit Mutmaßungen, eine Erklärung zu finden für die "existentielle Traurigkeit", welche dieses Leben überschattete, der zeitlebens Schweigenden nach ihrem Tod eine Stimme zu verleihen, zumindest ein Flüstern - das ist Vescolis Ziel, so Drees. In eindringlichen Sätzen, die "ächzen", wie Drees es ausdrückt, beschreibt Vescoli Herkunft und Aufwachsen ihrer Mutter und nähert sich so schweren aber entschlossenen Schrittes ihrem Ziel. Beschwerlich ist der Weg dorthin, das "Stochern" in der Vergangenheit, doch er hat sich gelohnt, schließt der angetane Kritiker.